Vor gut einem Jahr löste Ioannis Amanatidis seinen Vertrag bei Eintracht Frankfurt auf. Er zog danach nach Zypern, gründete ein Modelabel und eröffnete ein Restaurant. Mit dem Fußball hat er weitestgehend abgeschlossen – und das mit gerade einmal 30 Jahren. Wir trafen ihn in Frankfurt zum Interview.
Ioannis Amanatidis, vor einem Jahr wurde Ihr Vertrag bei Eintracht Frankfurt aufgelöst. Danach haben Sie ein Modelabel namens „IAM Exposure“ gegründet und mit einem Freund das Restaurant „Der Grieche“ in Frankfurt eröffnet. Wie fühlt es sich an, mit allen seinen Hobbys Geld zu verdienen?
Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist, ich bin in dieser Beziehung privilegiert. Und dafür sehr dankbar. Wenn man Leute nach ihrer Arbeit befragt, erhält man oft ein allgemeines Murren als Antwort: Der eine beschwert sich, zu hart zu arbeiten, der andere, dass er zu früh aufstehen muss, der nächste über beides. Ich hatte immer das Glück, Geld mit Sachen zu verdienen, die mir Spaß machen.
Es gibt Spieler, die nur auf die Karte Fußball setzen. Sind Sie nie in Versuchung geraten?
Fußball war lange Zeit mein Beruf, doch ich habe mich nie alleine darauf verlassen. Man muss sich umschauen, was es noch für Sachen gibt. 2008 habe ich schon in erneuerbare Energien investiert, eine große Investition über 20 Jahre. Ich wollte mir andere Standbeine aufbauen. Als Fußballer gibt es unglaublich viel Geld zu verdienen. Doch deine Zeit ist begrenzt.
Ab wann wurde Ihnen das bewusst?
Gedanken darüber habe ich mir schon in jungen Jahren gemacht. Eines ist doch klar: Im Schnitt ist man mit 33, 34 Jahren durch mit der Karriere. Wer in sein 30. Lebensjahr geht und dann weiß, dass er mit seinen Ersparnissen zurechtkommen wird, der hat es geschafft. Mir war es wichtig, das Geld als Fußballer nicht sinnlos aus dem Fenster zu werfen. Jetzt kann ich mich auf dieser Grundlage entspannt um Sachen kümmern, die mir Spaß machen.
Für Mode interessieren sich viele Menschen. Warum ist Ihr Interesse daran so groß, dass Sie sich damit professionell beschäftigen möchten?
An Mode fasziniert mich, dass sich jeder Mensch zumindest unterbewusst als Hobby damit beschäftigt. Selbst Leute, die nicht so gerne einkaufen gehen, greifen beim Klamottenkauf nicht blind in den Schrank. Ich habe irgendwann Spaß an der Idee gefunden, meine Ideen in der Mode umzusetzen. 2006 kam der Gedanke zum ersten Mal auf. Ich habe mich mit einer Designerin getroffen. Doch daraus ist nichts geworden.
Warum?
Wir waren mit der Eintracht viel unterwegs, es war das Jahr, in dem wir im UEFA-Pokal gespielt haben. Als Fußballer willst du dich in deiner Freizeit oft einfach nur ausruhen. Ich hatte nicht die Zeit und den Nerv dazu, mich intensiver mit Mode zu beschäftigen.
In welchem Rahmen bewegt sich nun Ihr Einsatz in der Modebranche?
Ich bin kein Massenproduzent. Das Ganze ist noch ein Hobby. Da ich nicht mehr in Deutschland wohne, finden die Meetings mit meiner Firma immer dann statt, wenn ich mal vier Tage in Frankfurt bin. Die Leute kommen mich besuchen, wir diskutieren, zeichnen, geben die Entwürfe dem Grafiker, und wenn wir etwas gut finden, geht es in Produktion. Es wäre einfacher, wenn ich ständig vor Ort wäre. Aber noch sind wir ja ein kleines Unternehmen, das gerade einmal eine Kollektion herausgebracht hat.
Lassen Sie sich auch von den Modephänomenen aus der Bundesliga inspirieren?
