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Eck­hard Krautzun, wo haben Sie Alex Fer­guson ken­nen­ge­lernt?
Auf einem Trai­ner­se­minar in Eng­land vor 38 Jahren. Ich wollte mich fort­bilden und den eng­li­schen Trai­ner­schein machen. Eng­land und Schott­land haben mich schon immer fas­zi­niert, seit ich mit 16 Jahren im Rahmen eines Schü­ler­aus­tau­sches auf die Insel kam. Später stu­dierte ich Eng­lisch und bis heute inter­es­siert mich die eng­li­sche und schot­ti­sche Geschichte.

Und ver­mut­lich auch der Fuß­ball.
In den bri­ti­schen Fuß­ball habe ich mich damals gleich ver­guckt. Dieses Tempo und diese Inten­sität waren ein­zig­artig. Also bewarb ich mich für die Aus­bil­dung und fuhr nach Eng­land. Zwi­schen Sport­plätzen und Semi­nar­räumen in Lil­le­shall und Bisham Abbey lernten Alec und ich uns kennen. Wir waren damals noch junge Kerle, umgeben von Legenden wie Bill Shankly und dem lang­jäh­rigen Chelsea-Trainer Dave Sexton.

Wie lernt man sich dann kennen? Bei einem Referat über das Für und Wider von Gegen­pres­sing“?
Wir haben uns Witze erzählt. Ich habe sämt­liche mir bekannte Schotten-Witze aus­ge­packt, er lachte sich über jeden Gag halbtot. Wir mochten uns auf Anhieb. Nach einem wei­teren Schotten-Spruch sagte er zu mir: Dann komm doch mal zu uns und ich zeige dir, wie wir wirk­lich leben.“ Ich fuhr nach Glasgow, und er nahm mich erstmal mit zum Trai­ning seiner dama­ligen Mann­schaft FC St. Mirren. Fritz“ – so nannte er mich – Fritz ist ein Gast aus Deutsch­land und wird heute mal die Übungen leiten!“ Im strö­menden Regen gab ich mein Debüt als Trainer einer schot­ti­schen Mann­schaft.

Konnten Sie den Spie­lern eine kleine Kost­probe Ihrer Fähig­keiten geben?
Alec erin­nert sich bis heute daran: The crazy german – he started with diving hea­ders!“ Das Wetter war ideal für Flug­kopf­bälle, aber ich hatte ver­gessen, dass Fuß­bälle auf der Insel deut­lich härter auf­ge­pumpt wurden als bei uns. Seine Spieler dürften mich noch lange in Erin­ne­rung behalten haben.

Wie fiel das Urteil Ihres neuen Freundes aus?
Ich ließ ja nicht nur Flug­kopf­balle trai­nieren, son­dern streute auch Ele­mente ein, die ich von meinem Lehrer Hennes Weis­weiler bei­gebracht bekommen hatte. Fünf gegen zwei, vier gegen zwei, schnelles Spiel, der Ball immer in Bewe­gung – das hat Alec sehr fas­zi­niert. Er wollte mehr über Weis­weiler wissen, also ver­schaffte ich ihm später eine Hos­pi­ta­tion bei Borussia Mön­chen­glad­bach.

Und nach dem Trai­ning fuhren Sie wieder nach Hause?
Nein, anschlie­ßend wurde ich Zeit­zeuge der schot­ti­schen Gast­freund­schaft. Zunächst wärmten wir uns mit einem Whisky auf, dann trafen wir uns mit seiner Frau Cathy in einem Restau­rant. Es gab die schot­ti­sche Spe­zia­li­täten Haggis und Black Pud­ding.

Blut­pud­ding und Schafs­in­ne­reien…
Ach, ich war als Nach­kriegs­kind ja kuli­na­risch eini­ger­maßen abge­härtet. Wer einmal geba­ckene Leber­wurst gegessen hat, wird auch Haggis über­stehen. Obwohl ich sagen muss, dass der Black Pud­ding schon eine Her­aus­for­de­rung war… Aber der Whisky hat dabei geholfen.

Wie haben Sie in den Jahren danach den Kon­takt gepflegt?
Wir haben regel­mäßig mit­ein­ander kom­mu­ni­ziert, auch auf beruf­li­cher Ebene. Vor den Vier­tel­fi­nal­spielen im Euro­pa­pokal der Pokal­sieger 1983 scou­tete ich für seine dama­lige Mann­schaft aus Aber­deen den FC Bayern.

