Uwe Fel­len­siek, Sie sind 1955 in Osna­brück geboren, bezeichnen sich aber als glü­henden Anhänger des VfL Bochum. Wann sind Sie das erste Mal mit Fuß­ball in Berüh­rung gekommen?
1960 zog meine Familie nach Bochum um, 1961 war ich das erste Mal in einem Sta­dion. Damals aller­dings in der Roten Erde“, Borussia Dort­mund gegen Ham­burger SV. End­stand 7:2. Irgendein Kerl kippte meinem Vater wäh­rend der Partie ein Glas Bier über den Kopf. Das waren meine ersten Fuß­ball-Erfah­rungen.

Warum haben Sie Ihr Herz dann doch an den VfL ver­loren?
Wir wohnten in Bochum direkt an der Cas­troper Straße (die Straße, die in Bochum zum Sta­dion führt, d. Red.), des­halb gab es für mich sehr schnell nur noch blau und weiß.

Welche Erin­ne­rungen haben Sie an das Sta­dion an der Cas­troper Straße“?
Ich bin erst relativ spät gewachsen und weil ich so klein war, saß ich die ersten Jahre immer auf den Schul­tern von meinem Vater. Später, so mit neun oder zehn Jahren, musste ich mir immer einen Hocker mit ins Sta­dion nehmen. Das war selbst­ver­ständ­lich auch nicht die aller­beste Idee: Mehr als einmal wurde ich von den jubelnden Massen ver­schüttet. Und irgend­wann war auch der Hocker im Eimer.

Was hat Sie am Gang ins Sta­dion fas­zi­niert?
Es war und ist bis heute ein Aben­teuer. Ein Sta­dion voller Men­schen, die singen und laut und wild sind. Das Flut­licht, der große grüne Tep­pich da unten… Das hat schon damals einen unglaub­li­chen Reiz auf mich aus­geübt.

Gab es ein Spiel vom VfL, das Ihre Kind­heit und Jugend nach­haltig geprägt hat?
Es war eher eine ganze Saison, und zwar die Spiele im DFB-Pokal 1967/68. Wir schlugen nach­ein­ander den Karls­ruher SC, den VfB Stutt­gart, Borussia Mön­chen­glad­bach und Bayern Mün­chen. Erst im Finale gegen Köln war Schluss (1:4, d. Red.). Unver­gessen ist auch das 5:6 gegen die Bayern 1976. Wir führten nach 53 Minuten mit 4:0 – und ver­loren am Ende durch ein Tor von Uli Hoeneß in letzter Minute. Viele Zuschauer im Sta­dion sind damals in Ohn­macht gefallen.

Wie bitte?
Ich habe das aus nächster Nähe erlebt. Ich war damals mit einem Mäd­chen im Sta­dion, statt auf den Rasen zu schauen, sah sie mich die ganze Zeit an. Ich zu ihr: Baby, da unten musst du hin­gu­cken, da pas­siert gerade was Großes!“ Da ver­drehte sie plötz­lich die Augen und klappte zusammen. Die Enge in der Menge, die Auf­re­gung, das war ihr wohl zu viel geworden. Irgendwie schleppte ich sie zu den Sani­tä­tern, es dau­erte viel zu lange, bis sie wieder bei Sinnen war. Ich musste doch wieder in Kurve, das war das Spiel des Jahres!

Beschränkt sich Ihre Liebe zum Fuß­ball auf den VfL?
Das ist mein Verein, aber ich will eigent­lich immer Fuß­ball sehen, egal wo ich bin.

Was bedeuten Sta­dien für Sie?
Andere Men­schen gehen in Dome, Münster oder Tempel und sind gleich­zeitig fas­zi­niert wie ergriffen. So geht es mir mit Fuß­ball­sta­dien.

