Heute 1992 wäre er mit Frankfurt fast Meister geworden, heute wird er 55 Jahre alt: Manfred „Manni“ Binz über Futterneid, Partys mit Uli Stein und romantische Gefüle.
Manfred Binz, Sie waren Teil der besten Eintracht-Mannschaft aller Zeiten, die erst am letzten Spieltag der Saison 1991/92 die Meisterschaft verspielte. Was war das für ein Team?
In dieser Saison funktionierten wir wie ein ICE. Intern brodelte es ständig, aber wenn wir auf dem Platz standen, ging die Post ab.
Sie spielen darauf an, dass zwischen den einzelnen Spielern reichlich Konflikte gab.
Heute kann man sich das kaum noch vorstellen, aber es gab ständig Streit. Besonders die Differenzen zwischen Uli Stein und Andi Möller brachten Unruhe in die Mannschaft, weil diese sogar öffentlich wurden. Aber das Faszinierende war: Wir haben trotzdem fast immer Topleistungen gebracht.
Was war das Problem zwischen den beiden?
Sie verband eine Art Hassliebe. Natürlich gab es Futterneid, weil Andi über zwei Millionen Mark verdiente, während Uli nur 800.000 Mark kassierte. Andererseits war Uli die Respektsperson im Team, der jedem, der sich nur kurz mal hängen ließ, sofort einen Tritt in den Hintern verpasste.
Möller stand unter Beschuss, weil er immer wieder mit einem Wechsel nach Italien kokketierte. Er hatte eine Option bei Juventus Turin unterschrieben.
Natürlich haben die Gerüchte Wirkung bei der Mannschaft hinterlassen, weil wir uns darüber ärgerten. Aber es gab auch Situationen, die hart an der Grenze waren. Andi und ich hatten denselben Berater. Wenn es mal wieder kollektiv gegen ihn ging, bin ich und ein paar andere dazwischengegangen und haben deutlich gemacht, dass es eine zurück gibt, wenn das nicht aufhört. Ich weiß, das hört sich hart an, aber so ist es manchmal in einer Fußballmannschaft.
Ein anderer wichtiger Spieler war Uwe Bein. Wie verstand er sich mit Andi Möller?
Ganz gut. Der Uwe war ein neutraler Spieler, der sich stets rausgehalten hat, selbst wenn er den Andi mochte. Er war einer, der alles beruhigte. Als ich einmal eine Auseinandersetzung mit ihm hatte, sagte er nur: „Komm, Manni, bleib ruhig“ Ich kochte vor Wut, aber im Nachhinein wurde mir bewusst, dass er Recht hatte.
Wie war Ihr Verhältnis zu Uli Stein?
Uli hatte zwei Gesichter, wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Abseits des Platzes ein super Typ, aber auf dem Feld ständig auf Konfrontation aus. Ich erinnere mich, dass er mir abends mal im Vertrauen sagte: „Manni, Du bist unser Juwel, spielst immer, bist topfit. Wenn Du so weiter machst, wirst Du eine große Karriere in der Nationalmannschaft machen.“ Als wir am nächsten Tag im Trainingsspiel hinten lagen, brüllte er: „Du Vollblinder! Du Arschloch!“ Ein Weltklassekeeper, aber brutal ehrgeizig. Wahrscheinlich war Oliver Kahn der letzte Torhüter, der noch etwas von seiner Art hatte. Typen, die auch intern richtig auf die Nuss gaben. Beim heutigen Verständnis von Teamplay hätten sie es meines Erachtens schwer.
Es gibt die Episode, dass Stein in einem Trainingsspiel Uwe Bein mit übergroßer Härte von den Beinen holte. Büst ein Spieler, der so etwas macht, nicht Respekt bei den Kollegen ein?
Heute wäre das vielleicht so, aber wir sind anders groß geworden. Bei uns gab es auf die Ohren und dann war‘s gut. Wenn ich heute als Co-Trainer in Offenbach die jungen Leute sehe, merke ich, dass sie viel später zu Profis erzogen werden. Typen wie den Uli gibt es kaum noch, ältere Spieler die eine klare Richtung vorgeben. Daraus ergibt sich, dass auch Mitspieler im Training nicht mehr so hart attackiert werden.
Uwe Bein sprach nach Steins Angriff zwei Wochen nicht mit ihm, dann haben sie sich versöhnt.
Das war zu unserer Zeit üblich. Wenn sowas passiert, drehte man sich weg und spielte weiter. Allerdings war Ulis Attacke insofern extrem, weil Uwe ein genialer Techniker war und so gut wie nie aggressiv spielte.
Auch während der Punktspiele sollen bei Ihnen desöfteren die Fetzen geflogen sein.
Einmal lagen wir zur Halbzeit in Nürnberg mit 0:1 hinten. Uli kam in die Kabine, schmiss Schuhe und Wasserflaschen durch die Gegend und brüllte rum. Am Ende gewannen wir 3:1. In der Halbzeit dachte ich noch: „Hat der sie noch alle!?“, aber hinterher wurde mir klar, dass uns seine Ansage aufgeweckt hatte.
In solchen Momenten hielten alle anderen den Mund und Coach Stepanovic stand daneben und rauchte Zigarillo?
So ungefähr muss man sich das vorstellen. Für einen Trainer ist es auch schwer, wenn er so einen extremen Spieler hat: Nationalspieler, Respektperson, Weltklassetorwart. Da war auch Jörg Berger machtlos.
Für den sportlichen Leiter, Vizepräsident Bernd Hölzenbein, war die damalige Saison ein Wechselbad der Gefühle. Wenn Ihr Team spielte, ging ihm das Herz auf, aber wenn mittwochs die „Sportbild“ erschien, bekam er Magenschmerzen, weil ständig interne Dinge über die Eintracht dort verhandelt wurden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es am Saisonende besser hinbekommen hätten, wenn nicht jeder Konflikt nach außen gesickert wäre.
Dem Vernehmen nach soll es aber auch eine Mannschaft gewesen sein, die sehr gut feiern konnte.
Bei Partys waren die Gruppierungen schnell vergessen. Wir waren viel unterwegs – und da wurde zwangsläufig viel gefeiert. Ich bin sicher, dass es mehr Tage gab, an denen sich Andi und Uli außerhalb des Feldes sehr gut verstanden, als Tage, an denen sie sich zofften.