Der FC Aber­deen zog durch das 0:0 im Hin­spiel und den 3:2‑Sieg im Rück­spiel ins Halb­fi­nale ein und gewann später den Wett­be­werb. Der Grund­stein für die inter­na­tional so erfolg­reiche Kar­riere von Alex Fer­guson. Was haben Sie ihm damals ver­raten?
Die Bayern spielten damals noch mit Libero, anders als in Eng­land oder Schott­land, wo längst mit der Vie­rer­kette agiert wurde. Ich beob­ach­tete einige tak­ti­sche Ein­zel­heiten in der Mün­chener Defen­sive und im Spiel­aufbau, er konnte mit diesen Details ganz offen­sicht­lich etwas anfangen.

»» Die Kar­riere von Alex Fer­guson in Bil­dern!

1986 über­nahm Fer­guson Man­chester United – der Beginn einer Ära. Wurden Sie von da an zum United-Fan?
Das war ich schon längst. Wie sich der Klub nach dem tra­gi­schen Flug­un­glück der Busby-Babes wieder auf­rich­tete, das hatte mir sehr impo­niert. Dass ein guter Freund nun plötz­lich Trainer dieses von mir bewun­derten Klubs wurde, hat meiner Zunei­gung natür­lich nicht geschadet.

Als deut­scher United-Fan müssen Sie bei den vielen inter­na­tio­nalen Begeg­nungen mit Bun­des­li­gisten in den ver­gan­genen Jahren häufig im Zwie­spalt gewesen sein.
Stimmt. Ich erin­nere mich beson­ders an das letzte Auf­ein­an­der­treffen zwi­schen Man­chester und den Bayern im Cham­pions-League-Vier­tel­fi­nale 2010. Als Arjen Robben mit seinem Traumtor das Aus­scheiden von United besie­gelte, wusste ich wirk­lich nicht, ob ich mich jetzt freuen oder ärgern sollte.

Sie waren damals im Sta­dion – mussten Sie Ihren Freund anschlie­ßend trösten?
Alec reagierte auf das Aus­scheiden, wie er es immer nach großen Nie­der­lagen machte: Er setzte sich in seine Kabine und öff­nete eine gute Fla­sche Rot­wein. Er lud mich dazu ein.

Wir stellen uns vor, wie ein vor Wut schäu­mender Alex Fer­guson zum Frust­saufen ansetzt.
Oh, da kennen Sie ihn aber schlecht. Ich kenne wirk­lich keinen anderen Trainer, der so schnell eine Nie­der­lage ver­dauen kann wie Alec. Ich habe früher Tage gebraucht, um nega­tive Dinge abzu­haken, er macht das in wenigen Minuten. Also saßen wir da und tranken ganz in Ruhe unser Glas. Am nächsten Tag nahm er mich mit auf die Renn­bahn, er ist bekann­ter­maßen ein großer Pfer­de­freund, besitzt selbst sehr erfolg­reiche Renn­pferde und han­tierte früher nach jedem Trai­ning an seinem Handy, um die aktu­ellsten Wett­quoten abzu­fragen. Er setzte auch an diesem Tag Geld auf eines seiner Tiere und gewann einen enormen Betrag.

Gab er Ihnen etwas von dem Gewinn ab?
(lacht) Nein. Dazu ist er dann doch zu sehr Schotte!

Sie spra­chen vorhin von seinem Humor – ist er wirk­lich so ein Spaß­vogel?
Absolut! Ich erin­nere mich, wie er mich bei einem meiner Besuche in Man­chester zur Seite nahm und sagte: Du sprichst doch sehr gut Eng­lisch, Fritz. Jetzt nimmst du dir diesen weißen Kittel, gehst zu den Wasch­frauen und sagst, du kämest vom Gesund­heitsamt.“ Ich zog den Kittel an und mar­schierte zu den Wasch­frauen. Mit so viel Ernst­haf­tig­keit wie mög­lich erklärte ich den Damen, dass in letzter Zeit erstaun­lich viel Schaum und gif­tige Abwasser aus dem Wasch­raum von Man­chester United in die Kana­li­sa­tion fließe und die Stadt den Laden jetzt erstmal dicht machen werde. Alec stand hinter der Tür und hat sich kaputt gelacht!

