Er galt als Hoffnungsträger für eine ganze Fußballnation. Seine Tore sollten der Stürmerflaute in der Nationalmannschaft Mitte der Neunziger ein Ende bereiten. Von höchster Stelle in einem Schnellverfahren mit einem deutschen Pass ausgestattet, stand Sean Dundee kurz vor der Erfüllung seines Lebenstraums. Doch der Karrieretraum zerplatzte. Wir sprachen mit ihm.
Sean Dundee, im Internet werben Sie für Ihre Fußballschule mit dem Satz: „Ich möchte Kindern bei der Realisierung ihrer Träume helfen. So wie es mir gelungen ist.“ Gibt es auch Dinge, vor denen Sie Ihre Schützlinge warnen würden?
Dass sie nicht die gleichen Fehler machen wie ich. Ich habe viele Fehler gemacht. Wenn ich zurückgehen könnte und alles neu machen könnte, würde ich wahrscheinlich ganz anderer Spieler werden. Dann würde ich es wahrscheinlich viel weiter schaffen.
Worauf sollen die Kinder also konkret achten?
Die Kinder müssen sich viel Zeit nehmen. Vor dem Training und nach dem Training bereit sein Extra-Schichten einzulegen. Das musste ich auch lernen. Am Anfang bin ich lieber mal mit Freunden ausgegangen.
Was noch?
Sie sollten nicht allen Leuten vertrauen.
Vertraut hat Sean Dundee zu Beginn seiner Karriere sehr vielen Leuten. Beinahe naiv gelang es dem gebürtigen Südafrikaner nicht immer Freunde und reine Geschäftsbeziehungen zu unterschieden. Er berichtet von Beratern, die ihn aus rein wirtschaftlichem Interesse möglichst schnell von Verein zu Verein verkauften wollten. Mit 19 Jahren wechselte der junge Stürmer nach Deutschland zum Zweitligisten Stuttgarter Kickers. Zu Beginn nahm er meist auf der Bank Platz, entschied sich zu einem Wechsel in die Regionalliga und wurde dort nach einer erfolgreichen Saison 1995 zum Karlsruher SC in die 1. Bundesliga transferiert.
Mit welchen Gefühlen sind sie in ihre erste Saison in der höchsten deutschen Spielklasse eingestiegen?
Fußball war mein Leben. Zu der Zeit haben Klinsmann, Häßler und weitere Weltmeister von 1990 in Deutschland gespielt. Von denen hatte ich als Kind Poster an meiner Wand hängen! Allerdings dachte ich auch an die Schwierigkeiten, die auf mich zukommen würden. Allein die neue Sprache machte mir Probleme.
Haben Sie sich als Neuling bei den Stuttgarter Kickers einsam gefühlt?
Wir spielten schlecht und ich wurde nur selten eingesetzt. Nach meinem ersten Heimaturlaub im sommerlichen Durban bin ich im Winter nach Stuttgart zurückgekehrt. Damals habe ich mich wirklich alleine gefühlt und dachte, dass ich das nicht mehr lange aushalte. Doch der kleine Mann in mir rief: „Wenn du jetzt aufgibst, bereust du das dein Leben lang!“ Ich habe auf den kleinen Mann gehört.
Mit 33 Treffern in zwei Spielzeiten beim Karlsruher SC weckte der Südafrikaner in seinem Heimatland Begehrlichkeiten. Im Dezember 1995 stand er für ein Testspiel im Kader der „Bafana Bafana“, der süfafrikanischen Nationalmannschaft. Der damalige Gegner hieß: Deutschland.
Was ging Ihnen damals nach der Nominierung durch den Kopf?
Es war für mich eine große Ehre. Als mir dann jemand gesagt hat, dass ich nicht spielen soll, weil ich vielleicht noch für Deutschland auflaufen könnte, habe ich mich allerdings gegen einen Einsatz entschieden.
Beim Aufwärmen täuschten Sie eine Verletzung vor und wurden nicht eingesetzt.
Ich war leicht verletzt. Wahrscheinlich hätte ich auch spielen können. Ich wollte aber lieber abwarten und noch nicht für Südafrika spielen. In dieser Mannschaft war ich ein Außenseiter. Die Jungs waren wie eine Familie, hatten schon lange zusammengespielt. Für die war ich ein Spieler aus Deutschland, der nun geholt worden war, um endlich Tore zu schießen. Die meisten waren nicht glücklich, als sie mich das erste Mal sahen.
