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Das Ach­tel­fi­nale geriet zu einer Demons­tra­tion. Die deut­sche Mann­schaft berauschte sich am eigenen Spiel. Sie kom­bi­nierte, trickste, spielte direkt. One-touch, schnell, schneller und am Ende dieses Geschwin­dig­keits­rau­sches stand ein 4:0, das den Unter­schied zum Gegner aus den USA sehr exakt wider­spie­gelte. Das war aber noch nicht alles. Immer wenn der Ball den Weg ins Netz gefunden hatte, sam­melte sich der deut­sche Nach­wuchs vor der nächsten Kamera. Beim zweiten Treffer imi­tierte er mit Luft­gi­tarre und Mikro eine Rock­band, drei Minuten später, Samed Yesils Schuss lag hinter der Linie, wurde im Schnei­der­sitz die eigene Play­sta­ti­on­manie par­odiert. Die Mann­schaft fei­erte, wie sie spielte: schön und kreativ.

Dass die deut­sche U17-Natio­nal­mann­schaft im fernen Mexiko so stark auf­trumpft, über­rascht manche – weil der Trainer Steffen Freund heißt. Natür­lich hatte auch er als aktiver Fuß­baller etliche starke Spiele. Nur meinte stark bei ihm immer stark im Wort­sinn. Freund war ein phy­si­scher Spieler, der über Kampf­geist, Pfer­de­lunge und den Mut zur Grät­sche aus­glich, was ihm an Witz und Finesse fehlte. Einer, den Reporter reflex­artig solide nannten und auch emsig, ein Arbeiter. You­Tube-Zusam­men­schnitte über Steffen Freund sucht man ver­geb­lich. Als Sechser räumte er für Schalke 04, Borussia Dort­mund und die Tot­tenham Hot­spurs auf. Es waren die grauen Neun­ziger und dies Ver­eine, bei denen sein Malo­chertum geschätzt wurde. Nach seinem Spie­ler­kar­riere hätte man Steffen Freund des­halb durchaus eine emsige Trai­ner­lauf­bahn zuge­traut, in der Regio­nal­liga viel­leicht, bei einem kleinen Klub. Solide eben. Freund aber unter­lief diese Erwar­tungen und fixierte sich auf den Nach­wuchs. Da hat er Erfolg, weil sich der Trainer Steffen Freund vom Spieler Steffen Freund einer­seits eman­zi­piert hat, ihm aber auch treu geblieben ist.

Kein Wider­spruch, nur ein Spagat

Was wie ein Wider­spruch anmutet, ist tat­säch­lich ein Brü­cken­schlag zwi­schen Ver­gan­gen­heit und Zukunft. Die Ent­wick­lung nahm ihren Ursprung im Lehr­gang bei Aus­bilder Frank Wormuth. Hier war Freund einer von 24 Teil­neh­mern, die 2009 ihre Trai­ner­li­zenz bekamen. Steffen war sehr enga­giert im Bereich der Ath­letik und er wollte und will tech­nisch ver­sierten Fuß­ball spielen lassen“, erin­nert sich Sascha Eickel, heu­tiger Junioren-Trainer bei Borussia Dort­mund, an die gemein­samen Ein­heiten. Auch des­halb wurde Freund mit seiner U17 in Ser­bien Vize-Euro­pa­meister und über­stand die WM-Vor­runde schadlos: Vier Siege und 15:1 Tore weist die Bilanz bis ins Vier­tel­fi­nale aus. Die deut­sche Elf bril­liert tech­nisch, Fehl­pässe gibt es kaum. Die Ver­tei­diger schalten sich mit per­fekter Ball­be­hand­lung immer wieder in den Angriff ein. Es ist ein Team, in dessen Reihen für den Spieler Steffen Freund kein Platz wäre. Der zwei­fache deut­sche Meister lässt so spielen, wie er es selbst nicht konnte. Weg von den eigenen Wur­zeln.

Natür­lich hat Freund als Coach aber nicht alles über Bord geworfen, was ihn auf dem Platz einst aus­zeich­nete. Steffen ist ein abso­luter Typ, der den Fuß­ball lebt und mit sehr viel Emo­tio­na­lität bei der Sache ist“, sagt Sasche Eickel, und wieder speisen sich diese Worte auch aus den Erin­ne­rungen an den Lehr­gang: Sowas treibt junge Spieler unge­mein an, wenn sie merken, dass da jemand an der Linie total mit­fie­bert.“ Wer Freund gesehen bei der WM in Mexiko hat, weiß, was Eickel meint. Man sieht den Bran­den­burger oft an der Kante seiner Coa­ching Zone, sieht ihn, wie er auf den Rasen schreit, in die Knie geht, die Fäuste geballt, er geht mit, geht ab – selbst dann noch, wenn seine Elf längst bequem führt wie gegen die USA oder auch beim 6:1 im Auf­takt­match gegen Ecuador. In diesen Momenten gibt sich Freund so emo­tional, wie er es auch als Spieler war. Es ist dies dann wieder die Rück­kehr zu den eigenen Wur­zeln. 

Ein Freund, ein guter Freund …“

Über sich selbst sagt Freund: Mein Vor­teil ist, dass ich die Jungs als Typ erreiche.“ Er weiß, was eine Play­sta­tion ist und wie wichtig Face­book. Die Mann­schaft dankt ihm den Mix aus Kum­pelei, Lei­den­schaft und Exper­tise auf dem Platz mit Punkten und nach jedem Schluss­pfiff mit einem Ständ­chen der Come­dian Har­mo­nists: Ein Freund, ein guter Freund …“ Viel­leicht darf sich ihr Übungs­leiter ja bald wirk­lich als besten, den es gibt auf der Welt, bezeichnen lassen. Zwei Siege trennen die deut­sche U17 noch vom Finale im Azte­ken­sta­dion. Die bis­he­rigen Leis­tungen sind Indiz dafür, dass der Titel keine Utopie sein muss. Es wäre ein Tri­umph, den sich der Trainer Steffen Freund mit dem Spieler Steffen Freund teilen müsste.