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Dieses Inter­view erschien erst­mals im Jahr 2014 in 11FREUNDE #147. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhält­lich.

Helmut und Erwin Kre­mers, Sie wurden 1949 in Mön­chen­glad­bach geboren. Wieso sind Sie kein Teil der legen­dären Foh­len­ge­schichte?
Helmut Kre­mers: Das hatte weniger sport­liche als finan­zi­elle Gründe.
Erwin Kre­mers: Es gab Krach mit Helmut Gras­hoff, dem Geschäfts­führer. Trainer Hennes Weis­weiler war ziem­lich wütend, als wir den Verein ver­ließen.

Welche Erin­ne­rungen haben Sie an Weis­weiler?
Erwin: Ein toller Trainer, nur dass man mit ihm nicht dis­ku­tieren konnte. Aber das passte zur dama­ligen Zeit.
Helmut: Als 18-Jäh­riger hab ich ein paar Spiele als Libero gemacht und gar nicht mal schlecht. Da hab ich gedacht, ich darf in der Mann­schafts­be­spre­chung auch mal den Mund auf­ma­chen. Das Theater hätten Sie erleben müssen.
Erwin: Ich war immer ein ganz toller Kopf­ball­spieler, der nie einen bekommen hat und da auch nicht hin­ge­gangen ist. Weis­weiler hat gesagt: Wenn du ein Kopf­balltor machst, bekommst du 100 Mark von mir.“ Wie der Zufall es wollte, habe ich im nächsten Spiel tat­säch­lich eines gemacht, von Weis­weiler danach aller­dings nichts mehr gehört. Nun waren wir Brüder immer ziem­lich frei raus, also habe ich den Trainer darauf ange­spro­chen. Da knurrte er: Pass auf, du bist ange­schossen worden, für so einen Scheiß kriegst du keine Mark!“

Sie sind dann über Offen­bach 1971 auf Schalke gelandet.
Erwin: Wir hatten damals viele Mög­lich­keiten, inner­halb der Bun­des­liga zu wech­seln. Aber in Schalke haben wir ein Team vor­ge­funden, das per­spek­ti­visch Spit­zen­klasse war, mit Fischer, Rüss­mann und Lüt­ke­boh­mert. Leider kam der Bun­des­li­ga­skandal dazwi­schen. Wenn der nicht gewesen wäre, hätte dort Großes ent­stehen können.

Nach dem Bun­des­li­ga­skandal spielten Jungs bei uns mit, die kannten wir gar nicht“

Helmut Kremers

In den Bestechungs­skandal, der sich auf die Vor­saison bezog, waren die meisten Ihrer Mit­spieler ver­wi­ckelt. Die Wahr­heit kam erst nach und nach ans Tages­licht. Wie muss man sich die dama­lige Atmo­sphäre inner­halb der Mann­schaft vor­stellen?
Helmut: Furchtbar. Wenn wir uns eigent­lich auf ein Spiel vor­be­reiten wollten, haben sich die betrof­fenen Jungs zusam­men­ge­setzt und dar­über dis­ku­tiert, was alles pas­sieren könnte, von lebens­läng­li­chen Sperren bis hin zu Gefäng­nis­strafen. Man kann sich gar nicht vor­stellen, mit wel­chem Druck die umgehen mussten. Inso­fern war es ein kleines Wunder, dass wir 1972 immerhin Vize­meister geworden sind.

Haben Sie denn nichts von Bestechungen mit­be­kommen? Kickers Offen­bach war doch auch darin ver­strickt.
Helmut: In Offen­bach direkt nicht. Aber mit Arminia Bie­le­feld haben wir mal was erlebt. Von dort hat uns einer ange­rufen, der in der Presse später Mister X“ hieß.
Erwin: Mit dem hatten wir einen Termin an der Rast­stätte Meden­bach. Dort wurden uns tolle Dinge ange­boten, wenn wir nach Bie­le­feld wech­seln.
Helmut: Autos, eine Woh­nung.
Erwin: Dann kamen sie damit raus: Das bedingt aber, dass wir am Wochen­ende bei euch gewinnen.“ Das ging so weit, dass sie uns Blan­ko­schecks hin­legten: Wenn wir gewinnen, könnt ihr den Betrag selbst ein­tragen.“ Wir haben die Schecks lie­gen­lassen und gedacht, das wäre ein Ein­zel­fall.

