19. November 2013. Vor wenigen Minuten ist das Playoff-Rück­spiel für die WM 2013 zwi­schen Kroa­tien und Island abge­pfiffen worden. Kroa­tien hat 2:0 gewonnen und fährt zur End­runde nach Bra­si­lien. Ein his­to­ri­scher Moment für die sport­ver­rückte Nation. Josip Simunic, 35, ehe­ma­liger Bun­des­li­ga­spieler und inzwi­schen bei Dinamo Zagreb unter Ver­trag, schnappt sich das Mikrofon. Er hat den Fans was zu sagen. Etwas, dass ich mein ganzes Leben schon einmal machen“ wollte, wie er anschlie­ßend zu Pro­to­koll gibt. Simunic brüllt: Za Dom!“ und Teile der Zuschauer ant­worten ihm mit Spremni!“. Dreimal wird Simunic diesen Dialog wie­der­holen. Dann gibt er end­lich das Mikrofon aus der Hand. Er hat schon genü­gend Schaden ange­richtet.

Der Ver­gleich mit Sieg Heil“ liegt nahe

Za Dom – Spremni“ bedeutet über­setzt Für die Heimat – Bereit“ und hat in Kroa­tien eine lange Tra­di­tion. Vor allem eine lange schmut­zige Tra­di­tion. Wäh­rend des Zweiten Welt­kriegs war der Ruf offi­zi­eller Gruß des faschis­ti­schen kroa­ti­schen Regimes. Schrift­stücke der Regie­rung wurden mit diesem Satz beendet. Nach dem Krieg bedienten sich ultra­na­tio­na­lis­ti­sche Grup­pie­rungen wie die HOS, eine para­mi­li­tä­ri­sche Orga­ni­sa­tion mit faschis­ti­schem Hin­ter­grund, dieses Rituals. Der Ver­gleich mit dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sieg Heil“ liegt nahe.

Was wäre wohl pas­siert, wenn ein deut­scher Natio­nal­spieler nach über­stan­dener Qua­li­fi­ka­tion Sieg Heil“ in ein Mikrofon gerufen hätte?

Josip Simunic aber war sich keiner Schuld bewusst. Er erklärte anschlie­ßend den Medien: Ich habe keine Angst vor einer Strafe. Ich habe nichts Schlimmes gemacht. Ich bin ein Fan von Kroa­tien, meiner Heimat.“ Man kann Josip Simunic nicht vor­werfen, seine Zunei­gung für sein Hei­mat­land zu ver­ba­li­sieren. Gerade, wenn man Teil eines his­to­ri­schen Moments ist. Es spricht aber einiges dagegen, das auf so fal­sche und dumme Art zu tun, wie es Simunic getan hat. Beschä­mend“, fand dann auch die kroa­ti­sche Zei­tung 24sata“ diese Ent­glei­sung und kom­men­tierte: Unser Team hat so lange auf diese Feier gewartet, und dann ver­dirbt Joe (Kurz­form für Josip, d. Red.) alles.“ Die kroa­ti­sche Justiz reagierte noch im November und ver­ur­teilte den Fuß­baller zu einer Geld­strafe von 3200 Euro. Begrün­dung: Er, Simunic, habe zu Frem­den­feind­lich­keit ange­stiftet und andere Teil­nehmer einer öffent­li­chen Ver­an­stal­tung beläs­tigt“.

Simunic hatte sich gleich nach dem Spiel eine Recht­fer­ti­gung für sein Ver­halten zurecht­ge­legt: Alle, die sich auf­regen, sollten lieber die Geschichte stu­dieren.“ Damit ver­wies der Natio­nal­spieler auf die His­torie des Rufes, der der Legende nach bis ins 16. Jahr­hun­dert zurück­reicht und in spä­teren Gene­ra­tionen als Kenn­zeich­nung natio­na­lis­ti­schen Gedan­ken­guts ver­wendet wurde.

Was hat ihn bloß geritten?

Das Haken­kreuz tauchte in seiner ursprüng­li­chen Form bereits vor 6000 Jahren auf und trotzdem ist es heute ver­pönt. Weil es von den Natio­nal­so­zia­listen miss­braucht und zum Symbol des Ter­rors gemacht wurde. Za Dom – Spremni“ mag eine Geschichte haben, heute ist es eben­falls Symbol eines faschis­ti­schen Unrechts­staates. Was um alles in der Welt hat Josip Simunic also geritten, das sport­liche Glück seines Hei­mat­landes für seinen ver­queren natio­na­lis­ti­schen Pathos zu miss­brau­chen?

Simunic sagte, er habe keine Angst vor einer Strafe“. Viel­leicht wird ihn das Urteil der Fifa aber doch zur Ein­sicht ver­helfen, am 19. November 2013 eine große Dumm­heit begangen zu haben. Der Welt­ver­band sperrte den 35-jäh­rigen Kroaten für zehn Spiele, belegte ihn zusätz­lich mit einem Sta­di­on­verbot und einer Geld­strafe. Simunic wird die Welt­meis­ter­schaft in Bra­si­lien also ver­passen. Bei der nächsten WM in Russ­land ist der Defen­siv­spe­zia­list 39 Jahre alt und ver­mut­lich nicht mehr im Kader. Er hat seine letzte Chance auf das größte Fuß­ball­tur­nier der Welt selbst zer­stört. Eine Mög­lich­keit bleibt ihm immerhin noch: Seinen Ruf zu retten. Dafür bedarf es aller­dings Ein­sicht, das Ein­ge­ständnis des eigenen Ver­sa­gens – und eine Ent­schul­di­gung.