Michael Klar*, wie sind Sie in die Hooligan-Szene gekommen?
Zunächst über die rechte Skinhead-Szene, später bin ich dann in die Hooligan-Szene übergangen. Die Skins waren untereinander bereits gut vernetzt, die Hools später ebenfalls. Die Szene ist auch heute noch, jedenfalls in Nürnberg, deutlich rechts geprägt. Ich denke 50 Prozent aller Hooligans kommen aus der rechten Ecke oder haben eine Verbindung zur Skinhead-Szene. Vielleicht sind es sogar mehr.
Für Außenstehende immer noch die entscheidende Frage: Was macht die Faszination aus, sich beim Fußball auf die Fresse zu hauen?
Standardantwort: Wer es noch nicht erlebt hat, wird es auch nicht verstehen können. Wenn du in einem Mob mit 60 Mann unterwegs bist, bringt jeder Schritt dein Blut in Wallung. Dann wird in die Hände geklatscht, man beginnt zu rennen und es geht los. Du vergisst alles um dich herum. Und nach zwei Minuten ist alles vorbei. Wie ein Adrenalinschub beim Bungeejumping, unbeschreiblich.
Den vielfach zitierten »Ehrenkodex«, gibt es ihn wirklich?
Schwer zu sagen. Unter den klassischen Hooligans ist es schon Usus ohne Waffen zu kämpfen und keinen, der am Boden liegt, weiter zu bearbeiten. Allerdings sind die Nürnberger früher ab und an auch mit Regenschirmen auf ihre Gegner losgegangen, der Mob aus Kaiserslautern war einige Male mit Zaunlatten am Start.
Wie sieht die Organisation innerhalb einer Gruppierung aus?
Unser Mob in Nürnberg (die »Red Devils«, d. Red.) besteht zumeist aus kleineren Gruppen, es gibt zwei oder drei »Anführer«, einen harten Kern von vielleicht 40 Mann und natürlich einige jüngere Mitläufer.
Wie ist die Hierarchie geordnet?
Als junger Kerl läufst du mit, bist in der hinteren Reihe. Was nicht heißt, dass du dich nicht beweisen musst. Sonst fliegst du raus. Natürlich muss man die nötigen körperlichen Voraussetzungen mitbringen. Ich mache Kampfsport, gehe boxen und wie viele andere ins Fitnessstudio. Es gibt auch schmächtige Typen, die sind dafür unglaublich robust.
Welche Momente aus Ihrer Zeit als Hooligan sind hängengeblieben?
Spiele gegen den Karlsruher SC waren beispielsweise immer besonders exzessiv, die hatten früher eine riesige Szene. Es gab dieses eine Spiel gegen Karsruhe, als unser Stürmer Souleyman Sané dem KSC-Keeper Alexander Famulla fast das Ohr abgetreten hätte (7. Spieltag der Saison 1988/89, d. Red.). Danach war im Städtischen Stadion die Hölle los. Zwei Wochen später musste Nürnberg zum Pokalspiel in den Wildpark. So eine aggressive Stimmung, wie bei diesem Spiel, habe vorher und nachher nie wieder erlebt. An jeder Ecke hat es geknallt. Ähnliches habe ich in Köln erlebt, bei einer Hauerei mit den Hertha-Fröschen aus Berlin oder in Dresden, als ich mir den Arm gebrochen habe.
Inzwischen gehört Gewalt im Stadion durch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen der Vergangenheit an. Die Prügeleien haben sich auf Wald und Wiesen verlagert.
Das ist jetzt so, richtig. Aber Anfang des neuen Jahrtausends war die Szene ziemlich tot. Früher konntest Du Dich im Stadion prügeln und nichts ist passiert. Ich bin zwar ab und zu noch dabei, aber auf diese Wald- und Wiesen-Sache habe ich eigentlich keine Lust. Das hat mit Fußball nun wirklich nichts mehr zu tun und Fußball gehört für mich dazu, mit allem Drum und Dran. Ich will mich doch nicht jedes Wochenende in irgendeinen Wald stellen.
Sind Sie generell eigentlich ein eher aggressiv veranlagter Mensch?
Das ist wohl so, ja. Auch heute noch, als zweifacher Familienvater und Beamter, kann es schnell sein, dass ich nach ein paar Bieren und dummen Sprüchen die Fäuste sprechen lassen will. Scheinbar bin diesbezüglich wirklich anders veranlagt als andere Menschen. Früher waren die Schlägereien beim Fußball mein Ventil, heute muss ich einfach versuchen mich auch mal zu beherrschen. Auch wenn die Gefahr groß ist, dass rot sehe und alles um mich herum vergesse.
Sind Sie sich eigentlich irgendeiner Schuld bewusst?
Nein. Natürlich ist es nicht schön, wenn es unschuldige Opfer gibt, aber auf dieses Problem finde ich keine wirkliche Antwort. Was wir machen ist Sport. Andere gehen zum Kegeln. Ich prügele mich beim Fußball.
*Name von der Redaktion geändert
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