Herr van Gool, erinnern Sie sich noch an das Länderspiel gegen die Niederlande 1976?
Ja, ich erinnere mich. Wir haben 0:5 verloren. In Rotterdam war das.
Es ging um die Qualifikation für die EM-Endrunde, die damals nur von vier Mannschaften gespielt wurde. Sie waren mit dem 0:5 praktisch ausgeschieden.
Stimmt. Das war sehr ärgerlich. Ich erinnere mich daran, dass ich in der ersten Halbzeit eine große Chance vergeben habe, der Ball ging nur an den Pfosten.
Wussten Sie, dass jemand aus Köln auf der Tribüne saß?
Nein. Die waren ja auch eigentlich gar nicht wegen mir da. Aber sie haben mehr von mir gehalten als von dem Holländer, den sie beobachten wollten.
Hat Rolf Herings, der für den 1.FC Köln auf Stürmersuche war, sie direkt nach Spiel kontaktiert?
Nein. Ungefähr eine Woche später habe ich erst erfahren, dass die Gefallen an mir gefunden hatten.
Wie kam der erste Kontakt mit dem 1.FC Köln zu Stande?
Ich glaube der Herr Herings hatte den Trainer informiert (Hennes Weisweiler, Anm. d. Redaktion) und den Manager Karl-Heinz Thiele, und die haben mich dann angerufen. Als ich mit Brügge in Anderlecht gespielt habe, sind sie dann noch einmal gekommen, um mich zu beobachten. Da haben wir wieder eins auf die Mütze bekommen und 1:4 verloren. Stellen Sie sich vor, in den beiden Spielen hätte meine Mannschaft jeweils hoch gewonnen. Was hätte ich dann wohl gekostet? (lacht)
Läuft man eigentlich mit einem anderen Gefühl auf, wenn man weiß, dass man beobachtet wird?
Nee. Das war ja nicht das erste Mal. Brügge war damals eine wirklich gute Mannschaft, mindestens so gut wie die Mannschaft aus Köln. Wir haben zwei Jahre hintereinander im UEFA-Cup-Finale gestanden. Es bestand ein reges Interesse an Spielern unserer Mannschaft. Das hat mich überhaupt nicht nervös gemacht, wenn jemand da war, um mich zu beobachten. Egal ob aus der Bundesliga oder aus Italien.
Mussten die Kölner sie überreden, zum FC zu kommen?
Nein, überhaupt nicht. Ich brauchte nicht lange zu überlegen. Köln war eine große Mannschaft, die Stadt liegt nah an der Grenze zu Belgien, so dass meine Eltern zu den Heimspielen kommen konnten. Die Sprache war auch kein Problem, und finanziell war der Wechsel auch lukrativ.
Sie haben über eine Millionen Mark gekostet, der erste Millionen-Transfer der Bundesliga. Wie sind Sie damit umgegangen?
Ach, das habe ich realistisch eingeschätzt. Es ist doch so: Ein Verein kann einen Spieler für hunderttausend holen, und im Endeffekt sind es hunderttausend zu viel, weil der Spieler es nicht wert ist. Oder ein Verein holt einen teuren Spieler für eine Million, der aber sein Geld wert ist. Das galt damals und ist heute immer noch so. Und es hat sich bei mir gezeigt, dass ich billig war, denn Köln hat mich für 1,2 Millionen wieder verkauft.
Gab es wegen der hohen Summe Probleme in der Mannschaft? Da gab es schließlich einen Toni Schumacher, einen Bernd Schuster…
… das waren noch junge Spieler damals. Auch Littbarski. Die sind erst später richtige Stars geworden. Die Stars waren Wolfgang Overath, Wolfgang Weber, die noch ein Jahr da blieben. Oder Hennes Löhr. Der war noch zwei Jahre da. Oder Bernd Cullmann. Probleme gab es überhaupt keine. Wenn man neu ist, ist man selbst dafür verantwortlich, dass man sich einlebt, sich anpasst. Egal ob man hunderttausend oder eine Million gekostet hat. Und wenn man das vernünftig macht und nebenbei noch gut Fußball spielt, dann gibt es keine Probleme. Ich fühlte mich schnell integriert und akzeptiert.
Erinnern Sie sich noch an ihr Probetraining in Köln?
Ja, sehr gut.
Rolf Herings hat erzählt, dass er danach Angst gehabt habe, Weisweiler wolle sie nicht haben.
(lacht) Wirklich? Das verstehe ich nicht. Ich war zwar krank an dem Tag, aber so schlecht war ich nicht. Ich erinnere mich noch, dass wir fünf gegen zwei gespielt haben und dass ich, wenn ich in der Mitte war, auch kaum noch raus gekommen bin. Aber das ist nicht so unnormal. Der Weisweiler hat schon gesehen, dass ich kaum atmen konnte. Und er hat auch gesehen, dass ich das Spiel beherrsche, wenn ich nicht in der Mitte war. Aber ich habe gleich gemerkt, dass der Weisweiler mich gut fand. Das hat er mir ohne Worte deutlich gemacht.
Wie war ihr Verhältnis zu Hennes Weisweiler?
Sehr gut. Ich hatte ziemlich schnell einen guten Draht zu Weisweiler. Ich spürte, dass er nichts von Typen hielt, die sich in die Ecke setzten und nichts sagten. Und so einer war ich auch nicht. Ich wollte später eigentlich mit ihm zu Cosmos New York gehen. Weisweiler hatte mich gefragt und ich hatte ihm schon mündlich zugesagt. Das wussten nur ganz wenige Leute. Kurz danach kam dann aber das Interesse von Coventry. Da hat Weisweiler mir geraten, nach England zu gehen. Ich habe ihm dann einen Ersatz für mich besorgt, den van der Elst (lacht). Das zeigt ja schon, dass wir ein ganz gutes Verhältnis hatten.
