Benjamin Griffey, dein Verein, Arminia Bielefeld, stieg als Tabellenletzter aus der 2. Liga ab. Dazu kamen finanzielle Probleme. Wie sehr hat dich der Niedergang geschmerzt?
Benjamin Griffey: So stumpf und dumm das klingt, aber ich finde, dass es an der Zeit ist, alles endlich mal so richtig kaputtgehen zu lassen, damit man den Verein neu aufbauen kann. Aber selbst in der dritten Liga sträuben sich die Verantwortlichen noch dagegen. Das ist mir, auch wenn ich nur Laie bin, unverständlich.
Du kennst dich bei der Arminia nicht aus?
Benjamin Griffey: Nicht mehr. Das letzte Mal im Stadion war ich vor Ewigkeiten, als die legendäre Stehtribüne aus Stahlrohr, auf der ich stand, dichtgemacht wurde. Wir fühlten uns durch den Abriss schwer in unserem 15-Mann-Guerilla-Fantum angegriffen! Diese Tribüne und das Stadion vor seinem Umbau spiegelten immerhin all das, was die Arminia ausmacht: Der Verein der kleinen Leute zu sein, der Verein, zu dem jeder kommen kann, der Verein mit dem Stadion, das zu drei Vierteln aus Stehplätzen besteht. Als die Tribüne weg war, wollte ich auch nicht mehr hin. Arminia-Fan bin ich trotzdem geblieben. Sowas vergeht nicht.
Du bist in Bösingfeld bei Extertal geboren. Da scheint eine Fanliebe zu Arminia Bielefeld vorprogrammiert, schon mangels guter Alternativen in der Region.
Benjamin Griffey: Naja, man kann auch zum VfB Fichte gehen, aber sonst steht die Arminia allein auf weiter Flur. Fußballbegeistert war ich schon als Kind. Beim FC Oberes Extertal wurde ich als Mittelstürmer Vereinsschützenkönig in der D‑Jugend. Eines Tages nahm mich mein Stiefvater mit auf die Alm. Es war das letzte Spiel in der Regionalliga, Bielefeld stand schon als Aufsteiger fest, der Gegner hieß Eintracht Trier (05.06.95, d. Red.), am Ende stand ein Remis, 1:1. Ich erinnere mich, weil es tatsächlich mein erstes Erlebnis live im Stadion war. Der Aufstiegstaumel und die Faszination der lokalen Nähe haben mich begeistert. Ich konnte mich mit dem Verein identifizieren.
Eine Dauerkarte hattest du aber nie?
Benjamin Griffey: Ich wollte mir immer eine holen, nur lief der Vorverkauf zu schnell. Es hieß immer: Achtung, Leute, Dauerkarten gibt es ab … jetzt. Und ich dann: Wie, jetzt? Jetzt habe ich aber gerade kein Geld. Später waren alle Saisontickets natürlich schon vergriffen.
Vielleicht schenkt dir die Arminia ja bald eine Dauerkarte. Dein Album ist auf Platz 1 der Charts eingestiegen, du wirst von den Feuilletons als Retter des deutschen Rap gefeiert. Die Vereine schmücken sich eigentlich gerne mit prominenten Fans.
Benjamin Griffey: Dazu existiert eine lustige Anekdote. Vorletzte Woche hatte ich einen Interviewmarathon und saß auch bei 1Live. In der Sendung habe ich meinem Frust Luft gemacht. Dass sich der Verein gefälligst mal bei mir melden und mir eine Dauerkarte geben soll, immerhin bin ich seit Jahren der Erste aus Bielefeld, der so richtig was reißt! Noch dazu habe ich eine Verbindung zur Arminia, ich stand in der Kurve und habe ein Lied getextet, das auch gespielt wird im Stadion.
Trotzdem noch keine Dauerkarte aus dem Briefkasten gefischt?
Benjamin Griffey: Das nicht, aber vorhin hat sich Arminia Bielefeld bei meinem Manager gemeldet. Die wollen mit mir reden. (lacht) Hoffentlich werben sie mich an.
Dein Bielefeld-Lied heißt „Eines Tages“, du singst davon, „eines Tages an der Spitze zu stehen“. Davon ist die Arminia weiter entfernt denn je.
