Joachim Hopp ist in seiner Heimatstadt Duisburg eine echte Fußball-Legende. Weil er vor dem Training noch Stahl für Thyssen kochte. Weil er die Sprache des Ruhrgebiets spricht. Und weil er einfach Hoppi ist. Wir sprachen mit ihm – und verweisen gleichzeitig voller Stolz auf unsere neue Spezial-Ausgabe: „Rivalen an der Ruhr“, die seit heute im Handel erhältlich ist.
Joachim Hopp, es gibt so viele wunderbare Anekdoten aus Ihrer Karriere, wir sind uns nicht ganz sicher, ob die tatsächlich alle wahr sind. Wir würden gemeinsam mit Ihnen gerne für Klarheit sorgen.
Schießen Sie los!
Sie waren eigentlich Stürmer, sollen aber zum Manndecker umfunktioniert worden sein, als Sie beim Bankdrücken die Trainer beeindruckten.
Das stimmt. Im Wintertrainingslager 1989/90 durfte ich das erste Mal als Amateurspieler mit den Profis vom MSV Duisburg mittrainieren. Der Ewald Lienen – gerade frisch Amateurtrainer ernannt – hatte mich empfohlen und icjh durfte mit nach Holland. Weil die Plätze vereist waren, sind wir in den Kraftraum gegangen. Als ich beim Schulterdrücken an der Reihe war und locker 120 Kilo nach oben stemmte, stand über mir Chef-Trainer Willibert Krämer und sagte: „Hoppi, ab heute bist du Manndecker!“
So schnell ging das? Hatten Sie die Lust am Tore schießen verloren?
Das nicht, aber ich wusste doch auch: Als Manndecker hast du wahrscheinlich bessere Möglichkeiten Profi zu werden. Ich war schnell, hatte gute Laktatwerte, Herz, Leidenschaft und wusste wie Stürmer denken. Gute Vorraussetzungen also.
Und ganz nebenbei haben Sie noch bei Thyssen am Hochofen malocht?
So sieht´s aus. Das habe ich noch Jahre lang gemacht. Erst als mich Ewald Lienen und Präsident Fischdick 1994 zum Profi machen wollten, hieß es aus der Chefetage: „Hoppi, mach mal Schluss am Hochofen.“
Wie sah Ihr Arbeitsalltag vorher denn aus?
Bevor ich bei dem MSV-Amateuren anfing, war ich in der Wechselschicht: Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht. Das ging dann nicht mehr, also habe ich meinen Vorgesetzten gefragt, ob ich nicht nur noch die Frühschicht übernehmen dürfte. Der war – wie alle anderen – MSV-Fan und hatte damit kein Problem. Das hieß für mich: Von 5.30 Uhr bis 13.30 Uhr Schicht bei Thyssen und dann zum Training.
Was war Ihr Job?
Ich war am Hochofen für die Kühlung zuständig. Das war teilweise knochenharte Maloche, vor allem bei Reparaturarbeiten, wenn die glühende Schlacke genau vor meiner Nase blubberte.
Der gebürtige Duisburger, der als Stahlkocher bei Thyssen beim MSV spielt – die Fans müssen Sie doch sofort in ihr Herz geschlossen haben.
So schnell ging das nicht. Als Fußballer kannte mich ja keine Sau. Als ich 1994 zu den Profis geholt wurde, gab es sogar eine Menge Leserbriefe, in denen sich jemand in den Zeitungen darüber mokierte, warum denn der MSV einen Amateur geholt hatte, statt für ein paar Mark einen Jugoslawen oder Bulgaren. Erst nach ein paar Monaten, als ich mich in der Mannschaft etabliert hatte, stand der Leserbriefautor beim Training und hat sich bei mir entschuldigt.
Heute lechzen die Fans dagegen nach jungen Eigengewächsen.
Und das ist wunderbar. Diese Wahrnehmung im deutschen Fußball hat sich komplett gewandelt. Ein Beispiel: Matthias Sammer. Lange Zeit war er der große Mahner für deutsche Jugendarbeit und regte sich auf, wenn teure Ausländer verpflichtet wurden. Damals in Dortmund hat er 100 Millionen Euro für teure Transfers aus dem Fenster geworfen und ist Deutscher Meister ohne einen deutschen U‑Spieler aber mit einer Menge Schulden geworden. Immerhin kann man Sammer zugute halten, dass er anscheinend auch selber umgedacht hat. Heute ist der Nachwuchs tatsächlich die Zukunft der Vereine, da muss kein junger Kerl mehr morgen um sechs Uhr in der Fabrik schuften.