Sie waren auch sehr beliebt beim Kölner Publikum.
Ich weiß nicht, ob ich der Lieblingsspieler war, aber ich denke ich war recht beliebt, ja. Ich glaube, die Kölner mochten meine Spielweise. Es sah immer so aus, als wäre ich ein Kämpfer gewesen (lacht).
Welches war ihrer Meinung nach ihr bestes Spiel für den FC?
Ich glaube, dass war das Spiel in Nottingham (Halbfinalhinspiel im UEFA-Pokal der Landesmeister 1979, Anm. d. Red.). 3:3 ist das ausgegangen. Das war ein super Spiel. Ich habe ein Tor gemacht und die beiden anderen vorbereitet. Wir waren danach mit den Gedanken schon im Finale. Leider sind wir dann aber doch gescheitert. Den Landesmeister-Pokal zu gewinnen wäre das größte für mich gewesen. Aber wir waren ein bisschen zu überheblich damals, haben geglaubt, das läuft von alleine.
Beim Rückspiel waren sie gar nicht dabei.
Ja, da war ich krank. Das war ein harter Schlag. Danach bin ich nicht mehr so richtig auf die Beine gekommen in Köln. Ich hatte Ischias-Probleme und musste vier, fünf Monate jeden Tag im Krankenhaus behandelt werden. Ich wollte mich nicht operieren lassen, weil die Gefahr einer Querschnittslähmung bestand.
Alle, mit denen wir gesprochen haben, sagten, Sie seien ein lustiger Typ. Können Sie sich an eine lustige Anekdote aus ihrer Zeit in Köln erinnern?
Da gab es schon ein paar. Außerhalb des Platzes habe ich mich mit vielen Spielern gut verstanden. Am besten mit denen, die auch gerne mal ein Bier getrunken haben. (lacht) Im ersten Jahr haben wir die ersten Spiele alle gewonnen. Dann hatten wir ein Auswärtsspiel und bezogen eine deftige Klatsche. Auf der langen Heimfahrt durften wir nichts sagen, weil der Weisweiler uns zum schweigen verdammt hatte. Keiner traute sich zu lachen oder einen Spaß zu machen. Als wir am Geißbockheim ankamen, bin ich direkt mit dem Herbert Neumann in die Stadt gefahren und in die erstbeste Kneipe. Wir mussten den Stress von der Fahrt abbauen. (lacht) Als wir wieder raus gekommen sind, Stunden später, lag zehn Zentimeter Schnee. Das kam uns gelegen, denn so konnten wir sagen, dass es am Schnee lag, dass wir nach Hause rutschen mussten. (lacht)
Herr Thielen berichtete, dass sie auch ein sehr guter Geschäftsmann waren und dass sie irgendwann angefangen haben, Autos nach Belgien zu verkaufen. Stimmt das?
Ja, das stimmt. Da war ein belgischer Fan, den ich irgendwann kennen gelernt habe. Mit dem habe ich das zusammen gemacht. Das waren hauptsächlich Diesel-Autos, weil die damals in Deutschland viel billiger waren. Wir hatten eigentlich das Geschäft zusammen, aber die ganze Arbeit hat er gemacht. Ich weiß noch, dass der Weisweiler, als wir mal eine schlechte Phase hatten, zu mir sagte: „Du solltest dich mehr um den Fußball kümmern, anstatt um deine anderen Geschäfte.“ Ich hab ihm dann geantwortet: „Entschuldigung Trainer, daran liegt es überhaupt nicht. Ich habe da meinen Sozius, der macht die ganze Arbeit.“ (lacht) Mit dem Weisweiler konnte man auch seinen Spaß haben. Nur wenn wir verloren haben, war es manchmal schwierig.
Wie ist es Ihnen nach ihrem Wechsel nach England ergangen?
Ich hab 15 Monate bei Coventry gespielt. Das war aber nicht so gut da. Ich hab gegen englische Mannschaften immer gut gespielt. Und ich dachte, das liegt mir. Aber das war ein Denkfehler. Es ist was anderes, mit Kontinentalmannschaften gegen Engländer zu spielen, als wenn man selber in einer englischen Mannschaft spielt. Die haben damals nur hohe, lange Bälle gespielt. Das war eine Katastrophe für mich. Mit dem Trainer, Gordon Mill, habe ich mich aber gut verstanden, ich habe heute noch Kontakt zu ihm. Aber sportlich habe ich das bereut. Danach war ich ein Jahr in Antwerpen und später war ich noch in Frankreich, wo ich mit Olympique Nimes in die erste Liga aufgestiegen bin.
War denn der Abschied aus Köln in ihrem Sinne?
Ja, das war eine normale Geschichte. Als ich so lange im Krankenhaus war, haben die Tony Woodcock geholt, und meine Verletzung war lange Zeit nicht richtig auskuriert. Sogar in Antwerpen hatte ich noch Probleme. Erst in Frankreich war ich wieder voll der Alte. Da hab ich dann noch mal 17 oder 18 Tore gemacht.
Glauben Sie, dass Sie ohne die Verletzung noch mehr hätten erreichen können?
Viel mehr glaube ich nicht. Aber ich nehme an, dass es in England dann besser gelaufen wäre.
Was machen Sie heute?
Ich bin immer noch mit Fußball beschäftigt. Wenn die in Köln zum Beispiel mal einen guten Spieler brauchen, dann könne die mich anrufen (lacht). Und das gilt für andere Vereine auch. Ich habe da noch einige Kontakte.
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Roger van Gools Jahre in der Bundesliga schildern wir im neuen 11FREUNDE-Heft (ab dem heute im Handel!)
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