Wor­über haben Sie sich mal gestritten?
Das ist bis­lang sehr selten pas­siert. Kri­ti­siert habe ich ihn im Früh­jahr 2012, als Man­chester meiner Mei­nung nach zu behäbig spielte und zu langsam von Abwehr auf Angriff umschal­tete. Kritik lässt er sich gene­rell nur sehr ungern gefallen, also lud ich ihn zum Pokal­fi­nale zwi­schen Dort­mund und den Bayern nach Berlin ein. Er brachte seine Assi­tenz­trainer mit, saß beim 5:2‑Sieg der Dort­munder auf der Tri­büne – und war so begeis­tert vom schnellen Spiel der Dort­munder, dass er das pol­ni­sche Trio Lewan­dowski, Piszcek und Blaszc­zy­kowski am liebsten vom Fleck weg ver­pflichtet hätte. Statt­dessen holt er Shinji Kagawa nach Eng­land, den hatte ich ihm schon Wochen vorher emp­fohlen.

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In seiner jüngst erschienen Bio­grafie geht Fer­guson mit einigen seiner ehe­ma­ligen Spieler hart ins Gericht. David Beckham oder Roy Keane werden harsch kri­ti­siert. Haben Sie jemals über solche Pro­blem­fälle“ gespro­chen?
Nach dem berühmten Schuh­wurf in der Kabine gegen David Beckham rief Alec mich an. Der bloody idiot“ habe ihm den Schuh sogar noch zurück­ge­schossen! Beckham fiel wie Roy Keane, Ruud van Nis­tel­rooy oder Jaap Stam auch des­halb bei Fer­guson in Ungnade, weil er ihm irgend­wann nicht mehr loyal erschien. Und wer es an Loya­lität und Ein­satz missen ließ, der hatte bei ihm keine Chance mehr, egal, wie groß der Name war. Des­halb ist auch aktuell ein so großer Bewun­derer von Uniteds Abwehr­chef Nemanja Vidic: Der war zu 100 Pro­zent loyal und hat sich selbst nach schlimmsten Ver­let­zungen wieder zurück in die Mann­schaft gekämpft. Solche Typen schätzt er unge­mein.

Auch Super­star Wayne Rooney bekommt im Buch sein Fett weg. Der Stürmer wird als nicht unbe­dingt hellste Kerze am Baum beschrieben.
Ich bin mir sicher: Wenn Alex Fer­guson Trainer bei Man­chester United geblieben wäre, hätte Rooney den Klub längst ver­lassen müssen. Alec hatte Rooney auf dem Kieker, weil dessen Fit­ness­werte in der jün­geren Ver­gan­gen­heit immer schlechter geworden waren, was er auf einen nega­tiven Lebens­wandel Roo­neys zurück­führte. Wie gesagt, für ihn ist nie­mand größer als Man­chester United. Wenn er glaubt, dass ein Spieler dem Klub eher schadet als nützt, kann er sehr rabiat sein.

Fer­guson hat mit Man­chester United nahezu jeden Titel gewonnen, den es im Welt­fuß­ball zu gewinnen gibt. Was hat ihn so stark gemacht?
Da gibt es so viele posi­tive Eigen­schaften, ich möchte mich auf zwei beschränken. Zum einen seine Mensch­lich­keit, seine Inte­grität. Er ist sich in all den Jahren wirk­lich immer treu geblieben, war sehr vor­sichtig gegen­über anderen Men­schen, aber wenn er ihnen ver­traute, hat er sich auch auf sie ver­lassen, und man konnte sich zu 100 Pro­zent auf ihn ver­lassen. Außerdem war er selbst im hohen Trai­ne­ralter noch immer offen für neue Ent­wick­lungen zum Wohle seines Klubs. Er hat seine Leute zu allen großen Klubs geschickt, um zu erfahren, ob es bei diesen Ver­einen nicht Dinge gibt, die es sich abzu­schauen lohnt. Das konnten selbst kleinste Details sein. Von den Bayern hat United bei­spiels­weise deren Heiz­me­thode über­nommen, um nasse Fuß­ball­schuhe zu trocknen. Stück für Stück hat er Man­chester zu einem der größten Ver­eine der Welt auf­ge­baut.

Ver­raten Sie uns noch das Geheimnis, wie Fer­guson 1999 in letzter Sekunde die Bayern schlagen konnte?
Darauf hatte selbst ein Trainer seines For­mats keinen Ein­fluss, er wurde wie wir alle von den Ereig­nissen über­wäl­tigt. Ich weiß aber noch, wie er mich nach dem Spiel zur Seite nahm und sagte: Warum wollte Mat­thäus unbe­dingt vom Platz? Meinen Kapitän hätte ich in dieser Situa­tion nie im Leben vom Feld gehen lassen!“