Uli Borowka ist noch immer der einzige Deutsche, der jemals die polnische Meisterschaft gewann. Sein Trainer in der Saison 1996/97, Franciszek Smuda, trainiert heute Polens Nationalmannschaft.
Uli Borowka, Sie sind im Frühjahr 1997 als einer der ersten Deutschen in die polnische Ekstraklasa gewechselt. Ihr Trainer bei Widzew Lodz war Franciszek Smuda, der aktuelle polnische Nationaltrainer. Welche Erinnerungen haben Sie an ihn?
Smuda war schon damals ein richtiger Fachmann. Als ehemaliger Spieler von Jupp Heynckes und Otto Rehhagel war ich ja ein gewisses Niveau gewöhnt, in Lodz wurde ich nicht enttäuscht. Sein Training war sensationell. Abwechslungsreich, unterhaltsam – und furchtbar anstrengend.
Steigerungsläufe auf die polnische Art?
Von wegen. Acht gegen Acht auf dem großen Feld, Mann gegen Mann, eine halbe Stunde lang. Danach brennen die Socken.
Smuda hat sowohl einen deutschen, als auch einen polnischen Pass. Wie haben Sie sich miteinander verständigt?
Natürlich auf deutsch. In den wenigen Monaten, die ich für Widzew gespielt habe, unterhielten wir uns häufig über den deutschen Fußball, seine Kollegen aus Deutschland, meine Erfahrungen mit Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach. Ein äußerst sympathischer Zeitgenosse. Und gleichzeitig eine absolute Respektsperson. Wenn er sagte: „Mannschaft, rennt 90 Minuten rückwärts“, dann sind wir eben 90 Minuten rückwärts gelaufen. Diese Autorität versprüht er auch noch heute.
Sie waren 1997 bereits im Herbst Ihrer Karriere, warum hat sich Smuda trotzdem für Sie entschieden?
Gute Frage. Außerdem war ich ja damals auch schon schwer alkoholkrank. Ein Bekannter von mir hatte mich Smuda empfohlen, dem gerade ein Verteidiger nach dem anderen verletzt ausgefallen war. Er kannte mich, er mochte meinen Spielstil – und ich habe ihn nicht enttäuscht.
Kein Alkohol, nur harte Arbeit auf dem Platz?
Nein, ich soff in Polen gnadenlos weiter. Mein Gehalt verzockte ich abends in den Kasinos der Stadt und in den Kneipen der Stadt bestellte ich die Biere mit dem einzigen polnischen Wort, das ich kannte: dwanascie, zwölf. Meine Rückennummer. Aber im Training und in den Spielen ackerte ich dann wie gewohnt über den Rasen.
Sehr zur Freude von Ihrem neuen Trainer, vermuten wir mal.
Vor dem ersten Spiel sagte Smuda zu mir: „So, Uli, jetzt zeig mal, was du noch alles drauf hast.“ Mein Gegenspieler war ein junger Kerl mit hellblauen Schuhen. Was soll ich sagen? Nach fünf Minuten flog der das erste Mal über die Seitenlinie. Die Zuschauer waren begeistert, Smuda stand nur neben seiner Trainerbank und grinste sich einen. Da wusste ich: Hier bist du richtig.
Trotzdem verschwanden Sie zum Saisonende schon wieder aus Polen. Warum?
Ich half noch mit, dass Widzew die Meisterschaft feiern konnte (Borowka ist damit der einzige Deutsche, der jemals polnischer Meister geworden ist, d. Red.), aber schon vor der offiziellen Meisterfeier verließ ich die Stadt wieder. Meine Zeit als Leiharbeiter war vorbei. Lodz war meine letzt richtige Station als Profifußballer, danach ging es brutal bergab. Erst 2000 habe ich in der Entzugsklinik die Kurve bekommen.
Polen und die Ukraine stehen als Gastgeber der EM ganz besonders unter Beobachtung. Was erwarten Sie sich von dem Turnier?
Was die Polen angeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie den Gästen eine tolle Veranstaltung bieten werden. Höchstens die Hooligan-Problematik macht mir Sorgen, ich habe den blinden Fanatismus von einigen Vollidioten damals am eigenen Leib erfahren müssen: Bei einem Auswärtsspiel gegen Legia Warschau schmissen die Hools während der ersten Halbzeit Molotowcocktails in unsere Kabine, wir mussten uns im Mannschaftsbus umziehen. Ich hoffe, solche Szenen bleiben der Europameisterschaft erspart.