Dirk Weeten­dorf, wann retten Sie den HSV?
Es tut mir sehr leid, aber ich bin mitt­ler­weile zu alt für den aktiven Fuß­ball.
 
Die HSV-Fans sehnen sich aber nach einem Stürmer, der sie von ihren Sorgen befreit.
Ich kann sie natür­lich ver­stehen, zumal der Verein momentan arge Ver­let­zungs­pro­bleme hat. Viel­leicht hätte man Art­joms Rud­nevs nicht abgeben sollen. Doch so ist das im Fuß­ball: Erst hat man kein Glück, und dann kommt auch noch Pech dazu.
 
Sie befürchten einen Abstieg des HSV?
Nein. Ich denke, die werden das schon wuppen. Und viel­leicht wird ja Pierre-Michel Lasogga den Klub retten.
 
Sie haben den Klub am 33. Spieltag der Saison 1996/97 mit zwei Kopf­ball­toren gerettet. Träumen Sie heute noch davon?
Es war sicher­lich eines meiner besten Pro­fi­spiele. Wir standen auf Platz 15 und mussten gewinnen, um den Klas­sen­er­halt zu schaffen…
 
…aller­dings kam mit Borussia Dort­mund die damals beste Mann­schaft der Welt ins Volks­park­sta­dion.
Richtig. Die Dort­munder waren amtie­render Meister und standen im Cham­pions-League-End­spiel gegen Juventus Turin.
 
Waren die Dort­munder mit ihren Gedanken schon im Finale?
Das End­spiel fand zwar vier Tage später statt, doch ich kann mir nicht vor­stellen, dass die unkon­zen­triert waren. In der Startelf standen damals alle Top­stars: Cha­puisat, Ricken, Sammer, Reuter, Zorc…
 
…und Ihr Gegen­spieler Jürgen Kohler. Kannte der Sie über­haupt?
Ver­mut­lich nicht. Aber das war dem sicher­lich herz­lich egal. Kohler war einer der besten Ver­tei­diger der Welt, den konnte nichts aus der Fas­sung bringen – schon gar nicht ein ehe­ma­liger Ama­teur­ki­cker.

Sie waren damals 24 Jahre alt, hatten für den TSV Pans­dorf und die zweite Mann­schaft des HSV gespielt. Wieso sind Sie am Ende jener Saison in den Profi-Kader gerutscht?
Nach der Ent­las­sung von Felix Magath wollte der Inte­rims­trainer Ralf Schehr was ver­än­dern, außerdem war Karsten Bäron ver­letzt. Schon eine Woche zuvor hatte ich daher meinen ersten Ein­satz. Wir ver­loren zwar 0:4 gegen den 1. FC Köln, doch ich machte ein gutes Spiel. Gegen Dort­mund durfte ich also wieder ran. Rodolfo Car­doso zuckerte zwei Flanken auf meinen Schädel und ich nickte ein. So ein­fach war das.
 
Nach dem Spiel orderte Ralf Schehr beim Bus­fahrer einen Kasten Bier. Wie war die Party nach dem Spiel?
Wir haben ein biss­chen gefeiert, aber auch nicht aus­ufernd, denn absur­der­weise hätten wir durch den Sieg am 34. Spieltag wieder die Chance gehabt, einen UI-Cup-Platz zu errei­chen. Dafür mussten wir aller­dings in Düs­sel­dorf gewinnen müssen, doch wir spielten nur 1:1.
 
Sie bekamen in jenen Tagen von der Presse den Spitz­namen Horst-Uwe“ ver­passt. Wie breit war Ihre Brust?
Ach, ich fand das total über­trieben, und es war mir auch ein biss­chen unan­ge­nehm. Ich hatte zu dem Zeit­punkt gerade mal zwei Bun­des­li­ga­spiele gemacht und wusste auch, dass ich nie­mals so gut sein würde wie die HSV-Legenden Horst Hru­besch oder Uwe Seeler.
Ein anderer Spitz­name kam später: One Hit Wonder“. Fanden Sie den besser?
Das ist Fuß­ball. Es wird nur in Extremen gedacht. Ich konnte mein Können immer ganz gut ein­schätzen. Mal lief es gut, mal weniger gut. Mit 25 Jahren einen Pro­fi­ver­trag zu bekommen, war natür­lich groß­artig. Doch der neue Trainer Frank Pagels­dorf ver­pflich­tete im Sommer 1997 Tony Yeboah, später kamen noch Jacek Dem­binski, Sergej Kir­jakow und Martin Dahlin hinzu. Ich war auf einmal Stürmer vier oder fünf. Ich hatte keinen Groll gegen den Klub, doch ich wusste: Es ist Zeit zu gehen.
 
Bei Werder Bremen lief es aller­dings auch nicht wie erhofft.
Meine Kon­kur­renz war enorm. Im Kader standen Claudio Pizarro, Marco Bode und Ailton. Im Nach­hinein kann ich mir aber nichts vor­werfen, ich hängte mich immer voll rein. Und mit Thomas Schaaf habe ich mich auch immer super ver­standen.
 
Erst bei Ein­tracht Braun­schweig haben Sie zu alter Stärke zurück­ge­funden. In der ersten Regio­nal­liga-Saison schossen Sie 16 Tore in 26 Spielen.
Da habe ich mein spätes Glück gefunden, das stimmt. Aller­dings war die Zeit dort auch sehr kurz, denn ich hatte anhal­tende Knie­pro­bleme. Es ging soweit, dass ich ein neues Gelenk bekam. 
 
Herr Weeten­dorf, wären Sie nicht gewesen, würde der HSV ver­mut­lich heute nicht der Dino“ genannt werden und es hinge auch keine Uhr im Volks­park­sta­dion, die die Erst­li­ga­zu­ge­hö­rig­keit des HSV anzeigt. Werden Sie heute noch auf Ihre Ret­tung ange­spro­chen?
Manchmal. Ich habe mich vor einem Jahr aus dem Fuß­ball zurück­ge­zogen und mir was Boden­stän­diges gesucht. Ich arbei­tete bei Lash & Lift“, einer Firma für Zurr- und Hebe­technik. Manchmal kommen Kunden zu mir und fragen: Dirk Weeten­dorf? Waren Sie das mit den zwei Buden gegen Dort­mund?“ Ich nicke dann – und lächele in mich hinein.