Ihr beein­dru­ckendstes Sta­di­on­er­lebnis, mal abge­sehen von den Besu­chen in Bochum?
Vor einigen Jahren tourte ich mit meinem Motorrad durch Europa. Ich war bereits drei Monate unter­wegs, als ich einen Zwi­schen­stopp ein­legte, um in Madrid eine Freundin zu besu­chen. Genau an diesem Tag fand das Madrider Stadt­derby zwi­schen Real und Atle­tico statt, irgendwie bekam ich noch zwei Karten. Wir saßen auf einem der hin­tersten Plätze, das Ber­nabeu war kom­plett aus­ver­kauft. Auf einem Taschen­fern­seher hätte ich eine bes­sere Sicht gehabt! Aber das Erlebnis war phä­no­menal.

Schon mal mit der Natio­nal­mann­schaft unter­wegs gewesen?
Natür­lich. Mein erstes großes Spiel war das EM-End­spiel 1972 gegen die Sowjet­union. Ich war damals 16 und trampte von Bochum nach Brüssel. Einen Tag vor dem Spiel kam ich dort an, besorgte mir Karten, lernte ein paar Möbel­pa­cker kennen und pennte die Nacht bei denen im LKW. Was für ein Spiel. Ove­rath und Netzer standen damals gemeinsam auf dem Platz und haben die Russen dann kom­plett aus­ein­ander genommen (Deutsch­land gewann mit 3:0, d. Red.).

War das Ihr schönstes Erlebnis in Sachen Län­der­spiel-Reisen?
Noch inten­siver habe ich die Euro 1996 in Erin­ne­rung. Damals gehörten mir ein paar Clubs, doch die Läden liefen nicht so wirk­lich. Ich ackerte wie ein Gaul, aber das half alles nichts. Einen Tag vor dem Halb­fi­nale zwi­schen Eng­land und Deutsch­land hatte ich die Schnauze voll, schloss den Club ab, in dem ich mich gerade befand, fuhr nach Hause und sagte zu meiner dama­ligen Frau: Pack die Kla­motten, wir fahren morgen nach Eng­land!“ Mit meinem Daimler knallten wir nach London, ich kaufte ganz normal am Ticket­schalter noch zwei Karten und sah eines der span­nendsten Spiele der deut­schen EM-Geschichte. Selbst für das End­spiel gegen die Tsche­chen konnte ich uns noch zwei Tickets schießen. Das war fan­tas­tisch.

Sie waren zunächst ab Mitte der sieb­ziger Jahre als Musiker unter­wegs und traten u.a. im legen­dären Beat-Club“ auf. Seit Anfang der acht­ziger Jahre kennt man Sie als Schau­spieler. Wurden Sie von Ihren Musiker- und Schau­spiel-Kol­legen schräg ange­guckt, wenn Sie sich am Wochen­ende ins Sta­dion ver­ab­schie­deten?
Schräg ange­guckt“ impli­ziert ja schon eine Bewer­tung. Es war viel­mehr so, dass die Leute ein­fach nicht begreifen konnten, woher meine Fas­zi­na­tion für das Spiel kam. Ein Bei­spiel: Als Serien-Schau­spieler konnte ich ja mich ja nicht ein­fach am Sams­tag­nach­mittag vom Set davon­schlei­chen, also nahm ich mir die Spiele auf, um sie nach Fei­er­abend zu gucken. Leider gab es immer irgend­einen Deppen, der mir vorher die Ergeb­nisse ver­riet. Es gab ein­fach kein Ver­ständnis dafür, dass ich mir die Spiele ohne das Wissen über die Ergeb­nisse anschauen wollte!

Gab es Musiker oder Schau­spieler, die Ihre Lei­den­schaft teilten?
Ehr­lich gesagt fällt mir da keiner ein. Ich weiß um die Nähe von Peter Loh­meyer oder Joa­chim Król zu ihren Ver­einen (Loh­meyer ist Schalke‑, Król Dort­mund-Fan, d. Red.), aber als wir früher häu­figer mit­ein­ander zu tun hatten, inter­es­sierten die sich nicht wirk­lich für Fuß­ball. Selbst Her­bert Grö­ne­meyer habe ich noch nie auf einem Fuß­ball­platz getroffen.

