Pipo Rodríguez, vor ein paar Tagen hat El Salvador in der WM-Qualifikation in Honduras gespielt, es ging 1:0 für Honduras aus, genau so wie vor 40 Jahren beim ersten dieser drei Spiele mit Nebenwirkungen…
Ja, aber heute ist alles wieder in Ordnung zwischen beiden Staaten, wir haben keine politischen Probleme mehr. Und die fußballerische Rivalität ist wieder wie mit jedem anderen Land Zentralamerikas.
Das war damals anders. Sie erinnern sich noch gut an die drei Spiele im Juni 1969.
Klar, vor allem an das Entscheidungsspiel in Mexiko am 27. Juni. Die Partie war ja ein Wendepunkt in meinem Leben, weil alle Welt dachte, ich hätte mit meinem Tor den Krieg zwischen El Salvador und Honduras ausgelöst, dabei haben beide Mannschaften damals ja nur darum gekämpft, als erstes Land Zentralamerikas zu einer Weltmeisterschaft zu fahren. Unser einziges Ziel war, das Spiel zu gewinnen.
Sie schossen das 3:2 in der 11. Minute der Verlängerung.
Ja, genau. Wir hatten das erste Spiel in Honduras verloren, das zweite in Salvador gewonnen. Also musste das Entscheidungsspiel den Sieger ermitteln. Und ich hatte die große Ehre, das Siegtor zu erzielen.
Wenige Wochen danach warf El Salvador Bomben auf Honduras und marschierte beim Nachbarn ein. Es gab mehrere tausend Tote. Die 100 Stunden, die der bewaffnete Konflikt dauerte, sind als „Fußball-Krieg“ in die Geschichte eingegangen.
Aus meiner Sicht ist das falsch. Die Spiele haben den Krieg nicht ausgelöst. Es waren zwei Sachen, die parallel passierten. Fußball auf der einen und Politik auf der anderen Seite. Hier die WM-Qualifikation und da die sozialen und ökonomischen Probleme zwischen beiden Ländern. Und wir wurden für politische Zwecke benutzt.
Weil die Qualifikationsspiele den Militärmachthabern in beiden Ländern sehr entgegen kamen….
Die Regierungen und die Medien in beiden Ländern nutzten die Spiele dazu, die Stimmung in der Bevölkerung anzuheizen. Wir spürten schon beim ersten Spiel in Honduras am 8. Juni, dass es um mehr ging. Es war ein Hass zu spüren, der über die sportliche Rivalität hinausging. Es ging gegen uns als Salvadorianer.
Was haben Sie von der politischen Eskalation mitbekommen?
Wir konnten uns dem gar nicht entziehen. Es gab ja in den Medien kein anderes Thema. Die Zeitungen in El Salvador berichteten von vergewaltigten Frauen, von salvadorianischen Familien, die in Honduras aus ihren Häusern geprügelt und deportiert wurden. Das lasen wir natürlich alle.
Wie hat Sie als Spieler die Politik beeinflusst?
Auf dem Feld überhaupt nicht. Die Spiele waren immer sauber und fair. Es gab keine Tritte über die sportlichen Fouls hinaus. Aber sonst spürten wir natürlich schon, dass das besondere Partien waren. Wir empfanden spätestens beim zweiten Spiel am 15. Juni in Salvador, dass wir auch eine moralische Verpflichtung hatten, für unser Land zu siegen. Wir hatten das Gefühl, Stolz und Ehre Salvadors hingen an unseren Fußballstiefeln. Wir hätten jedes Spiel verlieren können, nur das nicht.
Es galt also die Devise: Schuss. Tor. Krieg!
Nein, unser Sieg war nur ein Element mehr, der willkommene Anlass, wenn man so will. Aber der Krieg war nicht aufzuhalten, er wäre so oder so gekommen.
Wäre es heute noch möglich, dass ein Fußball-Spiel einen Krieg auslöst oder so für politische Zwecke genutzt wird?
Nein, das denke ich nicht. Die Menschen und die Politik sind reifer geworden. Heute könnten so banale Vorwände wie ein Fußballspiel nicht mehr dafür herhalten, einem Krieg Vorschub zu leisten. Aber i besonders in Lateinamerika wird der Fußball nie frei von Politik sein.
Wenn Sie damals gewusst hätten, welche Wirkung Ihr Tor entfalten würde, würden Sie es vielleicht nicht nochmal schießen?
Auf keinen Fall. Ich würde alles nochmal so machen. Ich war doch Stürmer, das war doch meine Aufgabe.
Sie sind eine Person der Zeitgeschichte in El Salvador. Werden Sie nach 40 Jahren noch erkannt auf der Straße?
Ja, von den Alten, aber nicht den Jungen. Manchmal bleiben auch Eltern oder Großeltern stehen und sagen dann zu ihren Kindern oder Enkeln: „Schau, das ist der Pipo Rodríguez, der uns zur ersten Weltmeisterschaft geschossen hat“.
Sie haben kurz nach der WM 1970 mit dem aktiven Fußball aufgehört.
Ja, ich hatte Probleme mit dem Meniskus im rechten Knie. Deswegen musste ich 1971 meine Karriere beenden und bin dann Trainer geworden. Ich habe 1982 bei dem WM in Spanien die salvadorianische Mannschaft als Nationaltrainer betreut. Für das Turnier hatte sich übrigens auch Honduras qualifiziert.
***Im 11FREUNDE-Heft: Schuss, Tor, Krieg: Alle Zusammenhänge zum Konflikt zwischen El Salvador und Honduras.