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Rein­hard Grindel schreitet die Mar­mor­treppe empor, flan­kiert von zwei Män­nern in dunklen Anzügen, die er deut­lich über­ragt. Am Ein­gang in den Kup­pel­saal warten die Foto­grafen. Herr Prä­si­dent!“, ruft ihm Sergej Net­schajew, der Bot­schafter der Rus­si­schen Föde­ra­tion, ent­gegen. Er klingt freund­lich, fast freund­schaft­lich. Hände werden geschüt­telt, Kameras rat­tern, Blitze blitzen. Am Ende dieses Abends wird Rein­hard Grindel, der Prä­si­dent des Deut­schen Fuß­ball-Bundes (DFB), bei Twitter Die WM in Russ­land wird eine Platt­form bieten für zahl­reiche Begeg­nungen von Men­schen aus aller Welt. Das kann das Bild, das die Men­schen von diesem Land haben, ver­än­dern, es kann aber auch das Land selbst ver­än­dern.“

Jemand ant­wortet: Welt­fremder wird’s heut‘ nicht mehr.“

Rus­si­sche Spione

Es ist der Tag, an dem US-Prä­si­dent Donald Trump Rake­ten­an­griffe auf Syrien ange­kün­digt hat, aber an diesem Abend soll es in der rus­si­schen Bot­schaft Unter den Linden nicht um die große Politik gehen, son­dern um die Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft. Alexej Sor­okin ist ange­kün­digt, der Gene­ral­di­rektor des WM-Orga­ni­sa­ti­ons­ko­mi­tees (OK). Die Gäste sind geladen, das Ambi­ente zeugt von impe­rialer Macht. Roter Marmor an den Wänden, Kris­tall­leuchter an den sechs Meter hohen Decken, Spiegel und in Gold abge­setzte Säulen.

Rein­hard Grindel, 56, ist fast zwei Meter groß, aber selbst er wirkt hier klein. Der DFB-Prä­si­dent redet vom letzten Test­spiel der deut­schen Natio­nal­mann­schaft vor der WM. Saudi-Ara­bien, der Gegner, ist zugleich Russ­lands Gegner im Eröff­nungs­spiel der Welt­meis­ter­schaft am kom­menden Don­nerstag. Na“, habe er, Grindel, zum rus­si­schen Bot­schafter gesagt, da werden bei uns auf der Tri­büne ja einige rus­si­sche Spione sitzen.“ Net­schajew habe kurz gezuckt. Rus­si­sche Spione?

Wie viel Nähe wirkt anbie­dernd?

Es braucht in dieser Zeit nicht viel, um diplo­ma­ti­sche Ver­wick­lungen aus­zu­lösen. Natür­lich weiß Rein­hard Grindel, dass vor und wäh­rend der Welt­meis­ter­schaft viele auf ihn und seinen Ver­band schauen: Wie viel Kritik an den Zuständen in Russ­land kann er sich erlauben? Wie viel Nähe wirkt anbie­dernd?

Zwei Wochen zuvor ist Grindel im Rus­si­schen Haus in Berlin zu Gast gewesen. Die Fan-ID für die Welt­meis­ter­schaft, eine Art Visum­ser­satz für alle aus­län­di­schen WM-Besu­cher, wird offi­ziell vor­ge­stellt. Auch an diesem Tag funkt die große Politik dazwi­schen. Der rus­si­sche Geheim­dienst wird beschul­digt, hinter der Ver­gif­tung ihres ehe­ma­ligen Agenten Sergej Skripal in Eng­land zu stehen. Als Folge wollen nun 24 Staaten rus­si­sche Diplo­maten aus­weisen. Natür­lich ist das Thema span­nender als die Fan-ID, aber irgend­wann erklärt der Pres­se­spre­cher der Bot­schaft, dass es doch jetzt bitte nicht mehr um Politik gehen solle. Es ist das Ideal aller Sport­funk­tio­näre: dass Sport und Politik nichts mit­ein­ander zu tun haben und man die Politik bitte aus dem Sport raus­halten möge. Aber wie soll das gehen, wenn die Fuß­ball-WM, das größte Sport­er­eignis der Welt, erst nach Russ­land ver­geben wird und dann vier Jahre später in Katar statt­findet? Seit 2012 hat sich die all­ge­meine Men­schen­rechts­si­tua­tion in Russ­land dra­ma­tisch ver­schlech­tert“, schreibt die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tion Human Rights Watch (HRW) in einem Leit­faden, den sie zur WM her­aus­ge­geben hat.

Viel zu tun

Wenzel Mich­alski ist Deutsch­land-Direktor von Human Rights Watch. Er weiß noch, wo er war, als der Welt­ver­band Fifa die WM 2018 nach Russ­land ver­geben hat: auf einer Kegel­bahn, beim Kin­der­ge­burtstag seines Sohnes. Auf seinem Handy machte es pling. Sein erster Gedanke: Jetzt gibt es wieder viel zu tun.“