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Rein­hold Beck­mann, Sie hatten als ran“ vor 20 Jahren an den Start ging eine Kul­tur­re­vo­lu­tion“ ange­kün­digt, worin sollte die bestehen?
Habe ich das wirk­lich so gesagt? Wenn ich mich recht erin­nere war das damals eine Idee der Sat.1‑Marketingabteilung, um den Start von ran“ ein biss­chen zu befeuern. Aber zuge­geben: Wir waren völlig unbe­küm­mert und der Mei­nung, dass es an der Zeit war, die Fuß­ball­be­richt­erstat­tung im Fern­sehen kom­plett zu ver­än­dern. Die Sport­schau“ wirkte auf uns starr und tra­di­tio­nell, in anderen euro­päi­schen Län­dern war man zu dem Zeit­punkt schon viel weiter. Außerdem fand ich die ganze Prä­sen­ta­tion zu sehr auf ein männ­li­ches Rol­len­bild fixiert. Es waren ja auch fast nur Männer im Sta­dion, nur wenige junge Leute guckten Fuß­ball in der Sport­schau“. Dass Frauen sich für Fuß­ball inter­es­sieren könnten, davon wurde damals gar nicht gespro­chen. Also haben wir gedacht, da sollten wir mal ein biss­chen pro­vo­kant rein gehen.

Und dann haben Sie sich bei Ihrer ersten Sen­dung die berühmte rote Jeans­jacke ange­zogen.
Das war reiner Zufall. Ich kam zur Probe und hatte wie immer meine rote Jeans­jacke an. Als ich fragte, was ich abends anziehen soll, meinte die Art­di­rek­torin, ein Sakko sei doch doof und ich solle so bleiben. Das hat mir gefallen.

Das große Kon­zept und den Bruch mit den Tra­di­tionen rein­in­ter­pre­tieren zu wollen, ist also falsch?
Die Kla­motten waren jeden­falls nicht der große Bruch mit der Tra­di­tion!

Aber hätte damals ein anderer Sport­mo­de­rator so eine Jacke ange­zogen?
Nein, das ent­sprach ein­fach der Frei­heit, die wir uns damals erlaubt haben. Die ran“-Redaktion war, was Inhalt und Ästhetik betrifft, eine auto­nome Zelle inner­halb des Sen­ders, der selbst in Berlin saß, wäh­rend wir in Ham­burg waren. Wichtig bei der ersten Sen­dung war übri­gens auch der Gene­ra­tio­nen­kon­flikt mit Udo Lattek. Ich bin ihm bis heute dankbar, dass er in diesem schlimmen Trai­nings­anzug auf­trat, von oben bis unten voll mit Spon­so­ren­auf­nä­hern. Dazu die blaue Mütze von Mül­ler­milch“, er sah aus wie eine lau­fende Lit­faß­säule.

Sie haben den damals erfolg­reichsten deut­sche Trainer darauf ange­spro­chen, und er war ziem­lich empört.
Das stimmt, aber wir haben uns Jahre später wieder getroffen und dann meinte er, eigent­lich sei er far­ben­blind und habe gar nicht gewusst, was er da für einen schlimmen Trai­nings­anzug getragen hatte.

War das pro­vo­kante Inter­view mit Lattek Teil eines Plans, um ein anderes Publikum anzu­spre­chen?
Nein, das ergab sich ein­fach aus dem Moment. Aber wir wollten schon gezielt junge Leute anlo­cken. Die Redak­tion war im Schnitt Mitte 30, und wir wollten was Neues wagen.

Thomas Kistner schrieb über die erste Sen­dung in der Süd­deut­schen Zei­tung“, das seien in Rekla­me­pro­gramme ein­ge­schnürte Bun­des­li­ga­fuß­ball­strips“. Und meinte, das kon­zen­trierte deut­sche Zuschau­er­ver­halten würde nicht zu dem passen, wie sie Fuß­ball auf­be­reitet haben.
Ist es nicht gött­lich, dass daraus damals eine rich­tige Kul­tur­de­batte ent­stand? Es gab zunächst viel Kritik. Vor allem von der anderen Seite, die bis dahin alles beherrscht hatte und an dem gewohnten Bild von Fuß­ball fest­halten wollte. Hier spürten wir eine Menge Gegen­wind. Den aus­zu­halten und trotzdem diese spie­le­ri­sche Lust nicht zu ver­lieren, war schon eine Her­aus­for­de­rung.

Wo drückte sich die spie­le­ri­sche Lust aus?
Ich kam aus einer anderen Ecke und war eher Fil­me­ma­cher als Mode­rator. Für mich konnten die drei oder vier Kameras, die immer an der glei­chen Stelle im Sta­dion standen, nicht die letzte Form der Prä­sen­ta­tion von Fuß­ball sein. Ich hatte etwa bei der Leicht­ath­letik fas­zi­nie­rende Bilder durch einen neuen Kamera-Typ gesehen. Die haben den Begriff Super­zeit­lupe dafür selber gar nicht ver­wendet, den haben wir später erfunden. Ich fand dann die Firma in Berlin, die diese eine Super­zeit­lu­pen­ka­mera in Deutsch­land besaß und eigent­lich schon ein­stampfen wollte, weil sie nie­mand benutzte. Wir waren in die ersten Bilder so ver­liebt, dass wir daraus gleich eine Mon­tage mit Musik gemacht haben. Das war ein erster Schritt bei Pre­miere“, wo ich vor ran“ gear­beitet habe, Fuß­ball neu zu prä­sen­tieren.

