Michael Krätzer, 148 Spiele mit dem 1. FC Saar­brü­cken, in der Saison 1992/93 sogar 27 Spiele und 3 Tore in der Bun­des­liga. Heute sind Sie Stahl­bauer. Ein Abstieg?
Absolut nicht! Man darf nie zurück­schauen. Die Zeit ist eine schöne Erin­ne­rung, mehr nicht. Gene­rell war es mir immer schon egal, womit ich mein Geld ver­diene. Fuß­ball war eben eine gute Sache bis zum Kar­rie­re­ende. Aber eben auch nur ein Job. Danach war ich Fili­al­leiter, Hei­zungs­bauer, Brief­träger, kurze Zeit arbeitslos und über Umwege kam ich zum Stahlbau.

Fuß­ball­profi – ein ganz nor­maler Job?
Man kann das nicht mit heu­tigen Maß­stäben ver­glei­chen. Ich habe damals zu Höchst­zeiten 20.000 Mark im Monat ver­dient. Für fast jeden war damals klar, dass man nach der Kar­riere wieder einem nor­malen Job nach­gehen muss, um sich zu finan­zieren. Die Rech­nung war ganz ein­fach: Zehn Jahre in der 2. Bun­des­liga reichten für ein eigenes Haus, und ein kleines Geld­polster für einen sanften Ein­stieg in die Kar­riere danach.
 
Trotzdem gibt es bestimmt nicht viele Stahl­bauer, die von sich behaupten können, mal mit Anthony Yeboah und Eric Wynalda in einer Mann­schaft gespielt zu haben.
Das stimmt aller­dings. Viele der Jungs, mit denen ich einst zusam­men­spielte, sind auch über die Jahre gute Freunde von mir geworden. Mit Anthony Yeboah treffe ich mich heute auch noch oft. Eric Wynalda hin­gegen war zwar ein begna­deter Fuß­baller, aber ein typi­scher Flo­rida-Boy. Wenn man dem erzählt hat, dass er einen Pickel auf der Nase hat, wollte der gar nicht mehr auf­laufen. Das war ja über­haupt nicht meins.

Wer war denn der beste Bun­des­liga-Spieler, gegen den Sie antreten durften?
Ganz klar Lothar Mat­thäus. Unter­halten konnte man sich mit dem nicht, aber der ist gerannt wie ein Ochse. In der Halb­zeit brauchte ich einen Herz­schritt­ma­cher. Auch tech­nisch war der ganz weit vorne.

Sie hin­gegen galten nicht gerade als Fili­gran­tech­niker. Weil Sie in einem Spiel gegen Waldhof Mann­heim Ihren Gegen­spieler nach dem Schieds­rich­ter­pfiff über die Sei­ten­linie traten, ver­passte man Ihnen gar den Bei­namen Kami­kaze-Krätzer“. Zu Recht?
Ja, den hab ich richtig abra­siert. Dafür sah ich auch noch Gelb-Rot. Und es ging ja noch weiter: Nach der Szene spuckte mir ein Waldhof-Fan ins Gesicht. Ich war sofort auf 180. Der Trainer musste mich in der Kabine ein­sperren, weil ich mich nicht mehr beru­higen wollte. Spiele gegen Waldhof waren immer schon meine liebsten (lacht).

Waren Sie so hart, wie Ihr Ruf das befürchten ließ?
Nun, meine Spiel­weise war schon sehr kör­per­be­tont. Ich habe nie zurück­ge­steckt. Aber man hat sich damals eh nichts geschenkt. Ich kann mich noch an ein Spiel gegen den FC Hom­burg erin­nern. Auf­stiegs­runde. Derby. Da war richtig Feuer drin! Mein Gegen­spieler war Rodolfo Esteban Car­doso. Mitten im Spiel spuckt er mir ins Gesicht. So etwas lasse ich natür­lich nicht auf mir sitzen. Zehn Minuten später treffe ich ihn im Zwei­kampf so hart, dass ihm dabei die Bänder abrissen. Noch am selben Abend rief ich ihn an und ent­schul­digte mich, da war ich zu weit gegangen. Trotzdem erhielt ich anschlie­ßend einen Haufen Mord­dro­hungen aus Hom­burg.
 
Hat Sie solch ein Psy­cho­terror nicht ein­ge­schüch­tert?
Diese Dro­hungen haben mich nicht belastet. Und sie haben mich auch nicht davon abge­halten, das zu sagen, was ich sagen wollte. Nach den Spielen wollten die Sport­re­porter vorher Fragen mit mir durch­gehen, aber ich sagte denen jedesmal: Wer mich nach meiner Mei­nung fragt, der kriegt die auch.“ In meiner letzten Zweit­liga-Saison 1993/94 ver­stieg sich unser Trainer Fritz Fuchs nach einer Nie­der­la­gen­serie zu der Aus­sage, dass es die Alten nicht mehr bringen würden. Darauf hat mich ein Reporter ange­spro­chen. Und ich ant­wor­tete, dass der Typ eh keine Ahnung hätte. Kurz danach wurde Fuchs ent­lassen. Wie es der Zufall so wollte, war unser nächstes Spiel gegen Waldhof. Da sind die Gemüter ja immer etwas hoch­ge­kocht. Vor dem Spiel kam einer unserer Fans auf mich zu und schrie: Du Arsch­loch bist der Grund, warum die unseren Trainer ent­lassen haben!“ Ich ant­wor­tete ihm: Pass auf, wenn du nur ein wenig Cha­rakter hast, war­test du, bis das Spiel aus ist. Dann dis­ku­tieren wir das danach!“ Im Spiel schoss ich noch das 1:1, und wurde aus­ge­wech­selt. Anschlie­ßend ging ich schnur­stracks zur Tri­büne, wo der Vogel saß. Aber der machte sich sofort vom Acker, als er mich kommen sah.