Herr Lei­feld, Ihr Laden ist vor einigen Monaten aus­ge­brannt. Wie geht es weiter?

Uwe Lei­feld: Im Juni wird die Lot­to­an­nah­me­stelle wieder auf­ge­macht, und dann wird man sehen, wie viele Stamm­kunden noch zurück­kommen. Es bleibt beim alten Kon­zept. Tabak­waren, Zeit­schriften, Fan­ar­tikel und Lotto. Ich mach den Job in dem Laden ja gerne. Aber ich steh da täg­lich von sieben bis halb sieben. Die Kunden wissen ja gar nicht, wer ich bin. Die wissen nur, ich bin der, der da schon seit 12 Jahren steht und immer weiß, wer was raucht. Dann freuen die sich und sagen: Mensch, dass sie sich das alles merken können.“ Das ist das Kom­pli­ment, das man heute so hört.

Zu Ihrer Zeit als Pro­fi­spieler waren das andere Kom­pli­mente…


Uwe Lei­feld: Respekt haben die Leute, die mich damals Fuß­ball spielen gesehen haben, immer noch. Ich hab einmal in einer Saison hin­ter­ein­ander 16 Tore gemacht. So jemand ver­dient heute über 3,5 Mil­lionen Euro. Für die knapp 168 Spiele mit 48 Toren ist das ne ganz gute Quote von mir. Ich kann mir da heute aber nichts mehr für kaufen. Da hab ich nie was draus gemacht wie alle anderen Fuß­baller, die auf­ge­hört haben. Ich werde dieses Jahr 40 und hoffe immer noch, dass ich irgend­wann wieder in diesen sport­li­chen Bereich rein­komme, weil ich sehe, dass das, was ich jetzt mache, nicht meine Lebens­auf­gabe ist. Ich hoffe, dass einer sagt: Hast du nicht Lust, was bei uns zu machen?“ Des­wegen hab ich den Gedanken: Ich würde gerne in irgend­einem Verein als Spie­ler­be­treuer, als Sport­di­rektor wei­ter­ma­chen. Oder auch im Mer­chan­di­sing-Bereich. Und wenn ich das nicht schaffe, dann hab ich wenigs­tens noch meinen Laden. Dann wäre ich da, wo ich vor 12 Jahren auch schon war.

Was sind die schönsten Erin­ne­rungen an Ihre aktive Zeit?

Uwe Lei­feld: Also, für mich kommen diese Erin­ne­rungen erst, wenn ich zu Hause meine Kar­tons auf­mache mit Fotos oder Zei­tungs­aus­schnitten, die meine Mutter gesam­melt hat. Dann kommt das wieder hoch. Ich war stolz, Bun­des­li­ga­profi zu sein, war stolz, 1988 mit dem Vfl Bochum im Pokal­end­spiel zu stehen, war stolz, in der Natio­nal­mann­schaft vor­spielen zu dürfen. Hab auch mit Berti Vogts als Trainer Spiele gemacht. Habe unter einem Prä­si­denten, der Günter Eich­berg hieß, gespielt. Das war ne Ehre, das war Kult, das war Reli­gion, Schalke 04 einmal mit­zu­er­leben.

Legendär ist Ihr aberkanntes Tor von 1988.

Uwe Lei­feld: Ja, im Pokal­end­spiel für Bochum. Ich hab‘ ein Tor gemacht, was eigent­lich regulär war, und der Lini­en­richter hatte die Fahne hoch, und der Schieds­richter hatte Abseits gegeben. Nachher im Fern­sehen kam raus, dass es kein Abseits war. Wir waren die bes­sere Mann­schaft, haben 1:0 ver­loren, aber da spricht heute keiner mehr drüber. Es spricht keiner mehr über Uwe Lei­feld. Ich habe es ver­passt, meinen Namen zu nutzen.

Warum haben Sie das nicht gemacht?

Uwe Lei­feld: Ja, warum eigent­lich nicht? Ich bin hier nach Münster zurück­ge­kommen und hab noch drei Jahre beim Preußen Münster gespielt, mit der Vor­aus­set­zung, dass ich danach in diesem Verein irgendwas weiter mache. Ich hab dann ein Jahr die A und B Jugend trai­niert und dann kam die Auf­lage: Sie müssen einen Trai­ner­schein haben, um das wei­ter­zu­führen.“ Da ich mit dem Laden aber so unter Druck stand, hab ich keine Zeit gehabt, die Scheine zu machen. Und so ist es halt gekommen, dass man gesagt hat: Das war’s dann“.

Soweit ich weiß, gab es da einen Ver­such, Ihren Namen für eine Geschäfts­idee zu nutzen…


Uwe Lei­feld: Ja, ich hab mich zwei Jahre bemüht, an der Hammer Straße die große Ten­nis­halle zu bekommen. Wollte ne Fuß­ball­halle auf­ma­chen. Die hat jetzt Michael Rum­me­nigge. Ich hatte da zwei Freunde gehabt, die wollten das mit mir machen. Irgendwie wollten wir das über die Bühne bringen. Da war ja schon alles fast unter­schrifts­reif, wir mussten uns nur noch finan­ziell unter­halten. Wir drei, wie wir das auf die Beine bringen. Und einen Abend vorher, bevor ich das Gespräch hatte mit den beiden Freunden, kam dann Ansgar Brink­mann und sagte: Wie viel Geld brauchst du denn?“ Und er würde mir das alles besorgen, und ich sollte dann vor Ort die Lei­feld-Brink­mann-Fuß­ball­halle machen. Er hat mir so den Kopf ver­dreht mit seinen Schau­er­mär­chen. Und dann hab ich den beiden Freunden das gesagt. Und es tut mir sehr leid, dass ich heute zwei Freunde weniger habe. Die beiden Freunde sind dann natür­lich auf­ge­standen, und wir haben das nicht ver­wirk­licht. Das war jetzt vor ein­ein­halb Jahren. Seitdem hat er sich auch nie wieder gemeldet. Das war wieder ein Mär­chen von Ansgar. So kenn ich ihn halt. Und jetzt möchte ich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er hat mich so ent­täuscht. Weil er mir so viel ver­spro­chen hat und ich wieder auf ihn rein­ge­fallen bin.

