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Frans Hoek (55) gilt als inno­va­tivster Tor­wart­trainer der Welt. Er arbei­tete bei Ajax Ams­terdam, dem FC Bar­ce­lona und Bayern Mün­chen. In dieser Zeit prägte er die Ent­wick­lung moderner Tor­hüter wie Edwin van der Sar, Victor Valdes und Pepe Reina.

Edwin van der Sars Weg zum prä­genden Tor­hüter der ver­gan­genen zwanzig Jahre war der lange Marsch weg von der eigenen Tor­linie. Ich selbst stand zwölf Jahre lang im Tor des nie­der­län­di­schen Erst­li­gisten FC Volendam, doch Edwins Vor­bild war ich ganz sicher nicht. Er ori­en­tierte sich eher an Jungs wie Piet Schrij­vers, der jah­re­lang das Gehäuse von Ajax Ams­terdam hütete.

Dass Edwin van der Sar über­haupt auf dem Radar der Fuß­ball­welt auf­tauchte, haben wir jedoch einem anderen Mann zu ver­danken: Kees Guijt. Er war mein Mit­spieler in Volendam, ein guter Freund und Edwins Onkel. Ich arbei­tete seit 1985 als Tor­wart­trainer bei Ajax Ams­terdam, als Kees mich eines Tages anrief und sagte: Schau dir mal meinen Neffen an. Er ist ein Tor­wart­ta­lent.“ Ich erzählte dem dama­ligen Jugend­ko­or­di­nator Louis van Gaal vom jungen Keeper des VV Noor­dwijk, schließ­lich hatte ich es Kees ver­spro­chen. Doch Louis hatte bereits einige junge Tor­hüter im Visier, erst als er hörte, dass es im Klub auch zwei inter­es­sante Feld­spieler für Ajax geben könnte, wurde er hell­hörig. Wie es der Zufall so wollte, war der Trainer von VV auch noch ein Freund von Louis. Wir fuhren hin.

Der 18-jäh­rige Edwin van der Sar, den wir 1988 erst­mals zu sehen bekamen, war kein her­aus­ra­gendes Talent, son­dern ein sehr langer, sehr dünner Junge, der Bälle fangen konnte. Kurio­ser­weise war Edwins Durch­schnitt­lich­keit unser Glück, denn zu dieser Zeit suchten alle Ver­eine kräf­tige Tor­hüter wie den frisch­ge­ba­ckenen Euro­pa­meister Hans van Breu­kelen. Wäre Edwin auf­fäl­liger gewesen, hätten ihn längst Klubs aus dem nahe gele­genen Rot­terdam geholt. Zudem erkannten wir eine beson­dere Qua­lität an ihm: Der Junge konnte Fuß­ball spielen. Und das als Tor­wart.

Die Ein­füh­rung der Rück­pass­regel ver­schob die Anfor­de­rungen

Um zu begreifen, warum wir Edwin dann zum Pro­be­trai­ning ein­ge­laden haben, muss man die Spiel­idee von Ajax Ams­terdam ver­stehen. Unser Spiel war auf Ball­be­sitz aus­ge­richtet, teil­weise lag er bei den Profis zwi­schen 60 und 80 Pro­zent. Wir schoben unsere Abwehr bis auf die Mit­tel­linie vor, um den Gegner in der eigenen Hälfte unter Druck zu setzen, und viele Spieler in das Offen­siv­spiel ein­schalten zu können. Dadurch ent­stand aller­dings ein rie­siger Raum zwi­schen Abwehr und Tor­wart. Also ent­wi­ckelte ich ein Profil, das die Anfor­de­rungen zukünf­tiger Ajax-Tor­hüter ver­einte, und das per­fekt zum Spiel­system der Mann­schaft passte. Ich nutzte meine Erfah­rungen als Profi und griff zudem auf wis­sen­schaft­liche Methoden zurück, die ich aus meinem Sport­stu­dium kannte. Ich plante den modernen Tor­hüter quasi am Reiß­brett. Der sollte nicht mehr nur Tor­ver­hin­derer sein, son­dern auch zum elften Feld­spieler werden. Dazu mussten unsere Tor­hüter von der Linie weg, den Raum vor sich beherr­schen, sich in den Spiel­aufbau ein­schalten und lernen, ein Spiel zu lesen. Edwin hatte in der Jugend lange im Feld gespielt und konnte sehr gut mit dem Ball umgehen. Das wurde sein ent­schei­dender Wett­be­werbs­vor­teil.

Heute mögen diese Anfor­de­rungen selbst­ver­ständ­lich klingen, aber in den neun­ziger Jahren kannte man eigent­lich nur einen Tor­wart­typus, den ich Reak­ti­ons­tor­hüter nenne. Spieler wie Oliver Kahn standen auf der Linie und reagierten auf das Spiel. Sie ver­ließen sich auf ihre erst­klas­sigen Reflexe, anstatt vorher selbst aktiv zu werden. Fuß­bal­le­ri­sche Qua­li­täten waren nicht gefragt. Doch als die FIFA im Jahr 1992 die Rück­pass­regel änderte, ver­schoben sich die Anfor­de­rungen über Nacht. Plötz­lich durften Tor­hüter Rück­pässe nicht mehr mit der Hand auf­nehmen. Das über­for­derte so man­chen Kraft­meier. Unsere Keeper indes waren darauf vor­be­reitet, denn sie trai­nierten jeden Tag bis zu 80 Pro­zent mit der Mann­schaft und sehr viel mit dem Ball am Fuß. Wenn Edwin also nicht bei Ajax Ams­terdam gelandet wäre, wäre aus ihm wohl nie ein so guter All­round­keeper geworden.