Nein. Es gibt ja Spieler, die stundenlang vor dem Spiegel stehen, damit die Frisur während der Partie sitzt, oder andere, die sich ein Trikot in der kleinstmöglichen Größe überstreifen, damit auch ja jeder Muskel zur Geltung kommt. Das sind Phänomene der Neuzeit, mit denen ich nichts anfangen kann.
Welchen Kundenkreis sprechen Ihre Klamotten an?
(zeigt auf sein T‑Shirt und seine kurze Sporthose) Man sieht mir schon auf den ersten Blick an, dass ich weit davon weg bin, klassisch eingestellt zu sein. Ich bin ein legerer Typ und versuche, auch eben solche Klamotten zu produzieren.
Einen Amanatidis-Anzug wird die Welt also nicht zu Gesicht bekommen.
Es gibt Überlegungen, auch mal einen Anzug zu entwerfen, aber das wären dann Anzüge, die man nicht auf Hochzeiten, sondern eher auf Geburtstagen trägt. Es muss ja auch nicht immer die klassische Jeans sein.
Könnte man ihn denn in Ihrem Restaurant tragen?
Definitiv. Dort herrscht eine sehr sommerliche Atmosphäre. Das passt mit meiner Mode zusammen.
Wann entstand die Idee, ein griechisches Restaurant in Frankfurt zu eröffnen?
Das war 2009. Als ich zusammen mit einem guten Freund in Griechenland Urlaub gemacht habe, fiel uns auf, dass es in Frankfurt kein griechisches Restaurant gibt, in dem man traditionell griechisch essen kann.
Das müssen Sie uns erklären.
Es gibt gehobene griechische Restaurants in Frankfurt. Doch sie haben nichts mit dem zu tun, was man in Griechenland kennenlernt. Niemand kommt aus dem Urlaub zurück und schwärmt von der Fünf-Sterne-Küche, von Fischfilet mit Risotto und Safran, sondern von den einfachen Speisen, die man in den Tavernen am Strand bekommt.
Wenn 2009 die Idee entstand, wieso hat das Restaurant erst 2011 eröffnet?
Es war wie bei der Mode: Der Fußball stand zunächst dazwischen. Erst als ich im vergangenen Jahr Zeit dafür hatte, haben wir das Projekt gestartet.
In welchen Bereichen bringen Sie sich ein, wenn Sie in Frankfurt sind und das Restaurant besuchen?
Das Wichtigste an einem Restaurant ist, dass das Essen schmeckt. Meine Aufgabe ist es, ständig den Geschmack zu verbessern.
Woher wissen Sie, was gut schmeckt?
So etwas kann man sich antrainieren. Ich war seit meinem 18. Lebensjahr ständig unterwegs, habe in unendlich vielen Hotels gegessen. Und als Profi bekommt man keine billige Ware vorgesetzt. Irgendwann weiß man, was gut ist. Jetzt ist es immer das gleiche Spiel: Die Leute, die im Restaurant mitarbeiten, kommen zusammen, testen die Speisen, dann wird festgelegt, was auf die Karte kommt. Es geht meistens um die Beilagen. Wir können die griechische Küche ja nicht neu erfinden. Nur ein Beispiel: Den Fisch Dorade bekommt man überall. Wie man ihn präsentiert – darauf kommt es an.
Wie ist der Chef Ioannis Amanatidis?
Sehr entspannt und sehr ruhig. Und ganz wichtig: Nicht hektisch. Es muss viel passieren, bis ich anfange, den Boss raushängen zu lassen.
Was können Sie aus Ihrer Fußballerkarriere in Ihre neuen Aufgaben mitnehmen?
Ich muss meine Mitarbeiter koordinieren. Bei der Eintracht hatte ich als Kapitän immer noch einen Trainer, der Anweisungen vorgegeben hat, die ich an meine Mitspieler weitergab. Ein Trainer spricht ja nicht ausgiebig mit jedem Spieler, dafür hat er seinen Kapitän, der versucht, alle auf ein Ziel einzuschwören. In der Mode bin ich Trainer und Koordinator zusammen, der allen deutlich macht, wie die Sache zu laufen hat. Es geht ja immerhin um meinen Namen, der nach außen getragen wird.
