Soeren Oliver Voigt, am 3. Oktober 2012 ver­öf­fent­lichte die Initia­tive gegen rechte (Hooligan)-Strukturen“ eine 80-sei­tige Infor­ma­ti­ons­bro­schüre, die sich mit Neo­nazi-Akti­vi­täten bei Ein­tracht Braun­schweig beschäf­tigt. Sie haben erst am 9. Oktober, nach Berichten in der taz“ und auf 11freunde​.de, darauf reagiert. Wieso nicht früher?
Bei uns ist ein Hin­weis der Initia­tive auf die Bro­schüre am 4. Oktober ein­ge­gangen. Wir haben uns intensiv damit beschäf­tigt, mussten aber par­allel auch unser Heim­spiel gegen den VfL Bochum am 6. Oktober vor­be­reiten und uns als Reak­tion auf eine 80-sei­tige Bro­schüre vor einer ersten Stel­lung­nahme am 8. Oktober zunächst mit dem Auf­sichtsrat, den Behörden, dem Dienst­leister, dem Fan­be­auf­tragten und dem Fan­pro­jekt abstimmen, um seriös drauf reagieren zu können.

Was kri­ti­sieren Sie an der Bro­schüre und was an der Gruppe, die diese ver­fasst hat?
Aus­gangs­si­tua­tion für die Publi­ka­tion ist die Tat­sache, dass gegen­über Per­sonen der Grup­pie­rung Ultras Braun­schweig“ im Jahr 2008 auf­grund von Gewalt­tä­tig­keiten 22 bun­des­weite und 99 ört­liche Sta­di­on­ver­bote aus­ge­spro­chen wurden. Seitdem ver­sucht diese Grup­pie­rung mit Unter­stüt­zung poli­ti­scher Orga­ni­sa­tionen, Ein­tracht Braun­schweig und seinen Fans ein Nazi­pro­blem“ in Fan­kreisen zu unter­stellen. Die Pro­ble­matik der Braun­schweiger Fan­szene in den acht­ziger und neun­ziger Jahren ist dem Verein und der Polizei seit Jahren bekannt und den in der Publi­ka­tion auf­ge­führten Themen wird eben­falls seit Jahren vom Verein, der Polizei und inzwi­schen mit Unter­stüt­zung des Fan­be­auf­tragten und des Fan­pro­jekts ent­gegen gewirkt. Der große Erfolg besteht also darin, dass die Situa­tion sich grund­le­gend geän­dert hat und im Ein­tracht-Sta­dion – also dem Bereich, für den der Verein maß­geb­lich zuständig ist – aktuell kaum pro­ble­ma­ti­sche Situa­tionen auf­kommen. Wenn dies doch einmal der Fall sollte, werden diese kon­se­quent ver­folgt und geahndet.
 
Am ver­gan­genen Samstag mussten Ultras und Mit­glieder der Initia­tive per Poli­zei­schutz aus dem Sta­dion gebracht werden. Was war aus Ihrer Sicht Grund dafür?
Nachdem sich Ein­tracht Braun­schweig in den ver­gan­genen Monaten mehr­fach mit dieser Grup­pie­rung getroffen hat, erschien unmit­telbar nach Ver­öf­fent­li­chung der Publi­ka­tion die Grup­pie­rung ohne Vor­ankün­di­gung mit etwa 100 Per­sonen, ein Groß­teil davon aus Ham­burg, Bremen und anderen Städten, im Sta­dion. Sie plat­zierten sich in der Nord­kurve und hängten ein Banner mit der Auf­schrift Ultras Curva Nord“ auf. Diese Maß­nahmen wurden von großen Teilen der Fan­szene, die sich durch die Anschul­di­gungen aus der Publi­ka­tion falsch beur­teilt fühlten, als Pro­vo­ka­tion emp­funden. Wir waren also dazu ver­pflichtet, die Grup­pie­rung von Ord­nern schützen zu lassen. Mit Ein­ver­ständnis der Gruppe wurde diese unter Beglei­tung durch die Polizei aus dem Sta­dion geleitet, um prä­ventiv jed­wede Eska­la­tion auf dem Sta­di­on­ge­lände zu ver­meiden.
 