Benjamin Griffey: Weiter heißt es, „nach all den bitteren Jahren endlich wieder auf den Sitzen stehen.“ Das ist natürlich wahnsinnig pathetisch, klar. Aber es passt. Arminia ist mein St. Pauli.
Das musst du erklären.
Benjamin Griffey: Alle hauen immer drauf: Bielefeld, geht ja gar nicht! Was, du bist Arminia-Fan? Dazu kommen diese Running Gags, die Stadt gebe es ja eigentlich gar nicht. Es erfordert also Mut und Leidensfähigkeit, Arminia-Fan zu sein und Woche für Woche auf den Deckel zu kriegen. Jeder kann Fan vom FC Bayern sein. Das ist einfach, das ist wie für Musik ins Geschäft gehen und sich Lady Gaga oder Unheilig kaufen – Platten, die es überall gibt, im Zweifelsfall auch bei Marktkauf.
Arminia Bielefeld besetzt also eine Nische?
Benjamin Griffey: Es ist eher so, dass die Arminia unter dem Radar fliegt. Wenn die Leute vor der Sportschau sitzen und als nächstes Spiel wird Bielefeld angekündigt, stöhnen alle kollektiv und schalten weg. Als Fan kann man das und den Verein nur ertragen, wenn man den coolen Bielefelder Galgenhumor kultiviert. Sobald Arminia in Führung geht, dreht sich die Mehrheit der Fans zum Nachbar und sagt: Wetten, das Ding verlieren wir noch … Ich liebe das.
Nicht ohne Grund gilt Arminia Bielefeld als die Fahrstuhlmannschaft schlechthin. Der Verein pendelte jahrelang zwischen erster und zweiter Liga.
Benjamin Griffey: Andererseits ist es aber auch sehr sympathisch, wie absurd alle am Rad drehen, wenn es mal gut läuft. Es gab die Saison 1996/97, als Arminia sehr stark in die Rückrunde startete, die ersten Spiele gewinnen konnte und oben dran war. Da kamen die Leute massenhaft ins Stadion, man wollte Ernst Middendorp sofort einen unbefristeten Vertrag geben und bastelte Meisterschalen aus Alufolie. Acht Wochen später ging es gegen den Abstieg. (lacht) Sowas finde ich wunderbar, weil es sehr menschlich ist.
Wie sehr ist Fußball denn Thema in der HipHop-Szene?
Benjamin Griffey: Marteria ist bekanntermaßen Hansa-Fan, der kann dir alles zu allem sagen, der kennt jede Statistik. Und wenn du mit dem ein Spiel schaust, dann wird der richtig wütend. Bei der WM war das kein Spaß. Ich musste auf ihn einreden,„Ey, Marten, du musst dich beruhigen“, das war fast schon gefährlich. Davon abgesehen ist auf Tour das Hochhalten ganz groß. Hat man mal zwei, drei Stunden Pause hat und es liegt ein Ball in der Nähe, wird mitgezählt.
Und, was könnt ihr am Ball?
Benjamin Griffey: Unser Rekord liegt bei zwölf. Wir sind die grobmotorischsten Idioten auf Erden.
Die Verbindung von Rap und Fußball funktioniert in beide Richtungen. Junge Profis sieht man mit riesigen Kopfhörern, designt von Dr. Dre, aus dem Bus steigen. Und wo früher Schlager und Rock vor dem Spiel gehört wurden, diktiert heute der HipHop die Kabinen. Warum?
Benjamin Griffey: Es ist ja so, dass Fußball nicht unbedingt die ganz Intellektuellen anzieht, genau wie HipHop in der breiten Masse auch nicht nur von Intellektuellen bestimmt wird. Also geht das miteinander einher. Noch dazu ist Rap als Jugendkultur angekommener denn je, fast schon Konsens. Vorher hat es das nie gegeben, deshalb kann man das jetzt auch in der Kabine auflegen. Es ist eine Mischung aus Sozialisation und Zeitgeist.
Letzte Frage: Was geht für Arminia Bielefeld in der nächsten Saison?
Benjamin Griffey: Äh (überlegt) … Wir gewinnen den DFB-Pokal und steigen auf.