In unserer Heftrubrik „Hans Meyers Wahrheiten“ sprach der Althauer für 11FREUNDE #142 über seinen Traumberuf als kleiner Junge und den Nutzen von Niederlagen.
Hans Meyer, was war Ihr Traumberuf, als Sie ein kleiner Junge waren?
Gehen Sie davon aus, dass ich gern Architekt geworden wäre. Meine Mutter ist 1945 mit vier kleinen Kindern und einem Handwagen voller Hausrat aus der böhmischen Heimat in eine ungewisse Fremde gezogen. Die zwölf Jahre, die wir in Notunterkünften verbrachten, haben in mir das Gefühl geweckt, ich müsste später mithelfen, meiner Mutter eine menschenwürdige Bleibe zu bauen. Kinderträume eben, gespeist aus Emotionen. Wahrscheinlich war es aber für alle Beteiligten gut, dass dieses Zuhause dann andere gebaut haben.
Sie sind bekanntlich Fußballlehrer geworden. Wer hat Sie geprägt?
Einer meiner Dozenten an der Friedrich-Schiller-Universität war Georg Buschner, der zugleich Trainer bei Carl Zeiss Jena war, wo auch ich im Kader stand. Er war ein toller Pädagoge und ein zukunftsweisender Organisator – so hatte er bereits 1965 einen Lauftrainer, einen Gymnastiklehrer und einen Psychologen im Team, zwei Physiotherapeuten, zwei Ärzte und eine Köchin. Zudem hat er mir beigebracht, wie man mit Fans, Funktionären und Sponsoren umgeht. Und nicht zuletzt: Wie man falsche Freunde erkennt, die ja gern im Siegestaumel auftauchen.
Pep Guardiola sagt, aus Niederlagen lerne man zehn Mal so viel wie aus Siegen.
Eine solche mathematische Formel können Sie getrost vergessen. Das Leben lässt sich leider nicht ausrechnen. Im Kern hat Guardiola aber recht. Und wenn es bei einem ehrgeizigen Trainer wie ihm nur daran liegt, dass er den verlorenen Wettstreit intensiver und genauer auswertet als den gewonnenen.
Machen Siege einen Trainer also dumm?
Schon wieder eine Ihrer notorischen Provokationen. Natürlich wird man von Siegen allein nicht dümmer! Es sei denn, man bewertet sie falsch – das kann eine Mannschaft durchaus schwächen. Die meisten Trainer sind aber lange genug dabei, also fallen ihre Beurteilungen in der Regel korrekt aus.
Trotzdem: Sollte der FC Bayern am Ende wieder das Triple holen, wäre das laut Guardiolas Arithmetik für seine eigene intellektuelle Entwicklung ein Desaster.
Ja, Herrschaftszeiten – dann mache ich Ihren Schwachsinn halt mit! Guardiola hat trotz seiner vielen Siege die schwere deutsche Sprache im Schnelltempo erlernt. Schon daran sehen Sie doch, dass irgendetwas an Ihrem Gedankengang nicht stimmen kann.
Wird Guardiola überhaupt die Gelegenheit haben, aus Niederlagen zu lernen? Wie viel Geduld wird der FC Bayern ihm entgegenbringen?
Er wird gar keine Geduld aufbringen müssen. Ich bin mir ganz sicher, dass Guardiolas Können, seine Auffassung vom Fußball und die Qualität des Kaders, den er von Jupp Heynckes übernommen hat, allen Verantwortlichen und Fans auf Jahre hinaus viel Freude bereiten werden.
Haben Sie in Ihrer Karriere eigentlich mehr Spiele gewonnen oder verloren?
Ich glaube, mehr gewonnen. Aber vielleicht habe ich aufgrund meiner überaus positiven Einstellung zum Fußballlehrerberuf die schlechten Momente einfach verdrängt.
Und? Sind Sie nun schlauer als am Anfang Ihrer Karriere?
Wenn man 70 Jahre alt ist und ist nicht schlauer und wissender als mit 30, hat man etwas falsch gemacht. Aber das können Sie ja noch nicht wissen, junger Mann.