Er war der erste Spieler, der den Rassisten in den Bundesligastadien die Stirn bot, heute feiert er Geburtstag: Souleymane Sané über sein Leben in Deutschland.
Souleymane Sané, gibt es eine Sportart, die Sie nicht beherrschen?
Skifahren. Dabei war das immer mein großer Wunsch.
Sie haben doch ein paar Jahre in der Schweiz und in Österreich gespielt. Haben Sie das nie ausprobiert?
Doch klar. Als ich 1994 zum FC Tirol Innsbruck gewechselt bin, dachte ich zunächst: Super, dann kann ich endlich mal Skifahren lernen. In Deutschland war es Fußballprofis damals verboten, nebenher andere Sportarten auszuüben. Die Vereine hatten Angst, dass sich die Spieler verletzten. In Österreich waren die Vereine aber ein bisschen lockerer.
Und, was lief dann schief?
Ich bin auf die Piste, voller Vorfreude, und dann lag ich die ganze Zeit auf dem Hosenboden. Danke, habe ich gesagt, aber das ist nicht mein Ding.
Sie haben aber zahlreiche andere Sportarten ausprobiert. Welche hat Ihnen am besten gefallen?
In meiner Kindheit habe ich Leichtathletik und Ringen gemacht. Da war ich auch gut, meine Bestzeit über 100 Meter liegt bei 10,7 Sekunden. Später habe ich noch geboxt. Mein Vater wollte sogar, dass ich weiter boxe, aber ich habe ihm gesagt, dass ich keine Lust habe, ständig auf die Fresse zu kriegen. (lacht)
Sie haben auch mal Breakdance gemacht…
…und damit meiner ersten Frau gefallen, richtig. Wir haben uns in einer Diskothek kennengelernt. Ich war es damals gewohnt, auf der Tanzfläche zu breaken, das kannte ich aus Frankreich, wo immer Leute im Kreis standen, wenn wir auf die Tanzfläche kamen. Außerdem war gerade „Beat Street“ in den Kinos gelaufen – ich war im B‑Boy-Fieber.
Hat Ihre Frau mitgemacht?
Nein, sie hat mir Foxtrott, Wiener Walzer und andere Tänze gezeigt. Ich habe es dann versucht. Ihre Eltern waren anfangs trotzdem skeptisch.
Nicht wegen den Standardtänzen?
Ach, nein. Ihre Eltern haben gesagt: „Fußballprofis gucken doch jedem Rock hinterher.“ Damals hatte ich das Glück, dass ihre zwei Brüder große Freiburg-Fans waren und sich sehr für uns stark gemacht haben.
Gehen wir noch einen Schritt zurück, nach Frankreich. Ihre Eltern sind mit Ihnen aus Dakar im Senegal nach Toulouse gegangen, als Sie vier Jahre alt waren. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie am Ball besser sind als andere?
Vielleicht, als ich mein erstes Moped bekommen habe.
Ihr erstes Moped?
In meiner Jugend, in den sechziger und siebziger Jahren, spielte ich bei Klubs wie dem FC Blangnac oder dem FC Toulouse. Wenn du gut warst, hat der Verein dir ein paar Schuhe geschenkt, wenn du sehr gut warst und weiter weg gewohnt hast, bekamst du ein Fahrrad. Und wenn sie dich unbedingt halten wollten, dann haben sie dir ein Moped geschenkt. Da merkte ich: Hey, vielleicht kann ich ja Fußballprofi werden. Zumal mein Bruder bereits bei den Profis von Toulouse spielte.
Was haben Ihre Eltern gesagt?
Der war alles andere als erfreut, denn fast alle in meiner Familie haben irgendwas mit Politik zu tun. Mein Vater war zum Beispiel Mitarbeiter der senegalesischen Botschaft und er sagte: „Souleyman, was für ein Quatsch! Fußball ist kein Beruf!“
Wie konnten Sie ihn überzeugen?
Ich sagte ihm, dass ich bei ES Viry-Châtillon 6000 Franc bekommen werde, das waren damals umgerechnet ungefähr 2000 Mark – und so viel verdienten mitunter nicht mal Leute, die studiert hatten. Er schaute mich an und sagte: „Das glaube ich nicht!“ Schließlich musste er aber den Vertrag unterzeichnen, und da war er erstaunt.
Hatten Sie da eigentlich schon Ihren Spitznamen Samy?
Den bekam ich in Paris, und das wurde später zu einem kleinen Problem. Der senegalesische Verband dachte nämlich aufgrund des Namens viele Jahre, dass ich Franzose sei. Erst Otto Pfister, der auch mal Trainer im Senegal war, verriet den Leuten eines Tages: „Der Junge hat auch einen senegalesischen Pass, lasst ihn für euch spielen.“
Doch da war auch schon Frankreichs Verband hinter Ihnen her.
Die Senegalesen hatten rasch meinen Vater informiert, die wussten, welche Knöpfe sie drücken mussten. Mein Vater bat mich natürlich, für den Senegal zu spielen. Und ich tat das, was mein Vater sagte – vermutlich das erste Mal in meinem Leben. (lacht) Dabei war ich seit über 20 Jahren nicht im Senegal gewesen.
Nachdem Sie im Trikot des ES Viry-Châtillon Torschützenkönig in Frankreichs Liga geworden waren, landeten Sie beim deutschen Landesligisten FV Donaueschingen. Wie kam das denn?
Es ist normalerweise so, dass Sportprofis bei der Einberufung in den Armeedienst Privilegien genießen. Sie werden maximal 100 Kilometer von ihrem Verein entfernt stationiert. Dafür muss man aber rechtzeitig den Verein informieren, der daraufhin einen Antrag an die Armee stellt. Das Dumme war: Als der Brief mit der Einberufung bei meinen Eltern ankam, war ich gerade mit ein paar Freunden im Urlaub, ein Monat Rom und Nizza. Meine Eltern versuchten mich zu erreichen, doch es gab ja noch keine Handys. Als ich heimkehrte, war es zu spät. Ich erfuhr, dass ich in den Schwarzwald musste. Nach Deutschland.
Was haben Sie gedacht?
Ich habe mich sofort informiert und sah: Im Winter sind es dort minus zehn Grad. Ich sagte: „Leck mich am Arsch! Das halte ich nicht aus.“ Als ich dann da war, fand ich es aber doch ganz nett. Vor allem das Essen: Ich aß zum ersten Mal in meinem Leben Spätzle. Wahnsinn! Mein Lieblingsgericht!