Jetzt ist es offiziell: RB Salzburg ist nur noch ein Farmteam für Leipzig. Bei Salzburgs Fans sorgt das für Ängste. Leipzigs Konkurrenz wittert Wettbewerbsverzerrung.
Spötter sprechen vom „FC Lieferung“. Dabei heißt der kleine Klub aus der Nähe von Salzburg doch FC Liefering. Ein richtiger Klub ist der österreichische Zweitligist eigentlich gar nicht, jedenfalls keiner mit ureigenen Ambitionen. Der FC Liefering galt stets als Farmteam von Red Bull Salzburg. Bis zum 28. August! Da polterte Salzburgs spanischer Cheftrainer Oscar Garcia: „Man hat mir gestern mitgeteilt, dass es ein neues Ziel gibt. Jetzt sind wir mehr ein Ausbildungsteam, es gibt jetzt Liefering A und Liefering B.“ Wenige Stunden zuvor hatte Salzburg den brasilianischen Defensiv-Allrounder Bernardo (21) verkauft, an den ebenfalls von Red Bull finanzierten Retortenklub RB Leipzig. Das brachte Garcia zum Kochen – und die Strategie des Brausekonzerns endgültig ans Tageslicht.
Nun ist es also offiziell: Österreichs Meister, der wenige Tage zuvor noch im Champions-League-Playoff (1:1 und 1:2 n.V. gegen Dinamo Zagreb) an die Tür zur Königsklasse geklopft hatte, ist nur noch Zulieferer für die Zentrale in Leipzig. Das dürfte die wenigsten überraschen, denn: Bernardo war bei weitem nicht der Erste, der vom Westen Österreichs in den Osten Deutschlands ging. In diesem Sommer waren bereits Naby Keita und Benno Schmitz von Salzburg nach Leipzig transferiert worden. So wie zuvor Peter Gulacsi, Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer, Massimo Bruno, Nils Quaschner, Georg Teigl, Rodnei, Thomas Dähne, Stefan Hierländer …
Bei den organisierten Fans brodelt es gewaltig
Die Anhängerschaft in Salzburg hat angesichts des Ausverkaufs Angst vor der Zukunft. Alex Januschewsky, der 2010 den Fanclub „Raging Bulls“ mitgegründet hat, schlug in einer Kolumne auf salzburg12.at Alarm: „Eines ist sicher: Die Anhängerschaft des FC Red Bull Salzburg ist mehr als angespannt. Bei den organisierten Fans brodelt es gewaltig, viele normale Zuseher resignieren.“ Haupttribünen-Sitzer Markus Berger meint: „Man fragt sich schon, ob Red Bull an Salzburg keine Freude mehr hat.“ „Zwierschi“, der zu fast jedem Heim- und manchem Auswärtsspiel fährt, findet: „Ein Klub braucht Identität. Das ist bei uns eh so ein Thema. Wenn wir ein Farmteam für Sachsen sind, wird’s schwierig.“
Salzburgs Sportlicher Leiter Christoph Freund bemühte sich zuletzt, die Wogen zu glätten und den Bernardo-Deal als ganz normalen Transfer darzustellen: „Bernardo hat uns informiert, dass er einige konkrete Angebote vorliegen hatte und er unbedingt den nächsten Schritt in eine größere Liga machen möchte“, erklärte Freund geschäftsmäßig. „Wir haben diesem Wunsch entsprochen und wünschen ihm alles Gute auf seinem weiteren sportlichen Weg.“ Im Interview mit Laola1.at ließ Freund jedoch tiefer blicken: Auf die Frage, ob ihm die Hände gefesselt seien, wenn Leipzig einen Spieler haben wolle, antwortete er: „Gefesselt sind sie nicht, aber es gibt natürlich Prioritäten.“ Zudem ließ Freund verlauten, Salzburg müsse nun „nicht mehr jedes Jahr Meister werden“.
In der Branche sind Transfers zwischen Salzburg und Leipzig äußerst umstritten
In der Branche sind Transfers zwischen Salzburg und Leipzig derweil äußerst umstritten – spätestens seit dem Fall Marcel Sabitzer. Der hatte in seinem Vertrag mit Rapid Wien eine Ausstiegsklausel, die es ihm erlaubte, für rund zwei Millionen Euro zu wechseln – allerdings nur ins Ausland. Im Januar 2015 griff RB Leipzig zu, um das Offensivtalent anschließend sofort nach Salzburg zu verleihen. Rapids Sportdirektor Andreas Müller tobte. Doch die Red-Bull-Macher hatten sich geschickt entlang der rechtlichen Grenzen bewegt. Seit Sommer 2015 spielt Sabitzer nun für Leipzig.