Zunächst schien sich die Entscheidung von Dundee als richtig zu erweisen. Der Sturm in der deutschen Nationalmannschaft war überaltert und junge neue Stürmer wurden dringend gesucht. Der DFB entschied sich erstmals in der Geschichte des Verbandes Spieler für das A‑Team einzubürgern und fand bei der Umsetzung prominente Unterstützer. Der damalige Innenminister Manfred Kanther sah die Chance sein Image in der Bevölkerung aufzubessern und drückte öffentlich wirksam den Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft nach einem halben Jahr durch. Die „Bild“ gratulierte: „Herzlich willkommen!“ Im Februar 1997 sollte Sean Dundee unter Bundestrainer Berti Vogts im Freundschaftsspiel gegen Israel sein Startdebüt feiern.
Mit der Einladung zur deutschen Nationalmannschaft erfüllte sich für mich ein Traum. Das war zu diesem Zeitpunkt das schönste Gefühl meines Lebens! Doch am Wochenende vor dem Spiel gegen Israel verletzte ich mich im Spiel gegen Stuttgart und spielte trotzdem weiter. Das war das schlimmste, was ich überhaupt hätte machen konnte. Nach dem Spiel konnte ich kaum noch gehen. Als ich einen Tag später im Hotel zur Nationalmannschaft stieß, schickte mich Berti Vogts gleich zu Dr. Müller-Wohlfarth.
Zu diesem Zeitpunkt hat Ihnen der Trainer schon öffentlich einen Einsatz von Beginn versprochen.
Richtig. Doch der Doktor schloss nach der Untersuchung einen Einsatz vollkommen aus. Diese Nachricht war schlimmer, als meine Niederlage im Pokalfinale 1996 (der KSC verlor damals mit 0:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern, d. Red.) oder den Torschützentitel am letzten Spieltag der Saison 1995/96 knapp zu verpassen (Stuttgarts Fredi Bobic gelangen am 34. Spieltag zwei Tore beim 3:1‑Sieg gegen den KSC, Bobic wurde mit 17 Toren Torschützenkönig, Dundee, der in diesem Spiel ebenfalls ein Tor erzielt hatte, wurde mit 16 Toren nur Zweiter, d. Red.). Das hat mich richtig getroffen.
Am Ende standen Sie insgesamt dreimal im Kader, saßen aber nur einmal auf der Ersatzbank und wurden nie eingewechselt. Wie denken Sie heute darüber?
Ich hätte einfach gerne ein Spiel für Deutschland gemacht. Nach meiner ersten Verletzung habe ich immer gedacht, dass ich es noch schaffe und habe es immer wieder probiert. Leider hatte ich dann zu viele Verletzungen, die mich ausgebremst haben. Es gab keine Gelegenheit mehr für die Nationalmannschaft zu spielen.
An die Erfolge in den ersten Jahre im Fußball-Oberhaus konnte Sean Dundee anschließend nie wieder anknüpfen. Zahlreiche Verletzungen warfen den Stürmer immer wieder zurück. Gelangen ihm in den Spielzeiten 1995/96 und 1996/97 16, bzw. 17 Tore, waren es in der Saison 1997/98 nur noch drei Treffer. 1998 wechselte Dundee vom Karlsruher SC zum FC Liverpool ausgeliehen, nach nur drei Spielen ging er 1999 zum VfB Stuttgart. In vier Jahren gelangen ihm 25 Tore in 77 Spielen, 2003 ging er zu Austria Wien. Dundee spielte nie wieder in einer europäischen Topliga. Im Rückblick möchte er dennoch nicht von einer gescheiterten Karriere sprechen. Im Gespräch sucht er in allen Rückschlägen immer noch etwas Positives. So auch bei der Anekdote von einer Auseinandersetzung mit einem Boulevardreporter.
Worum ging es da genau?
Es gab jemanden von der „Bild“-Zeitung, der eines Tages nach dem Training auf mich wartete und meine privaten Telefonrechnungen in der Hand hatte. Er wusste genau, mit wem ich wann gesprochen habe. Der Typ hatte mich am Anfang meiner Karriere in den Himmel geschrieben, später hat er mich zerstört.
Haben Sie nichts gegen diese gesetzeswidrige Aktion unternommen?
Wenn jemand etwas Böses macht und ich merke, dass es ihm leid tut, dann ist es für mich vorbei. Ich bin nicht nachtragend. Später ist dieser Reporter sehr krank geworden. Da habe ich ihn im Krankenhaus angerufen und gute Besserung gewünscht. Er war total überrascht und hat sich bei mir bedankt.
Im Spitzensport können über Nacht Stars geboren werden. Nicht minder rasant können vermeintliche Hoffnungsträger scheitern. Sean Dundee bleibt ein Fußballer, der sportlich oft kurz vorm Ziel gescheitert ist. Zweimal Vize-Torschützenkönig, Vize-Pokalsieger, Beinahe-Nationalspieler. Seinen Traum, sagt er, habe er trotzdem gelebt. So einer darf dann auch für seine Schule mit der „Realisierung von Träumen“ werben.
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