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Wolf­gang Kneib, haben Sie eigent­lich Ihre vio­lette Jog­ging­hose noch?
Ach ja, die Jog­ging­hose. Die hatte ich wäh­rend der Bie­le­felder Jahre oft an, zunächst aus ganz prak­ti­schen Erwä­gungen. Damals wurde ja nicht nach jedem Spiel der Rasen vor dem Tor neu ein­gesät, als Keeper warf man sich als Tor­hüter auch mal auf die blanke Erde.

Sie haben mehr als ein Jahr­zehnt in Bie­le­feld gespielt und gelten als ost­west­fä­li­sches Urge­stein. Dabei spre­chen Sie rhein­hes­si­schen Akzent.
Wie man spricht, wenn man aus der Gegend von Mainz stammt. Ich hab beim TSV Zorn­heim ange­fangen und wech­selte dann zu Mainz 05.

Haben Sie sich wie viele Tor­hüter zunächst im Feld ver­sucht?
Nein, ich stand ziem­lich schnell im Tor. Das war damals so: Die großen Dünnen und die kleinen Dicken wurden in den Kasten geschickt. Und ich war schon damals in jeder Alters­klasse einen Kopf größer als meine Mit­spieler. Als ich in der Jugend in die Süd­west­aus­wahl berufen wurde, habe ich dann begriffen, dass ich auf dem Weg war, ein ganz guter Tor­wart zu werden.

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Wolf­gang Kneib als junger Tor­wart von Mainz 05.

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Fuß­ball war damals keine Lebens­auf­gabe.
Dafür ver­diente man viel zu wenig. Als 18-Jäh­riger wurde ich ins Regio­nal­li­ga­team von Mainz 05 hoch­ge­zogen. Heute würde das wahr­schein­lich für den Lebens­un­ter­halt rei­chen. Damals war klar, dass ich nebenher arbeiten würde. Die meisten meiner Schul­ka­me­raden lernten Bank­kauf­mann. Da wollte ich mich ein biss­chen absetzen und habe eine Aus­bil­dung zum Kauf­mann bei der Eisen­bah­ner­ver­si­che­rung DEVK gemacht. Später habe ich dann halb­tags bei Blendax gear­beitet, dem Haupt­sponsor von Mainz 05.

Der Klub von damals hat mit dem heu­tigen Mainz 05 nicht mehr viel zu tun.
Welche Ent­wick­lung dieser Verein genommen hat, ist wirk­lich erstaun­lich. Die Stadt hat zwar eine grö­ßere Fuß­ball­tra­di­tion als bei­spiels­weise Wies­baden, trotzdem war eine solche Pro­fes­sio­na­li­sie­rung für mich unvor­stellbar. Neu­lich hat sich die Regio­nal­li­ga­truppe von 1972 noch mal getroffen. Gemeinsam waren wir dann auch im Sta­dion gegen den Ham­burger SV. Das ist mit dem alten Bruchweg mit seinen schmalen, san­digen Tri­bünen über­haupt nicht mehr zu ver­glei­chen.

Wenn Sie sich als Keeper cha­rak­te­ri­sieren: Benennen Sie doch Ihre Stärken und Schwä­chen.
Durch meine Kör­per­größe fiel mir natür­lich die Straf­raum­be­herr­schung leicht. Wich­tiger war aller­dings mein Cha­rakter. Ich bin ja eher ein beson­nener Typ. Die Ruhe, die ich gerade in brenz­ligen Situa­tionen aus­ge­strahlt habe, hat meinen Vor­der­leuten Sicher­heit gegeben. Und die Schwä­chen? Früher hieß es immer, der Lange kommt bei fla­chen Bällen nicht schnell genug runter. Aber das war Quatsch. Pro­bleme habe ich nur bekommen, als ich mal länger auf der Ersatz­bank gesessen habe. Jeder Tor­wart braucht Spiele, um sich sicher zu fühlen.

Udo Lattek kam zu mir und meinte, er wolle mich als zweiten Tor­wart ver­pflichten“

Hatten Sie ein Vor­bild als Keeper?
Nein. Ich habe mich nie an anderen Tor­warten ori­en­tiert. Bei Mainz 05 stand damals Pla­nitzer im Tor. Von dem hab ich mir das eine oder andere abge­schaut.

Das Aben­teuer Pro­fi­fuß­ball endete für Mainz 05 depri­mie­rend.
In der Tat, der FSV gab als erster Klub wegen finan­zi­eller Pro­bleme die Lizenz zurück. Ich hab ver­sucht, woan­ders unter­zu­kommen, und hätte nach Darm­stadt wech­seln können. Aber die konnten die Ablö­se­summe nicht zahlen, die spielten damals auch nur vor 2000 Zuschauern. Am Ende ließ ich mich rea­m­a­teu­ri­sieren, hatte dann auch Familie, fing wieder an, als Ver­si­che­rungs­kauf­mann zu arbeiten und kickte nebenher in Wies­baden. Mit dem Pro­fi­fuß­ball hatte ich da schon abge­schlossen – mit 22 Jahren.

Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte, dass Sie fünf Jahre später den UEFA-Cup in die Luft recken würden, hätten Sie ihn sicher für ver­rückt erklärt.
Damit war nicht zu rechnen. Ich habe mich ja ent­schieden gewehrt. Wie es aber der Zufall wollte, ließ der Natio­nal­spieler Bernd Rupp bei meinem Klub in Wies­baden seine Kar­riere aus­klingen. Der ver­stand über­haupt nicht, warum ich schon so früh die Flinte ins Korn geworfen hatte, und wollte mir ein Pro­be­trai­ning in Mön­chen­glad­bach besorgen, wo Natio­nal­keeper Wolf­gang Kleff im Tor stand. So gut wie der Kleff bist du auch“, hat der Bernd immer gesagt.

Die Aus­sicht, bei einem Spit­zen­klub zu spielen, muss Sie doch elek­tri­siert haben.
Natür­lich. Nur rea­lis­tisch betrachtet würde ich als zweiter Tor­hüter hinter Kleff zwei Jahre auf der Bank sitzen. Wie gesagt, ich hatte inzwi­schen Familie und wieder in meinem alten Job ange­fangen. Nun wieder alle Zelte abzu­bre­chen und nach den zwei Jahren womög­lich keine Anstel­lung mehr zu finden, war mir anfangs zu heikel.

Am Ende hatte er Sie weich­ge­klopft.
Ich hab an einem Dienstag in Glad­bach mit­trai­niert, danach kam Udo Lattek zu mir und meinte, er wolle mich als zweiten Tor­wart ver­pflichten. Er wollte mich aber vorher noch in einem Meis­ter­schafts­spiel mit meiner Wies­ba­dener Mann­schaft beob­achten. Am Wochen­ende danach kickten wir sonn­tags vor 200 Zuschauern gegen die Reserve von Ein­tracht Frank­furt, und Lattek hockte auf der Tri­büne. Das gab natür­lich ein großes Rät­sel­raten, wen der sich wohl anschaut. Abends rief er dann an und ver­kün­dete, dass ich am fol­genden Dienstag nach Mön­chen­glad­bach kommen und einen Ver­trag unter­schreiben solle.