Sie waren damals eine Ausnahme – und wurden auch deshalb so beliebt, weil Sie gerne mal verbal auf die Kacke gehauen haben. Die Youtube-Clips mit den besten Hoppi-Sprüchen sind immer noch extrem beliebt. Warum?
Beliebtheit kommt durch Einfachheit. Wir hier im Ruhrgebiet sprechen nun einmal eine andere Sprache und wenn du das Maul zu weit aufreißt, dann gibt es mit der flachen Hand eine Ohrfeige. Heute geht das allerdings nicht mehr, da steht an der nächsten Straßenecke schon der Anwalt. Was ich sagen will: Die Leute hier lieben Authentizität. Du kannst nicht durchs Ruhrgebiet laufen und plötzlich den Professor mimen.
Professor? Da war doch was…
Olaf Thon, den meine ich ja. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich sage nicht: Wer aus dem Ruhrgebiet kommt und sich weiterbildet, der ist ein Idiot. Um Gottes Willen! Aber wenn ich heute den Thon reden höre, dann klingt das zwar nett, aber nicht nach Gelsenkirchen. Ich habe immer versucht, mich nie zu verstellen. Sicherlich habe ich deshalb manchmal gesprochen ohne nachzudenken; aber das ist es ja, was bei den Leuten hängen bleibt! Ich habe mit dem Herz gesprochen – und dazu einfach den Mund bewegt.
Ein Video zeigt Sie nach dem Spiel gegen Dortmund, mit aufgeplatzter Lippe und Dortmund-Trikot um die Hüften. Ihr Kommentar zum Trikottausch: „Der Chappi war mir noch was schuldig, der hat mir vorhin schön die Elle reingejagt.“
Ja, ich kann mich erinnern. Wir haben in Dortmund gespielt, ich gegen Chappi. Der war ein sehr unangenehmer Gegenspieler. Wenn der Schiri nicht hingeschaut hat, gab es immer ordentlich auf den Kessel. Und in einer Szene hat er mir eben den Ellenbogen in de Lippe gerammt. Ich habe geblutet wie ein Schwein. Also bin ich nach dem Spiel zu Chappi und habe gesagt: „Hör zu, das war nicht in Ordnung. Gib mir dein Trikot und die Sache ist vergessen.“
Und das hat er auch gleich getan?
Ohne zu zögern. Er hat sich ja auch sofort entschuldigt und alles war gut. Das Trikot hat dann ein Kumpel von mir bekommen. Ingo Sänger, damals ein bekannter DJ bei EinsLive. Der ist BVB-Fan.
Sie dürften allerdings auch kein sonderlich angenehmer Gegenspieler gewesen sein…
Ich sage es mal so: Ich war für jede Minute Bundesliga dankbar und das haben auch meine Gegenspieler gespürt. Das klingt abgedroschen, aber ich meine es ernst. Wenn ich heute sehe, dass einer erst das Wappen küsst, aber eine Woche später damit droht den Verein zu verlassen, weil er nicht in der Startaufstellung steht, dann geht mir der Hut hoch! Das ist respektlos gegenüber dem Rest der Mannschaft und gegenüber dem Verein.
Jetzt lenken Sie aber ein wenig von meiner Frage ab…
Völlig unbeabsichtigt. Natürlich war ich unangenehm, was wäre ich denn auch für ein Manndecker gewesen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre? Der kleine Rote vom KSC, der Russe, wie hieß der noch mal…?
Sergej Kirjakow?
Genau! Der hat mir immer gesagt: „Hoppi, du bist ein Bulle.“ Dem standen schon die Schweißperlen auf der Stirn, wenn ich mir noch die Schuhe zugebunden habe.
Welche speziellen Freunde hatten Sie noch?
Paulo Sergio von Bayer Leverkusen hat mich gehasst wie Pest. Wenn wir uns vor dem Spiel gesehen haben, sah der mich an, als wenn ich kleine Kinder fressen würde. Im Spiel hat er mich dann derbe beschimpft – glaube ich jedenfalls. Er sprach ja portugiesisch.
Welche Erinnerungen an die Karriere sind noch hängen geblieben?