Wieder?


Uwe Lei­feld: Man kennt den Ansgar ja. Ich hab ihn erst dadurch kennen gelernt. Und alle Fuß­baller, die ich kenne und die Ansgar kennen, haben mir abge­raten. Ich soll dem bloß nichts glauben. Und ich bin so gut­mütig gewesen und hab ihm geglaubt. Es wär so ein schönes Ding gewesen. Ansgar – den kennt man aus den Medien. Ich hab mit ihm schon selber gespielt, ich kenn ihn, und ich würd sagen, dass zu 80% alles stimmt, was in den Medien steht.

Sie haben sich dagegen für ein sehr solides Leben ent­schieden – bereuen Sie das?

Uwe Lei­feld: Nein. Ich war eben ver­letzt und hatte kein Angebot, dass ich bei Preußen weiter beschäf­tigt werde, und wollte dann später meine Familie auch weiter ernähren können. Aber wenn Sie immer draußen waren, auf dem Rasen­platz, fri­sche Luft geschnappt haben … Ich sag’ Ihnen: Ich würde gerne wieder sofort tau­schen und auf dem Platz stehen, um mein Talent wei­ter­zu­geben. Der Laden läuft ja ganz gut, und ich geh ja auch gerne mit Men­schen um. Aber uns kleine Unter­nehmer hat der Euro kaputt gemacht.

Das sagt jemand, der fast Welt­meister geworden wäre.

Uwe Lei­feld: Ja, da ärger ich mich schon, dass ich mich damals ver­letzt habe und jemand anders 1990 für mich mit zur WM gefahren ist. Wenn man Welt­meister ist, dann wär das für mich alles ein­fa­cher gewesen. Ich war eben ver­letzt, wurde ope­riert und dann hat sich das Thema erle­digt. Da kann ich nur sagen: Mein Gott, was hast du da für einen großen Fehler gemacht, ja?

Wie gehen Sie mit ihren Feh­lern um?

Uwe Lei­feld: Man muss sich ändern. Nach dem Brand will ich die Freude am Leben wie­der­finden. Ich würde die Stadt Münster gerne sport­lich nach vorne bringen. Privat ver­such ich, die Liebe meiner Frau zurück­zu­ge­winnen. Ich hab sie letztes Jahr ver­loren, meine Frau und meine Familie. Nach drei Monaten Tren­nung will ich die Chance, die uns irgend­je­mand gegeben hat, nutzen. Sind noch nicht ganz durch, aber man muss damit fertig werden und hoffen. Ich will um die Liebe meiner Frau kämpfen. Ich will sie zurück­ge­winnen.

Sie sagen, Sie wollen kämpfen“ und gewinnen“ – sind Sie ein Kämpfer?

Uwe Lei­feld: Ja. Das ist mein schwerster Kampf. Wenn man die Frau seiner Träume ver­liert und seine Kinder so ver­misst, dann ver­sucht man alles, sie zurück­zu­ge­winnen. Da müssen Sie viel Glück haben und viel Aus­dauer. Des­wegen haben wir uns ent­schlossen, uns pro­fes­sio­nell helfen zu lassen. Das geht aber nur, wenn beide Par­teien das auch wirk­lich wollen. Es ist sehr schwer. Es ist wirk­lich schwer, sich im Leben noch mal zu ändern. Aber was tut man nicht alles, um die Familie zusam­men­zu­halten. Die Familie, die man liebt, das, was man auf­ge­baut hat. Wir sind da wieder am Anfang, da, wo wir mal waren. Wir wollen nicht den glei­chen Fehler noch mal machen. Die erste Zeit nach dem Brand war sehr hart. Nach meiner Kar­riere als Fuß­baller war die Situa­tion die gleiche. Ich glaub, dass ich mich nach der Ver­let­zung geän­dert habe, weil ich ja mehr zu Hause war. Und die erste Zeit dann auch frus­triert war, dass ich nicht wei­ter­spielen konnte. Ich hab immer gedacht: Ach, dir pas­siert nichts mit dem Knie. Du wirst irgend­wann mal nen Rie­sen­ver­trag unter­schreiben und dann ist auch die Familie sicher.“ Ist halt eben nicht pas­siert. Und des­halb muss ich kämpfen. Sonst haben Sie irgend­wann nur den Part zu sagen: Mein Gott, was hast du eigent­lich gemacht aus deinem Leben?“

Und? Was haben Sie aus Ihrem Leben gemacht?


Uwe Lei­feld: Mein Leben ist ja noch lange nicht vorbei. Ich bin ja erst 39 Jahre jung. Mein Glück ist, dass ich zwei gesunde Kinder, eine tolle Frau und noch viele Wün­sche habe. Frau und zwei Kinder, das ist ja alles ganz schön. Nur muss das auch bis zum Lebens­ende klappen. Und dafür lohnt sich der Kampf.


*Das Inter­view erschien erst­mals in dem Müns­te­raner Magazin Stadt­ge­flüster“.

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