Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Babak Rafati, gibt es noch Tabu­themen im deut­schen Fuß­ball?
Selbst­ver­ständ­lich.
 
Welche?
Homo­se­xua­lität. Depres­sionen. Mob­bing. Burnout.
 
Sie selbst waren jah­re­lang erfolg­rei­cher Fifa-Schieds­richter. Vor dem Spiel zwi­schen dem 1. FC Köln und Mainz 05 am 19. November 2011, bei dem Sie als Schieds­richter ange­setzt waren, ver­suchten Sie sich das Leben zu nehmen. Das Spiel wurde abge­sagt, Ihre Kar­riere als Unpar­tei­ischer war vorbei. Anschlie­ßend gaben Sie Depres­sionen als Aus­löser für Ihren Sui­zid­ver­such an, begaben sich in Behand­lung und wurden wieder gesund. Was meinen Sie: Warum werden die Themen Depres­sion, Mob­bing und Burnout in der Bun­des­liga tabui­siert?
Weil das für viele Men­schen etwas Fremdes ist. Und wenn etwas fremd ist, dann will man damit erstmal nichts zu tun haben. Es kostet immer Über­win­dung, sich mit etwas Fremden aus­ein­an­der­zu­setzen. Das gilt in diesem Zusam­men­hang ja nicht nur für den Fuß­ball, son­dern auch für die Gesell­schaft.
 
Ihr Fall hat auf dra­ma­ti­sche Art und Weise gezeigt, zu wel­chen Aus­wüchsen solche Tabui­sie­rungen führen können. Wie geht man dem ent­gegen?
Indem man offen und ehr­lich dar­über spricht. Nehmen wir das Thema Sex. Vor 20, 30 Jahren war Sex in der Gesell­schaft eben­falls ein Tabu. Heute spricht jeder über Sex, ohne sich dabei schämen zu müssen. Ich hoffe, das wird auch irgend­wann beim Thema Depres­sion und Co. so sein. Bloß braucht es dafür Men­schen, die sich hin­stellen, ihr Gesicht zeigen und dar­über spre­chen.
 
Sind Sie ein geeig­neter Kan­didat dafür?
Ich denke schon. Ich sage: Leute, ich habe viel falsch gemacht und dafür die Quit­tung erhalten. Zum Glück bin ich noch hier, um euch mit­zu­teilen, dass ich ein Vor­bild dafür war, wie man es nicht macht.“ Das sehe ich als meine Auf­gabe an: Meine eigene Geschichte zu nutzen, um mit­zu­helfen, diese Feh­ler­kultur in in unserer Gesell­schaft zu ändern.
 
Sie sind gegen­wärtig als Refe­rent und Men­tal­coach in der freien Wirt­schaft unter­wegs. Thema: Prä­ven­tions-Stra­te­gien gegen Burnout“. Wie ist das Feed­back auf Ihre Arbeit?
Wesent­lich auf­schluss­rei­cher, als ich dachte. Schon wäh­rend der Ver­an­stal­tungen sehe ich meinem Publikum an, wie wis­sens­gierig die bei diesen Sachen sind. Und hin­terher kommen regel­mäßig hohe Füh­rungs­kräfte zu mir, bedanken sich und sagen: Vielen Dank, dass sie mir den Spiegel vor­ge­halten haben. Sie haben bewirkt, dass ich mein Leben ändern werde.“ Das ist natür­lich fan­tas­tisch für mich, wenn ich die Men­schen so erreiche. Aber es zeigt auch, wie erschre­ckend ver­breitet Stress, Leis­tungs­druck, Mob­bing, Burnout und Depres­sionen in unserem Arbeits­alltag sind.

Und da reicht ein Vor­trag, um gestresste Manager das eigene Leben über­denken zu lassen?
Bestimmt nicht bei jedem. Aber besagter Spiegel, den ich ihnen vors Gesicht halte, zeigt eine häss­liche Fratze. Ich kann das förm­lich sehen, wie sich in den Köpfen der Zuhörer eine Stimme meldet: Ver­dammte Scheiße, das geht mir ganz ähn­lich.“ Und mit auf­ge­schnit­tenen Puls­adern in der Bade­wanne lie­gend möchte schließ­lich nie­mand enden.
 
Und welche Rat­schläge geben Sie den Zuhö­rern mit auf den Weg, um nicht so zu enden, wie Sie im November 2011?
Ich erzähle Ihnen z.B. vom Spiel zwi­schen dem HSV und Mainz in 2011, als ich den Main­zern ein Tor zuge­stand, was keines war, der HSV verlor und ich anschlie­ßend an den Pranger gestellt wurde. Mit nega­tiven Reak­tionen von Fans und Medien muss man als Schieds­richter klar kommen. Aber in meinem Fall stellt sich auch noch mein Chef auf die Gegen­seite, obwohl den Fehler mein Assis­tent machte. Zitat: Jeder darf Fehler machen. Nur du nicht Babak.“ Damals habe ich den großen Fehler gemacht, diesem Mob­bing den Kampf anzu­sagen. Ich wollte ja Stärke zeigen, mich durch­beißen, das typi­sche Män­ner­ideal. Hätte ich einen kühlen Kopf bewahrt und mir gesagt: Der fühlt sich doch nur stark, wenn er mich schwächt“, wenn ich also eine kleine Nie­der­lage im Sinne meines Wohl­erge­hens akzep­tiert hätte, wäre ich viel­leicht nicht in der Bade­wanne gelandet.