Sehr viele. Schön war ein Spiel gegen Werder Bremen. Ich steh frei vor dem Tor und muss das Ding machen, hau den Ball aber in die Wolken. Das war den Fans am Ende scheißegal, denn wir haben die Bremer mit 5:1 weggehauen. Am nächsten Morgen musste ich um 5.30 Uhr zur Frühschicht, um 7 Uhr hat mich der Direktor in sein Büro bestellt: „Hoppi, warum hast du das Tor nicht gemacht?“
Machen wir mit der Begradigung der Mythen weiter. Sie sollen der erste Duisburger gewesen sein, der einen Mercedes SLK fahren durfte.
Stimmt auch. Die ganze Mannschaft wollte damals so ein Teil, in der ganzen Stadt gab es gab allerdings nur eine Mercedes-Niederlassung. Der Geschäftsführer aber hat gesagt: „Der erste SLK ist für den Herrn Hopp.“ Keine Ahnung, warum. Vielleicht mochte er meine Spielweise.
Den Wagen haben Sie ganz ordentlich mit einem Sparvertrag abgestottert?
Ja, musste ja alles seine Ordnung haben. Ich habe damals übrigens zwei Steuerkarten gehabt. Mir ist erst viel später aufgefallen, dass ich den Staat jahrelang doppelt bereichert habe…
Nach Ihrer Karriere haben Sie eine Zeitlang als DJ Ihr Geld verdient. Wann ist der musikalische Funke übergesprungen?
Schon in den frühen Neunzigern. Ich hatte schon immer ein Faible für außergewöhnliche Musik, der ganze Chart-Mist hat mich nie interessiert. Eher so etwas wie Jazz-House, also ganz sauberen House, nicht nur dieses stumpfe „Bumm! Bumm! Bumm!“ Nur: Das bekam man damals nirgendwo auf Kassette oder CD. Ich bin dann irgendwann mal in einem Plattenladen in Essen gewesen, als mich der Besitzer ansprach: Ein alter Duisburger, MSV-Allesfahrer seit 40 Jahren! Der hatte drei Plattenläden in der ganzen Stadt und konnte mir ein paar musikalische Wünsche erfüllen. Ich habe mir zwei Plattenspieler gekauft und angefangen meine Musik selbst abzumixen.
Der Start in die DJ-Karriere.
Ganz genau. Vom vielen Üben war ich irgendwann so gut, dass ich auch in Clubs auflegen konnte. Außerdem lernte ich Steffen Irlinger und Ingo Sänger kennen, die hatten damals die Sendung „Treibhouse“ auf EinsLive und luden mich ein mit ihnen aufzulegen. Einen Fußballer als Musiker? Das haben die meisten Menschen nicht verstehen wollen. Dauernd hat man mich gefragt: Warum machst du das?
Was haben Sie geantwortet?
Ach! Es gibt Profis, die gehen in den Puff, andere gehen in die Spielbank und verzocken ihre Kohle, wieder andere spielen Golf oder Tennis. Ich habe eben Musik aufgelegt in meiner Freizeit. Du kannst nicht den ganzen Tag an Fußball denken, das zerfrisst dein Gehirn. Musik war meine Abwechslung und mein Ventil.
Kann man Sie heute noch für die nächste Party buchen?
Nein, als Fußball-Trainer und Jung-Vater bleibt für den Job als DJ leider keine Zeit. Aber im Moment wird eh nur elektronische Musik in den Clubs aufgelegt. Damit bin ich nicht einverstanden.
Warum?
Was wir früher gemacht haben war echtes Handwerk, echte Kunst! Heute schließt der DJ seinen Laptop an und drückt auf „Play“. Das kann doch jeder.
Hatten Sie denn musikalische Vorbilder?
Nie. Jeder DJ hat doch seinen eigenen Charakter. Ich habe nur eines nicht machen lassen: Mich vom Kommerz steuern lassen. Das war manchmal schwierig in den Diskos, die Leute sind ja an Charts und Hitparaden gewöhnt. Ich hatte aber nur ausgefallene Sachen anzubieten.
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Ihr fandet dieses Interview schonm unterhaltsam? Für unser neues Spezial „Rivalen an der Ruhr“ trafen wir Hoppi zum großen Wiedersehen der Publikumslieblinge aus dem Ruhrgebiet. Mit dabei: Knut Reinhardt, Peter Közle und Yves Eigenrauch. Lesen!