Der Sohn von UEFA-Präsident Michel Platini arbeitet für Katar. Platinis Schwiegersohn, der Musikproduzent Yohann Zveig, erhält Aufträge von UEFA, FIFA – und vom DFB. Die Verbände finden das völlig in Ordnung.
In Sonntagsreden preisen Fußballfunktionäre gerne die Werte der Familie. „Wir sind eine Familie“, pflegt FIFA-Präsident Joseph Blatter zu sagen. Von der „Fußballfamilie“ spricht auch UEFA-Präsident Michel Platini, der noch nicht entschieden hat, ob er im nächsten Jahr gegen Blatter für die Präsidentschaft im Weltverband FIFA kandidiert.
Typisch für die Fußballfamilie ist aber auch ihr Nepotismus – die Vetternwirtschaft. Ungezählte Beispiele dafür füllen Bücher und Gerichtsakten. Joseph Blatter hat einen Neffen, Philippe, den er als seinen Sohn betrachtet und der in der Schweiz (in Zug) als CEO die Geschäfte des Sportmarketing-Konzerns Infront leitet. Infront makelt milliardenschwere Rechte – auch für die FIFA. Michael Platini hat einen Sohn, Laurent, der in der Schweiz (in Genf) als Generalmanager des Sportartikelkonzerns Burrda Sport fungiert. Burrda ist ein Unternehmen aus dem Portfolio des Fonds Qatar Sports Investment, der unter anderem Paris St. Germain besitzt.
Ein erstaunlich erfolgreicher Schwiegersohn
Über Katar, Platini Senior und Platini Junior wurde in den vergangenen drei Jahren viel berichtet, seit die WM 2022 unter skandalösen Umständen an das Emirat Katar ging. Platini hat als Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees für Katar gestimmt. Er hat aber nicht nur einen Sohn, sondern auch eine Tochter. Marine Platini ist Schauspielerin und verheiratet mit dem Musikproduzenten Yohann Zveig. Er führt in Paris die Firma Boburst Productions und war in den vergangenen Jahren als Schwiegersohn des UEFA-Präsidenten erstaunlich erfolgreich in der Fußballfamilie.
Im Oktober 2008 erhielt Yohann Zveig den Auftrag für die Hymne der Europa League, die damals noch UEFA-Cup hieß. Seit dem ersten Finale der Europa League liefert Zveig die musikalischen Eröffnungs- und Schluss-Sequenzen für die jeweiligen Stadionshows in Hamburg, Dublin, Bukarest und Amsterdam. Platinis Schwiegersohn kam auch mit der FIFA ins Geschäft: Für den FIFA Ballon d’Or, die alljährlichen Auszeichnungsveranstaltungen der Weltfußballer im Opernhaus in Zürich, produziert Zveig seit 2010 ebenfalls die Töne.
Kürzlich reüssierte das Fußball-Musikwunder in Deutschland. Michel Platini war einer der Stargäste des DFB-Kongresses im Oktober 2013 in Nürnberg, als der DFB seine neue Hymne vorstellte. „Unser akustisches Erkennungsmerkmal“, das „Tradition und Zukunft“ vereine, wie DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock sagte. Komponist der DFB-Hymne: Yohann Zveig.
Platinis Schwiegersohn? DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat das „defintiv nicht gewusst“
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, einer der engsten Verbündeten des UEFA-Chefs und FIFA-Exekutivmitglieds Platini, lässt über einen Sprecher mitteilen, er habe „definitiv nicht gewusst, dass es sich bei dem Komponisten Zveig um einen Schwiegersohn von Platini handelt“. Das erstaunt. Diese nicht unwichtige Information blieb zwar der Öffentlichkeit bislang verborgen, den Verantwortlichen in UEFA und FIFA allerdings war das bekannt, als sie vor Jahren ihre Entscheidungen für Zveig trafen.
UEFA und DFB verweisen gegenüber 11 FREUNDE darauf, dass die Aufträge für die Hymnen korrekt ausgeschrieben worden seien. Über finanzielle Details geben sie keine Auskünfte. Während die UEFA keinerlei Probleme damit hat, die 15 Seiten umfassende Ausschreibung vom August 2008 zur Verfügung zu stellen, teilt der DFB knapp mit, derlei Dokumente seien „generell vertraulich“. Neben Zveig hatten sich beim DFB noch Jürgen Christ (mit Jochen Schild), Artur Kubizek und Matt Clifford beworben. Die Vergabe des Auftrags an Zveig sei „durch ein aus allen DFB-Bereichen besetztes Gremium“ erfolgt.
Die UEFA erklärt, der damalige Generalsekretär David Taylor habe die Entscheidung für Platinis Schwiegersohn getroffen. Grundlage gewesen seien Empfehlungen der TEAM Marketing AG, die das Verfahren mit elf Bewerbern abwickelte, sowie der Marken- und Marketingexperten aus der UEFA-Zentrale in Nyon. Yohann Zveig sei „ein berühmter Komponist“ argumentiert die UEFA. Zveig möchte sich dazu nicht äußern.
„Der junge Mann hat sehr darunter gelitten“
Enno-Ilka Uhde aus Karlsruhe ist als Performance-Designer und Regisseur für etliche Sportverbände und Fußballvereine tätig. Er arbeitet regelmäßig für die UEFA und den DFB, führte beispielsweise bei fünf Champions-League-Finals die Regie bei Eröffnungsfeiern und Siegerehrungen, er hat mit Yohann Zveig beim Europa-League-Finale 2010 kooperiert – und war 2013 in die Ausschreibung zur DFB-Hymne involviert. „Dass Zweig den Auftrag bekommen hat, war ein Zufallstreffer und beruhte rein auf seiner künstlerischen Leistung“, sagt Uhde. „Dass Platini sein Schwiegervater war, war eher negativ besetzt. Der junge Mann hat sehr darunter gelitten, weil er genau wusste, dass man darüber reden würde.“ Die eingereichten Melodien seien ohne Nennung der Namen von Musikern beurteilt worden. „Das war definitiv kein politisches Verfahren. Jede andere Darstellung wäre unzutreffend“, erklärt Uhde.
Das mag sein, aber die Vergabe von Aufträgen an Verwandte, gleich welcher Größenordnung, sollte nach den Regeln guter Unternehmensführung eigentlich auch im Fußballbusiness ausgeschlossen sein. Doch die Branche nimmt es mit den Reformen nicht so genau. Platini und seine UEFA gehören im Reich der FIFA nachweislich zu den Bremsern. Derzeit versucht Platini mit einigen anderen Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees, die Ermittlungsbefugnisse des Amerikaners Michael Garcia einzuschränken. Garcia soll die Vergabe der WM 2022 an Katar aufklären. Doch manche möchten die Informationen lieber in der Familie belassen.
—
Hinweis: Im Text wurden nachträglich zwei Fakten korrigiert, die die UEFA zuvor falsch übermittelt hatte.