Die Initia­tive pran­gert an, dass nach wie vor etliche Neo­nazis in den Fan­kurven von Ein­tracht Braun­schweig tum­meln. Wie stehen Sie zu dieser Behaup­tung? Und wie schätzen Sie die Ent­wick­lung in den ver­gan­genen fünf Jahren bei Ein­tracht Braun­schweig ein?
Wir distan­zieren uns seit vielen Jahren von jed­weder Form von Ras­sismus und Rechts­extre­mismus im Sta­dion und gehen in Absprache mit den Behörden kon­se­quent gegen sämt­liche Ver­gehen vor, die uns bekannt werden. Es gibt einen engen Aus­tausch zwi­schen dem Verein, dem FanRat, dem Fan­pro­jekt Braun­schweig und allen rele­vanten regio­nalen und natio­nalen Behörden. Diese außer­or­dent­lich gute Zusam­men­ar­beit hat dazu geführt, dass sich auch inner­halb der Fan­szene eine hohe Sen­si­bi­lität und Selbst­re­gu­lie­rung gegen­über Ras­sismus und Extre­mismus ent­wi­ckelt hat. So sind bei­spiels­weise auf­grund aktiver Arbeit aller Betei­ligter die Rufe gegen Sinti und Roma inzwi­schen kom­plett aus dem Sta­dion ver­schwunden. Grund­sätz­lich ist zu sagen, dass alle Per­sonen, die sich im Ein­tracht-Sta­dion geset­zes­widrig ver­halten, kom­pro­misslos Sta­di­on­verbot erhalten.
 
Inwie­fern ist Anti-Ras­sismus-Arbeit Teil der Fan-Arbeit bei Ein­tracht Braun­schweig? Und können Sie Bei­spiele nennen, wie Ein­tracht Braun­schweig das Thema prä­ventiv behan­delt?
Wir haben seit vielen Jahren einen haupt­amt­li­chen Fan­be­auf­tragten und ein Fan­pro­jekt, die mit Jugend­li­chen zu allen in der Publi­ka­tion erwähnten Themen prä­ventiv arbeiten. Im November 2012 fällt dar­über hinaus der offi­zi­elle Start­schuss für das so genannte Pro­jekt Lernort Sta­dion“ in Braun­schweig, eine Aktion zur poli­ti­schen Bil­dung für Jugend­liche rund um einen Spieltag der Ein­tracht, die von der Bun­des­liga-Stif­tung und der Robert-Bosch-Stif­tung unter­stützt wird.
 
Welche Arbeit hat der Fan­be­auf­tragte in diesem Thema?
Die Arbeit des Fan­be­auf­tragten, des Fan­pro­jekts und des Fan­Rats setzen seit langer Zeit darauf, gegen jede Form von Ras­sismus und Extre­mismus ein­zu­wirken und ein sehr hoher Pro­zent­satz der Fan­szene geht diesen Weg unein­ge­schränkt mit. Wir stellen uns vor unsere Mit­ar­beiter und die Kol­legen, die täg­lich ein­träch­tiges Mit­ein­ander vor­leben und dies erst ermög­li­chen. Radi­kale Aggi­ta­tion, in welche Rich­tung auch immer, lassen wir nicht zu.
 
Die Initia­tive behauptet, dass im Ein­tracht-Sta­dion und bei Aus­wärts­spielen Ordner ein­ge­setzt werden, die rechten Gruppen ange­hören. Wie stehen Sie zu diesen Anschul­di­gungen?
Wer als Ordner im Sta­dion arbeiten möchte, muss jedes Jahr ein poli­zei­li­ches Füh­rungs­zeugnis vor­legen. In Zwei­fels­fällen werden die Behörden um Ein­schät­zung und Beur­tei­lung zu den Per­sonen gebeten. Sollten Mit­ar­beiter des Ord­nungs­dienstes in irgend­einer Form im Sta­dion auf­fällig werden, werden diese umge­hend aus­ge­tauscht.
 
Gibt es in Ihrer Sta­di­on­ord­nung einen Verbot der Marke Thor Steinar?
Es gibt ein Thor Steinar-Logo, das ver­fas­sungs­recht­lich ver­boten ist. Klei­dung mit diesem Logo ist somit auch im Ein­tracht-Sta­dion ver­boten. Außerdem gibt es seit mehr als drei Jahren Arbeits­an­wei­sungen, die besagen, dass auf Beklei­dung mit poli­ti­scher Sym­bolik geachtet wird, da diese nicht zulässig ist. Seit diesem Sommer wird dar­über hinaus an einer neuen Sta­di­on­ord­nung gear­beitet, in der zukünftig alle Klei­dungs­stücke mit zwei­fel­hafter Sym­bolik ver­boten werden.
 
Die Initia­tive hat Fotos ver­öf­fent­licht, auf denen Banner von rechts­extremen Gruppen zu sehen sind. Wie ver­hält sich der Verein dazu?
In der Saison 2008/2009 wurde bei­spiels­weise ein auf­fäl­liges Banner der Gruppe Nord Power Dogs“ auf Initia­tive von Verein und Fan­pro­jekt ver­boten. Im Anschluss wurden vom Fan­pro­jekt regel­mäßig Gespräche mit der Gruppe geführt. Banner mit zwei­fel­haften Sym­bolen werden auch zukünftig umge­hend ent­fernt und die Besitzer müssen mit Sta­di­on­ver­boten rechnen. Diese Gruppen sind keine offi­zi­ellen Fan­klubs von Ein­tracht Braun­schweig.

(Die Fragen zu dem Inter­view wurden auf Wunsch des Klubs schrift­lich zuge­sandt)