Der hat ja immerhin mit Bochum“ die inof­fi­zi­elle VfL-Hymne geschrieben.
Und dafür werde ich ihm auch ewig dankbar sein, schließ­lich ist Bochum“ der ein­zige Fuß­ball-Song, den ich wirk­lich gut finde. Für die ganzen Schunkel-Lieder hatte ich noch nie viel übrig.

Wie schätzen Sie im Nach­hinein Ihre eigene Bochum-Hymne Ein ganzes Leben für Dich“ ein?
Das ist an sich ein richtig guter Song! Leider erwischte ich ein ganz schlechten Zeit­punkt: Ein ganzes Leben für Dich“ spielten wir erst­mals im Sta­dion 2011 vor dem Rele­ga­ti­ons­spiel gegen Borussia Mön­chen­glad­bach. Was wir dann ver­kackt haben. Und weil die darauf fol­gende Saison ziem­lich mies ver­lief, hatte ich den Ver­lierer-Song schlechthin geschrieben.

Gibt es gute Fuß­ball-Filme?
Ich kenne keinen. Obwohl, Nord­kurve“ mit Stefan Jür­gens und Piet Klocke fand ich ganz in Ord­nung. Aller­dings ist der Fuß­ball weder so prollig, noch so gewalt­tätig, wie er in dem Film dar­ge­stellt wird.

In Ihren viel­leicht popu­lärsten Rollen als Kom­missar Jupp Schatz in SK Kölsch“ und Dis­co­be­sitzer Helmut in Manta, Manta“ sind Sie kör­per­li­cher Gewalt nicht unbe­dingt abge­neigt. Haben Sie sich schon mal beim Fuß­ball prü­geln müssen?
Nein, aber ich wurde mal ziem­lich ver­mö­belt. Ich war 17 und auf dem Weg zu einem Spiel gegen den MSV Duis­burg. In der S‑Bahn unter­hielt ich mich mit ein paar Duis­bur­gern, alles war ganz ent­spannt, bis sie mich fragten, zu wel­chem Verein ich eigent­lich halten würde. Ich sagte natür­lich: Bochum.“ Die Typen drehten plötz­lich durch, als wir die Bahn ver­ließen, kas­sierte ich erstmal richtig. Das habe ich dem MSV bis heute nicht ver­ziehen.

Mussten Sie sich schon einmal für Ihre Liebe recht­fer­tigen?
Von 1999 bis 2006 spielte ich den Kom­missar Jupp Schatz in SK Kölsch“. Der war natür­lich glü­hender FC-Fan und stellte als Leiter des Mord­de­zer­nates schon mal eine SoKo zusammen, um den Mörder von FC-Mas­kott­chen Hennes“ zu fassen. Weil ich auch privat häufig im Sta­dion anzu­treffen war, hielten mich die Kölner bald für einen der ihren. Das ging so weit, dass mich irgend­wann mal FC-Prä­si­dent Wolf­gang Ove­rath zu einem Spiel einlud und dann völlig von den Socken war, als ich mit meiner Bochum-Mütze bei ihm auf­schlug. 

Gibt es eigent­lich einen Spieler vom VfL Bochum, die Sie auch als Schau­spieler vor­stellen können?
Lothar Woelk (1977 bis 1989 beim VfL, d. Red.) wäre ein ganz heißer Kan­didat. Der hat so eine rich­tige Schau­spieler-Fresse. Der würde als bru­taler Killer oder eisen­harter Cop sicher­lich eine gute Figur abgeben.

Hätte Peter Neururer bei Manta, Manta“ eine Chance gehabt?
Absolut! Der Pedda passt in jeden Manta.