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Dieses Inter­view stammt aus unserem Archiv. Es erschien erst­mals in unserem 11FREUNDE SPE­ZIAL – Die 80er Jahre.

Giu­seppe Bergomi, könnten Sie mir bitte die Stamm­for­ma­tion Ihrer Meis­ter­mann­schaft von 1989 auf dieses Blatt Papier notieren und daran die Rollen der deut­schen Spieler beschreiben?
Gern, wenn Sie mir bitte sagen, wie die Nachamen der beiden geschrieben werden? Sie haben im Deut­schen diese merk­wür­digen Buch­staben, auf denen Dop­pel­punkte stehen. Lothars Nach­name hat so ein Schrift­zei­chen, oder?

Ja. Mat­thäus wird mit Ä geschrieben. Brehme mit H hinter dem ersten E.
Und stimmt es auch, dass Klins­manns Vor­name auf dem U mit einem Dop­pel­punkt geschrieben wird?

Das deut­sche Ü wird wie ein U mit der Nuance eines Ypsi­lons aus­ge­spro­chen.
Diese Buch­staben gibt es im Ita­lie­ni­schen nicht. Die meisten Men­schen in Ita­lien haben Jürgen sei­ner­zeit falsch gerufen, wir nannten ihn: Jurgen. 

Mat­thäus war außer­ge­wöhn­lich. Wenn er sich ent­schied, ein Spiel zu gewinnen, gewannen wir“

Klins­mann stieß ein Jahr später zur Meis­ter­mann­schaft. Zuvor waren Brehme und Mat­thäus fun­da­men­tale Spieler für Inter. Warum?
Trainer Gio­vanni Tra­pat­toni ließ uns in der Abwehr mit einer Drei­er­kette spielen. Ferri und ich waren Mann­de­cker. Mit der Rolle Matteolis, unseres zen­tralen Abwehr­manns, hatte Trap etwas Neues erfunden – er ließ mit einem modernen Sechser“ spielen, wie ihn heute etwa Andrea Pirlo beim AC Milan gibt. Der heim­liche Regis­seur aber neben Matteoli war Brehme.

Auf welche Weise konnte er das Spiel von Inter berei­chern?
Brehme konnte mit links und rechts schießen, was ihm viele Mög­lich­keiten der Spiel­eröff­nung über unsere linke Seite gab. Er beschleu­nigte und ver­zö­gerte das Spiel, oder legte sich den Ball auf seinen rechten Fuß und riss das Feld auf, indem er hin­über zu unseren Motoren im zen­tralen Mit­tel­feld, Nicola Berti oder Lothar Mat­thäus, passte. Andy war eine beson­ders ange­nehme Über­ra­schung, weil wir vorher nicht genau wussten, was uns mit seiner Ver­pflich­tung erwar­tete.

Brehme und Mat­thäus wurden damals im Dop­pel­pack von Bayern Mün­chen zu Inter trans­fe­riert, Mat­thäus aber war die eigent­liche Attrak­tion.
Mat­thäus war außer­ge­wöhn­lich. Wenn er sich ent­schied, ein Spiel zu gewinnen, gewannen wir. Ich erin­nere mich an ein Pokal­spiel: Wir lagen zurück, als Lothar plötz­lich zu mir sagte: Beppe, gib mir den Ball, ich mache das Tor.“ Ich schob Lothar ungläubig den Ball zu und er mar­schierte los. Ab 25 Meter vor dem Tor wurde es brenzlig für jeden Gegner, hier begann der töd­liche Radius von Mat­thäus. Er wusste intuitiv, welche Stra­tegie zu wel­chem Zeit­punkt des Spiels zum Ziel führte. Er machte übri­gens dann tat­säch­lich ein Tor. Wir gli­chen aus und das Pokal­spiel kippte zu unseren Gunsten.

Alle in der Mann­schaft mochten die Jungs. Und ich glaube, sie mochten uns auch“

Bevor Klins­mann kam, spielte die Meis­ter­mann­schaft mit der sehr erfolg­rei­chen Dop­pel­spitze Rámon Díaz und Aldo Serena. Was hatte Klins­mann, was die anderen nicht hatten?
Jürgen zeich­nete sich durch ein sehr auf­wen­diges Spiel aus; er war ein Mann, der großes Lei­dens­po­ten­tial besaß. Jürgen eroberte Räume und Bälle, aber der zweite Stürmer Aldo Serena und er waren tech­nisch nicht so stark wie Rámon Díaz, der in jeder noch so schwie­rigen Situa­tion anspielbar war und meist eine gute Lösung hatte. Mit Jürgen konnten wir das Meis­ter­stück zwar nicht wie­der­holen. Aber mit ihm wurden wir UEFA-Cup-Sieger.

Die Deut­schen waren die ein­zigen Legio­näre. Wie fügten sich die Deut­schen in ihr neues Leben ein?
Sie müssen ent­schul­digen, wenn ich lache, aber ich sehe Andy und Lothar noch heute vor mir: Wir waren damals im Trai­nings­lager in Varese. Nach dem Nach­mit­tags­trai­ning besuchte ich die beiden abends in ihrem Zimmer, weil ich mich als Kapitän der Mann­schaft für die Neuen ver­ant­wort­lich fühlte. Ich klopfte also an die Tür, trat hinein und da lagen beide auf ihren Betten wie kleine Kinder, hatten ein deutsch-ita­lie­ni­sches Wör­ter­buch auf­ge­schlagen und lernten artig ele­men­tare Voka­beln wie Löffel“, Gabel“ und Tisch“. Und das Wasch­be­cken des Zim­mers war gefüllt mit Eis­wür­feln – und Bier­fla­schen. Also luden sie mich zum Bier ein und wir tranken zusammen. Alle in der Mann­schaft mochten die Jungs. Und ich glaube, sie mochten uns auch.