Sie haben Ihre Karriere noch nicht offiziell beendet. Was würde mit Ihren Projekten passieren, wenn Sie morgen einen Profivertrag unterschreiben?
Dann wäre der Fußball von jetzt auf gleich wieder die absolute Nummer eins. Deswegen ist das ein Schritt, der gut überlegt werden muss. Das Restaurant würde weiterlaufen wie bisher. Mein Partner ist Profi, da müsste ich mir überhaupt keine Sorgen machen. Mit der Mode wäre es schwieriger. Ich könnte noch seltener nach Deutschland kommen.
Sie haben ein Jahr kein Fußball gespielt. Rechnen Sie sich überhaupt noch Chancen auf einen neuen Vertrag aus?
Ich habe mich fit gehalten, aber Fußball habe ich im vergangenen Jahr wenig gespielt. Ein bis zwei Jahre würde ich gerne nochmal irgendwo spielen. Wenn aber kein Angebot mehr kommt, das mich anspricht, kann es jeden Tag passieren, dass ich meine Karriere beende. Damit hätte ich überhaupt keine Probleme, ich würde trotzdem auf eine tolle Zeit als Fußballer zurückblicken.
Wie definieren Sie ein gutes Angebot?
Ich bin ledig und habe keine Kinder. Ich kann also noch heute meinen Koffer packen und ans andere Ende der Welt reisen, um Fußball zu spielen. Es wäre toll, noch einmal irgendwo außerhalb Europas zu spielen und etwas völlig Neues kennenzulernen.
Kommt Deutschland für Sie überhaupt nicht mehr in Frage?
Ich werde irgendwann nach Frankfurt zurückkehren, dort wird gerade mein Haus fertig gebaut. Aber an der Bundesliga habe ich mich satt gesehen. Zwölf Jahre waren genug. Es gibt Spieler, die sagen noch zu allem Ja und Amen, selbst wenn es offensichtlich ist, dass eine Saison den Bach runterläuft. Das musste ich nicht mehr haben. Ich hatte nochmal Anfragen aus der Bundesliga und der zweiten Liga. Ich hätte auch in Belgien unterschreiben können. Oder in Griechenland. Aber das hat mich nicht gereizt. Ich habe keinen Druck verspürt – sonst würde ich schon längst wieder irgendwo spielen.
Warum sind Sie nach Zypern und nicht in Ihre Heimat Griechenland gezogen?
In Griechenland laufen viele Dinge chaotisch ab. Die finanzielle Situation ist nicht gut, die Wahlen verliefen chaotisch, in vielen Bereichen herrscht Korruption. Auf Zypern lässt es sich gut aushalten. Es ist das ganze Jahr über Sommer. Außerdem gibt es in der Kultur im griechischen Teil Zyperns im Vergleich zu Griechenland keine Unterschiede.
Aber Zypern ist auch von der Wirtschaftskrise betroffen.
Das kann man aber nicht mit Griechenland vergleichen. Zypern hat sich knapp fünf Milliarden Euro von Russland geliehen – Peanuts im Vergleich zu den Summen, die Griechenland braucht. Russland kontrolliert auch ganz genau, was mit seinen Finanzhilfen passiert und leistet Hilfe. Die Situation ist bedeutend ruhiger als in Griechenland.
Sofern Sie morgen Ihre Karriere beenden: Gibt es Punkte, die Sie am Fußball vermissen werde?
Das Spiel an sich natürlich. Manche anderen Sachen eher weniger.
Wie meinen Sie das?
Ich habe als Fußballer immer alles mitgemacht, stand immer jedem Rede und Antwort, deswegen sind die Medien auch immer auf mich zugekommen, wenn irgendetwas war, weil sie wussten, dass da jemand spricht, dessen Aussagen authentisch sind. Das war nicht immer ganz einfach, und für den ein oder anderen vielleicht auch unangenehm zu lesen. Jetzt einfach mal in Ruhe gelassen zu werden, nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen, gefällt mir ehrlich gesagt ziemlich gut.