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Ewald Lienen, am Samstag begleiten Sie das Spiel For­tuna Düs­sel­dorf gegen Borussia Mön­chen­glad­bach als TV-Experte. Weil beim Düs­sel­dorfer Rele­ga­ti­ons­spiel in der Vor­saison Zuschauer den Platz stürmten, durfte die For­tuna nur ein­ge­schränkt Karten für dieses Spiel ver­kaufen. Ein­tracht Frank­furt erging es nach Fan­aus­schrei­tungen in der Vor­saison genauso. Sie ver­ur­teilen das. Warum?
Es ist absurd, dass ein Verein für das Ver­halten von Men­schen bestraft wird, die zwar ein Trikot tragen, aber ansonsten rein recht­lich nichts mit dem Klub zu tun haben. Wenn zehn Mit­glieder eines Schüt­zen­ver­eins ran­da­lieren, wird auch nicht der ganze Schüt­zen­verein bestraft, son­dern die ein­zelnen Per­sonen. Was pas­siert eigent­lich, wenn eine Hun­dert­schaft von Fans in DFB-Tri­kots bei einem Län­der­spiel ran­da­liert? Müsste nach der Logik der DFB-Gerichts­bar­keit nicht der DFB bestraft werden? Oder wenn ich morgen in einem ICE sitze und dort anfange, die Ein­rich­tung zu demo­lieren – wird dann etwa die Deut­sche Bun­des­bahn bestraft? Oder ich? Für mich ist das alles nicht nach­voll­ziehbar.

Wie hätten Sie auf die Strafe reagiert, wenn Sie Prä­si­dent von For­tuna Düs­sel­dorf wären?
Es scheint seit ein paar Jahren ein Kon­sens zu bestehen, nach dem man solche Strafen offen­sicht­lich akzep­tiert. Das würde ich bei Sit­zungen in den ent­spre­chenden Gre­mien ent­schieden infrage stellen. Dem Verein wird von Seiten des DFB in die Sou­ve­rä­nität ein­ge­griffen. Auf das Derby gegen Glad­bach hat eine ganze Region jah­re­lang gewartet, doch anstatt 50.000 dürfen nur 30.000 Zuschauer dabei sein. So wird einem Verein, der nichts ver­bro­chen hat, eine finan­zi­elle Strafe auf­ge­lastet, die in meinen Augen rechts­widrig ist.

Urteile dieser Art sollen offen­sicht­lich ver­mit­teln, dass ein Verein in seinem Sta­dion für Ord­nung zu sorgen hat. Können Sie das nach­voll­ziehen?
Nein. Die Ver­eine geben sich doch schon alle Mühe, um für die Sicher­heit im Sta­dion zu sorgen. Sonst würden sie doch gar nicht die Lizenz für die Bun­des­liga erhalten. Die DFB-Gerichts­bar­keit ver­hält sich aber wei­terhin ana­chro­nis­tisch, wie übri­gens auch die UEFA gegen­über den in Europa spie­lenden Ver­einen. Sie glaubt restriktiv dafür sorgen zu können, dass es zu keinen gefähr­li­chen Situa­tionen mehr kommen kann. Das ist eine Vor­ge­hens­weise, die nie­mals erfolg­reich sein kann. Wie will man es aus­schließen, dass Fans auf den Platz stürmen, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt haben?

Haben Sie einen Vor­schlag? 
Eine Patent­lö­sung gibt es nicht. Mir fallen aber immer wieder unglaub­lich viele Details auf, die dafür sorgen, dass die Fans zusätz­lich pro­vo­ziert werden. Daran muss man arbeiten.

Können Sie ein Bei­spiel nennen?
Wenn eine Gruppe von Fans zu Aus­wärts­spielen fährt und sich durch Tri­kots oder Kutten zu erkennen gibt, wird sie direkt von einem Poli­zis­ten­truppe ein­ge­kes­selt. Die Fan­kultur wird grund­sätz­lich kri­mi­na­li­siert. Und das alles nur, weil die Gefahr besteht, dass aus einer Fan­gruppe irgend­je­mand even­tuell über die Stränge schlagen könnte.

Wie kann man diese Beob­ach­tungen nutzen, um sich den Fans anzu­nä­hern?
Der große Fehler besteht darin, dass die­je­nigen Fans am hef­tigsten kri­ti­siert werden, die dafür sorgen, dass der Fuß­ball populär geworden ist und uns jedes Wochen­ende mit Cho­reo­gra­fien Freude bereiten. Und ganz nebenbei gewähr­leistet, dass der Fuß­ball Mil­lio­nen­summen gene­riert. Wenn aber dann einer ein Pyro­feuer hoch­hält, ist das alles von jetzt auf gleich ver­gessen. Dann bricht wieder eine über­trie­bene Hys­terie aus und es wird so getan, als würde die Welt unter­gehen. Anstatt direkt die Ver­eine zu bestrafen, müssen der DFB und die Ver­eine die Gespräche mit den Ultras bei­be­halten und inten­si­vieren, um der Fan­kultur Herr zu werden. Das ist die ein­zige Chance, die der Fuß­ball hat.

Wie meinen Sie das?
Die meisten der Ultras, die in den Kurven stehen, sind nach meinem Ein­druck ver­nünftig und gesprächs­be­reit. Man muss sich mit ihnen aus­ein­an­der­setzen. Da hat der DFB in den ver­gan­genen Jahren mit dem Fan­kon­gress in Leipzig und der per­ma­nent ein­ge­rich­teten Fan-AG wich­tige Schritte in die rich­tige Rich­tung gemacht. Es gibt nur den einen Weg, im per­ma­nenten Dialog mit den Ultras gemein­same Ver­ein­ba­rungen zu treffen, an die sich beide Seiten gebunden fühlen müssen.

Welche Ver­ein­ba­rungen meinen Sie?
In den Gespräche mit den Ultras sind schon eine Unmenge von Pri­vi­le­gien gewährt worden, denen auf der anderen Seite aber auch ent­spre­chende Ver­pflich­tungen gegen­über­stehen. An diese Ver­ein­ba­rungen müssen sich die Ultras natür­lich halten und im Zwei­fels­fall auch über die Selbst­kon­trolle von innen heraus reagieren. Wenn ein Fan das Sta­dion als rechts­freien Raum begreift, gehört er aus­ge­schlossen. Nur wenn man die Ultras ernst nimmt und ihnen das durch regel­mäßig orga­ni­sierte Gespräche ver­mit­telt, hat man die Chance, eine bes­sere Kon­trolle zu erhalten.

Seit ver­gan­genem Mitt­woch beschäf­tigen Sie sich in einer neu gegrün­deten Kom­pe­tenz­gruppe unter dem Vor­sitz des Fan­for­schers Gunter A. Pilz mit genau diesen Fragen. Glauben Sie, dass Sie mit Ihrer Arbeit auf beim DFB Gehör finden?
Pro­fessor Pilz hat einen guten Draht zum DFB. Dieser Kon­takt ist kein Fei­gen­män­tel­chen. Unsere Arbeit wird vom DFB ernst­ge­nommen. Bei der Vor­stel­lung der Kom­pe­tenz­gruppe waren auch Fan­ver­treter des 1. FC Köln da. Dort ist in der ver­gan­genen Saison bekannt­lich nicht alles rei­bungslos abge­laufen. Die Fans wollen ernst genommen werden und über Pro­bleme spre­chen. Man muss ihnen zuhören. Aber die Ultras müssen auch den Ver­einen und dem DFB zuhören.