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Sascha Kirsch­stein, wie geht es Ihnen?
Nicht so gut. Ich bin in Rumä­nien.
 
Wie dürfen wir das ver­stehen?
Ich spiele momentan beim ACS Poli Timisoara. Und die erzählen, erzählen, erzählen – aber sie sagen nicht die Wahr­heit. (Über­legt.) Darf ich ein biss­chen aus­holen?
 
Bitte.
Es fing an in der Saison 2014/15. Damals war meine Situa­tion bei Erz­ge­birge Aue nicht son­der­lich gut, ich kam kaum noch zum Ein­satz. Also son­dierten mein Berater und ich den Markt. Ich bin zwar schon 35, aber fühle mich topfit und wollte unbe­dingt weiter höher­klassig spielen. Eines Tages erzählte mir mein Berater von einem Angebot aus Rumä­nien. Das klang inter­es­sant.
 
Inter­es­sant? Die rumä­ni­sche Liga gilt nicht gerade als Fuß­ball­pa­ra­dies.
Es gibt aller­hand dubiose Geschichten, das stimmt. Allein im ver­gan­genen Jahr wurden zahl­reiche Klub­be­sitzer wegen des Ver­dachts auf Kor­rup­tion ver­haftet. Etliche Ver­eine dürfen inter­na­tional gar nicht mehr spielen, weil sie von der Uefa gesperrt wurden.
 
Steaua Buka­rest darf nicht mal mehr seinen Ver­eins­namen ver­wenden.
Offi­ziell nicht, sie machen es aber trotzdem. Aber trotz sol­cher Geschichten reizte mich der Wechsel. Ich fuhr also mit der Mann­schaft für vier Tage ins Trai­nings­lager nach Slo­we­nien und fand die Atmo­sphäre und Bedin­gungen sehr gut. Schon damals gab es aber ein paar Dinge, die mich störten.
 
Näm­lich?
Ver­trags­de­tails. Zum Bei­spiel wurde das ver­ein­barte Gehalt plötz­lich nach unten kor­ri­giert, wes­halb sich die Ver­hand­lungen etwas in die Länge zogen. Schließ­lich kamen wir aber überein und ich unter­schrieb für ein Jahr. Am 3. Juli 2015 kam ich mit sechs Kof­fern in Timisoara an.
 
Was wussten Sie über Rumä­nien?
Kaum etwas. Es war ein kleines Aben­teuer, schließ­lich hatte bis dato auch noch nie ein deut­scher Fuß­baller in der rumä­ni­schen Liga gespielt. Die Stadt Timisoara hat mich sogar positiv über­rascht. Hier wohnen 600.000 Men­schen, es ist sehr fried­lich und ange­nehm. Es gibt eine Uni­ver­sität, und ich habe mitt­ler­weile auch ein paar Deut­sche ken­nen­ge­lernt, die hier stu­dieren.
 
Wie ver­lief die Hin­runde?
Vieles war neu. Ich war es aus Deutsch­land gewohnt, dass ein Profi alles bekommt. In Rumä­nien müssen die Spieler ihre Schuhe oder andere Sport­kla­motten hin­gegen selber kaufen, wenn sie nicht einen per­sön­li­chen Aus­rüs­ter­ver­trag haben.
 
Und sport­lich?
Das Niveau liegt zwi­schen zweiter und dritter Liga. Für mich per­sön­lich lief es ganz gut, ich machte 14 Spiele, wir lan­deten am Ende der Hin­runde im unteren Mit­tel­feld.
 
Was lief nun genau schief?
Die Gehalts­zah­lungen ver­spä­teten sich schon Ende des Som­mers. Laut Ver­trag sollte ich mein Geld am Fünf­zehnten des Monats bekommen, aber jedes Mal musste ich am Neun­zehnten oder Zwan­zigsten beim Sport­di­rektor vor­stellig werden, weil nichts über­wiesen worden war. Bis November ging das okay, denn das Geld kam zwar mit Ver­spä­tung, aber immerhin kam es über­haupt. Seit Dezember ist das anders, ich warte immer noch auf die letzten zwei Gehälter.
 
Und jetzt?
Das letzte Mal habe ich vor zwei Wochen mit dem Sport­di­rektor gespro­chen. Er ver­sucht, mich aus dem Verein zu drängen und drohte mir. Er sagte, dass ich einen neuen Ver­trag unter­schreiben müsste, der ein deut­lich nied­ri­geres Gehalt vor­sieht, weil ich zu teuer sei. Dar­aufhin erklärte ich ihm, dass er sich das hätte vorher über­legen sollen. Ich werde nun mit meinem Rechts­an­walt bei der Fifa klagen.
 
Sie spielen also gar nicht mehr?
Nein. Ich wurde in die zweite Mann­schaft degra­diert. Momentan spielt der zweite Keeper, der 1500 Euro brutto im Monat ver­dient. Auch für rumä­ni­sche Ver­hält­nisse ist das ein lächer­lich geringes Gehalt für einen Pro­fi­fuß­baller.
 
Zu wenig für Sie?
Der Sport­di­rektor ver­sprach mir, dass ich wieder für die erste Mann­schaft auf­laufe, wenn ich einen sol­chen Ver­trag unter­schreibe. Wissen Sie, ich spiele Fuß­ball, weil ich den Sport liebe. Und wenn ich Anfang 20 wäre, würde ich sicher­lich Abstriche mache. Aber ich bin Mitte 30, habe eine Familie und möchte die ernähren. Ich bin übri­gens nicht der ein­zige Spieler, der seit zwei Monaten auf Gehälter wartet.
 
War die finan­zi­elle Situa­tion nicht absehbar, als Sie den Ver­trag unter­schrieben?
Nein. Und ich bin der Mei­nung, dass es dem Verein immer noch recht gut geht. Als ich aus dem Win­ter­ur­laub nach Timisoara zurückkam, erfuhr ich, dass die Mann­schaft ins Trai­nings­lager in die Türkei gefahren ist. In einem Büro sah ich zufällig eine Kos­ten­auf­lis­tung der Reise: 31.000 Euro. Dafür ist offen­sicht­lich Geld da.
 
Wollen Sie unter sol­chen Bedin­gungen in Rumä­nien bleiben?
Ich werde pro­fes­sio­nell trai­nieren, aber wenn ein gutes Angebot kommt, wech­sele ich natür­lich. Ich bin offen für alles, neu­lich gab es Inter­esse aus Israel, das sich leider zer­schlug, weil der Verein keine aus­län­di­schen Spieler ver­pflichten darf.
 
Was tun Sie nun den ganzen Tag? Haben Sie wenigs­tens deut­sches Fern­sehen?
Nicht wirk­lich. Ich wohne in einem Hotel, in einem kleinen Abstell­zimmer gibt es einen Fern­seher, auf dem RTL läuft. Ich nutze aber sehr viel You­tube. Auf einer rumä­ni­schen Web­site werden zudem einige Bun­des­li­ga­spiele über­tragen.