Haben Sie sich auch durch die Auf­be­rei­tung von Fuß­ball in anderen Län­dern beein­flussen lassen?
Viel kam durch den eng­li­schen Fuß­ball, den ich lange in der Sport­schau“ kom­men­tiert habe. Da holten wir uns das Signal von ITV und ich sah eine völlig neue Art der Fuß­ball­regie. Unge­wöhn­liche Kame­ra­po­si­tionen und end­lich mal mutige Groß­auf­nahmen der Zwei­kämpfe. Pre­miere“ war wie­derum mit Canal plus“ in Frank­reich ver­bunden, wo ich ein paar Mal hin­ge­fahren bin, um zu lernen. Wir saßen dort mit den Regis­seuren zusammen und haben uns im Detail erklären lassen, wie man was macht. So haben wir in den ein­ein­halb Jahren bei Pre­miere“ viel expe­ri­men­tiert und immer wieder über­legt, wie wir die Per­spek­tive ver­än­dern wollen. Und wir waren die ersten, die gezielt Sta­tis­tiken ein­ge­setzt haben. Ein Öster­rei­cher namens Robert Hehen­warther hat mich dafür begeis­tert, ein Fuß­ball­spiel sta­tis­tisch aus­zu­werten.

War er Trainer oder Sport­wis­sen­schaftler?
Ein Sta­tis­tiker, der Infor­matik und Zoo­logie stu­diert hatte und mich wirk­lich über­zeugte. Wir haben ange­fangen mit einem Begriff wie Net­to­spiel­zeit“. Also wie lange läuft der Ball wirk­lich? Das war einer der ersten Aspekte, die wir aus­wer­teten.

Das hat sich irgend­wann gegen ran“ gewendet: dass man mit nutz­losen Sta­tis­tiken beläs­tigt wird.
Komisch, das würde heute keiner mehr kri­ti­sieren. Wir waren halt fas­zi­niert von unserem neuen Blick­winkel und spielten natür­lich mit dem sta­tis­ti­schen Mate­rial. Und dabei schossen wir mit unseren Ideen auch schon mal ein wenig übers Ziel hinaus. 1996 durften wir das UEFA-Cup-Finale zwi­schen Bor­deaux und Bayern Mün­chen über­tragen. Damals kam Franz Becken­bauer, der die Bayern trai­nierte, und fragte, ob er mal unsere Zahlen kriegen könnte. Wir sagten ihm: Franz, da spielt hinten links einer, der ist ziem­lich gut.“ Das war Bixente Liza­razu. Wir gaben ihm dann die Zahlen, er fand unser sta­tis­ti­sches Mate­rial sehr inter­es­sant und stellte Scholl statt auf die rechte auf die linke Seite. Der spielte dort sen­sa­tio­nell, und Bayern gewann den UEFA- Pokal. Das war unser der Rit­ter­schlag. Der Kaiser bediente sich unserer Sta­tis­tik­zahlen! Von da an kamen immer häu­figer die Trainer auf uns zu und wollten einen Blick auf die Aus­wer­tungen werfen.

Hatte es die Field­in­ter­views direkt nach Spiel­schluss vor ran“ auch schon gegeben?
Ich glaube nicht. Auf alle Fälle gab es nicht diese Spon­so­ren­reiter, die heute in diesen Ali­bi­in­ter­views von 30 oder 40 Sekunden auf­ge­stellt werden – furchtbar! Und inzwi­schen sind die Spieler so geschult, in diesen paar Sekunden kaum unter­scheid­bare Belang­lo­sig­keiten von sich zu geben. Wir trafen damals in den Kabi­nen­gängen auf die Spieler, das hatte noch eine andere Offen­heit. Man konnte die Fuß­baller, über­trieben gesagt, vor der Dusche inter­viewen. Diese unmit­tel­baren, starken Emo­tionen, wie sie bei­spiel­weise Lothar Mat­thäus in seinem legen­dären Auf­reger zeigte, werden ja heute in zwei Stan­dard­sätzen weg­ge­wischt!

Aber ist das nicht eine Folge Ihrer dama­ligen Arbeit?
Keine fal­schen Legen­den­bil­dung! Das hat eher mit der Pro­fes­sio­na­li­sie­rung auf Ver­bands­seite etwas zu tun. Von hier wurde die Frei­heit ein­ge­schränkt, die deut­sche TV- und Print-Jour­na­listen ein paar Jahre für sich nutzen konnten. Im eng­li­schen Fuß­ball gab es das ohnehin nicht, im fran­zö­si­schen erst recht nicht. Wir waren neu am Start, da hat zunächst keiner so genau hin­ge­schaut. Also haben wir es ein­fach gewagt. Außerdem waren wir jung, damit irgendwie anders und den Spie­lern hat es auch gefallen.

Welche Rolle spielte als Vor­bild Anpfiff“, die Bun­des­li­ga­sen­dung von RTL zwi­schen 1988 und 1992?
Ich glaube, dass Anpfiff“ in der Fuß­ball­ent­wick­lung nichts bewirkt hat. Eine Sen­dung, die eher auf lustig gemacht daher kam, aber in inhalt­li­cher und jour­na­lis­ti­scher, wie auch fern­seh­tech­ni­scher Hin­sicht keinen erkenn­baren Fort­schritt bedeu­tete.

Es war vor allem sehr lang.
Die haben unglaub­lich viel Kau­gummi pro­du­ziert. In Erin­ne­rung bleibt die gute Frisur von Ulli Potofski und seine lus­tige, bei­nahe gemüt­liche Art zu mode­rieren. Das waren immerhin Ver­än­de­rungen gegen­über der sta­ti­schen Hal­tung, die ein Heri­bert Faß­bender immer ver­kör­pert. Faß­bender hatte ein­fach kein son­der­lich aus­ge­prägtes Inter­esse für das Hand­werk Fern­sehen.