Statt­dessen wurde der Bun­des­li­ga­skandal zur Zer­reiß­probe für den deut­schen Fuß­ball und Ihre Schalker Mann­schaft kom­plett gesprengt.
Helmut
: Im Jahr darauf spielten Jungs bei uns mit, die kannten wir gar nicht.

Wo kamen die her?
Helmut: Aus der Ama­teur­ab­tei­lung.
Erwin: Dass wir in dem Jahr in der Bun­des­liga geblieben sind, war der größte Erfolg über­haupt.

Teil­weise wussten die Spieler gar nicht, dass es für die Nie­der­lage Geld gab“

Helmut Kremers
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Sie beide waren mitt­ler­weile Natio­nal­spieler. Fühlten Sie sich nicht im fal­schen Film?
Erwin: Das schon, wobei man sagen muss, dass der Zusam­men­halt inner­halb der Mann­schaft enorm war. Zu Fischer, Abramczyk oder Nigbur haben wir heute noch einen tollen Kon­takt, der mitt­ler­weile leider ver­stor­bene Rolf Rüss­mann war ein enger Freund.
Helmut: Die meisten in den Skandal ver­wi­ckelten Jungs waren kaum 20 Jahre alt. Und sie haben Fehler begangen, aus Kame­rad­schaft. Bei Arminia Bie­le­feld gab es einen Ex-Schalker namens Slo­miany, dem sie helfen wollten. Teil­weise wussten die Spieler gar nicht, dass es für die Nie­der­lage Geld gab. Auf einmal hieß es: Wir treffen uns heute Abend am Löwen­park, da gibt es Geld zu ver­teilen.“

Vier Jahre nach dem Skandal ist Schalke wieder Vize­meister geworden. Wie war das mög­lich?
Erwin: Zum einen wurden die gesperrten Spieler nach und nach begna­digt. Zum anderen hat es geholfen, dass Max Merkel als Trainer ent­lassen wurde.
Helmut: Durch mich. (Lacht.) Wir hatten ja so einige Trainer, aber mit dem sind wir über­haupt nicht klar­ge­kommen. Der hat es geschafft, eine intakte Mann­schaft kom­plett durch­ein­an­der­zu­bringen. Uns konnte er über­haupt nicht leiden, zu allem Über­fluss wohnte er mit uns in einem Haus. In einem Inter­view habe ich gesagt: Ich gehe davon aus, dass der Max Merkel die Müll­eimer raus bringt.“ Das sollte ein Scherz sein, aber da war der schon sauer ohne Ende. Einmal wurden über Nacht seine Reifen geklaut: Auto auf­ge­bockt und Reifen weg! Am nächsten Morgen saß er in seinem Auto und wollte zum Trai­ning. Ich bin dran vorbei, hab gelacht, mich in mein Auto gesetzt und bin los. Wir haben den nicht mit­ge­nommen.
Erwin: Im Nach­hinein hat er gesagt, wir wären das gewesen. Dabei kann ich gar keine Reifen wech­seln.
Helmut: Das waren Kämpfe. Einmal hat er mich zu sich gerufen und gesagt: Sie ver­dienen so viel Geld, Sie müssten zehn Kilo­meter mehr laufen.“ Darauf hab ich geant­wortet: Trainer, wenn Sie finan­zi­elle Schwie­rig­keiten haben, dann sagen Sie doch Bescheid!“

Erwin, Sie mussten bereits mit 28 Ihre Kar­riere beenden.
Erwin: Ich habe mir in einem Bun­des­li­ga­spiel einen kom­pli­zierten Mus­kel­riss zuge­zogen. Damals wurde man als Stürmer von der ersten bis zur letzten Minute getreten. Da ist kein Schieds­richter dazwi­schen­ge­gangen.