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Ein biss­chen auf­ge­regt war er schon, doch das ist nun alles ver­gessen. Werner Roth spa­ziert mitten durch New York. Es ist Ende Sep­tember, und die Sonne und 30.000 Men­schen drü­cken sich durch die Häu­ser­schluchten der 5th Avenue.

Roth führt heute als Grand Mar­shal“ die all­jähr­liche Steuben-Parade an, bei der seit 1957 die deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Freund­schaft gefeiert wird. Das ist eine große Ehre, vor ihm führten bereits Henry Kis­singer, Ruth West­heimer oder Donald Trump die Parade an. Mit Blas­ka­pellen, Fest­wagen zur deutsch-ame­ri­ka­ni­schen Geschichte, Bay­ri­schen Trach­ten­gruppen oder Feu­er­wehr­leuten mit deut­schen Fähn­chen geht es ent­lang des Cen­tral Park durch York­ville, das bis in die sieb­ziger Jahre letztes deut­sches Viertel New Yorks war. Zu Werner Roths Jugend­zeit tobte hier ein deut­sches Nacht­leben in dut­zenden Tanz­hallen und Kneipen.

Kurz vor der 86. Straße hält er inne. Ein Junge streckt ihm ein Foto ent­gegen, und Roth lächelt. Es ist ein Mann­schafts­bild von New York Cosmos aus dem Jahr 1976. Roth und seine Mit­spieler sehen auf diesem Bild aus wie Pop­stars. Kein Zufall: Für Klub­be­sitzer Steve Ross war das Soc­cer­team haupt­säch­lich glo­bales Werbe-Vehikel seines Unter­hal­tungs­kon­zerns Warner-Brot­hers.

Das Ein­wan­der­kind aus dem Banat

Wenn man heute in Deutsch­land über die Mann­schaft spricht, ist die Rede von Franz Becken­bauer, Pelé, Johan Nes­kens und Giorgio Chi­na­glia. Werner Roth ist bei­nahe ver­gessen. Dabei war er es, der das Team über sieben Jahre lang ange­führt hat.

Roth wan­derte mit seiner donau­schwä­bi­schen Familie als Acht­jäh­riger aus dem Banat ein und wuchs in der deutsch­spra­chigen Nach­bar­schaft Rid­ge­wood in Queens auf. Bis heute sagt er: Ich bin ein Deut­scher.“

Seine Kicker-Kar­riere begann beim German-Hun­ga­rian SC in der German-Ame­rican Soccer League. Er spielte gegen Mann­schaften mit Namen wie SC Ein­tracht oder Blau-Weiß Gott­schee. Da hinten“, sagt er und zeigt in Rich­tung Queens. Da hat alles begonnen.“ Dort steht immer noch das Metro­po­litan Oval, von Indus­trie­an­lagen umgeben und voller Schmutz. Es sieht aus wie ein Erd­loch mit Dreck als Belag“, findet Roth. Durch die eth­ni­sche Bin­dung kamen den­noch Tau­sende zah­lender Zuschauer zu den Spielen, und Roth ver­diente pro Spiel 50 Dollar zum Archi­tektur-Stu­dium dazu.

1972 wech­selte der Deutsch-Ame­ri­kaner zu New York Cosmos und wurde US-Natio­nal­spieler. Anfangs waren die Bedin­gungen sehr ung­la­mourös. Bei einem Län­der­spiel merkte ich, dass sogar Haiti bes­seres Equip­ment hatte als wir“, sagt Roth. Und auch die Plätze waren im kata­stro­phalen Zustand. Auf dem Heim­platzes der ehe­ma­ligen Gefäng­nis­insel Rand­alls Island lagen Scherben und grö­ßere Steine auf dem Rasen. Roth, der immer noch als Bau­zeichner arbei­tete, störte sich nicht daran. Als Kapitän führte er die semi­pro­fes­sio­nelle Truppe schon in seiner ersten Saison zur US-Meis­ter­schaft.

Den­noch blieben die Zuschauer lange aus. Es kamen kaum mehr Fans als vorher zu den German-Hun­ga­rians. Was fehlte, war ein schil­lernder Star, um das ver­wöhnte New Yorker Publikum zu über­zeugen.

Als der Heils­bringer mit dem Warner-Hub­schrauber ein­flog, war es wie Manna vom Himmel“, sagt Roth. Pelé war das Beste, was mir, Cosmos und dem Fuß­ball in den USA pas­sieren konnte.“ Klub­be­sitzer Steve Ross ließ den Acker über Nacht grün anmalen, nie­mand sollte glauben, dass Cosmos es nicht mit den Super­klubs in Europa oder Süd­ame­rika auf­nehmen könnte.

Mit der Ankunft von Pelé begann für Roth ein Leben auf der Über­hol­spur. Der Deutsch-Ame­ri­kaner wurde Teil einer All-Star-Truppe, die zur Welt­marke werden sollte. End­lich bekam auch Roth einen Voll­pro­fi­ver­trag.

Super­star Pele erwies sich als abso­luter Team Player“, sagt Roth. Doch sein Humor war mit­unter rus­tikal. Als das Team vor einem Aus­wärts­spiel mal in einem Hotel auf einer Klippe über dem Meer über­na­chete, rief Pelé seinen Kumpel Roth mitten in der Nacht in sein Zimmer. Dort deu­tete er auf die Dusche. Roth schob den Vor­hang zur Seite und bekam den Schreck seines Lebens, in der Wanne zap­pelte ein meter­langer Hai, den Pelé aus vom Fenster aus gean­gelt hatte. 

Doch auch Pelé alleine brachte trotz Riesen-Medien-Auf­trieb nicht den gewünschten Erfolg. Es mussten wei­tere Stars her, und auf einmal war der Ein­wan­de­rer­junge aus dem Banat Spiel­führer von Pelé, Becken­bauer, Carlos Alberto, Johan Nes­kens und Giorgio Chi­na­glia, der als Tor­schüt­zen­könig der Seria A kam. Als ich zu Cosmos kam, war ich heil­froh, dass mit Werner Roth jemand da war, der Deutsch sprach, denn anfangs konnte ich kaum Eng­lisch“, sagt Becken­bauer heute. Einen hilfs­be­rei­teren Kapitän kann man sich nicht vor­stellen.“
 
Jetzt lief es auch sport­lich, und die Zuschauer kamen. Zwei Jahre lang war Cosmos mit einem Zuschau­er­schnitt von über 45.000 die Nummer eins in New York, die Mann­schaft hatte mehr Fans als die Mets, Yan­kees oder Islanders. Beim Spiel gegen Fort Lau­derdale 1979 kamen 77.691 Zuschauern – bis heute ist das Rekord­ku­lisse für US-Soccer.

Nachbar: John Lennon, Kumpel: Andy Warhol

Roth war jetzt ein Star und ver­kehrte mit einem Mal in Kreisen, die er vorher nur aus der Zei­tung kannte. Er freun­dete sich mit Andy Warhol an und fach­sim­pelte mit ihm über Foto­grafie oder War­hols Lei­den­schaft für pri­vate Garage Sales“. Er zog in ein Apart­ment in der 72. Straße, wo sein Nachbar John Lennon war. Abends ging er mit Mick Jagger oder Peter Frampton im Studio 54“ feiern, und mor­gens stand er auf dem Trai­nings­platz und kickte gemeinsam mit dem Promi-Kie­bitz Elton John (damals Besitzer eines anderen MLS-Clubs) aufs Tor. Wir blieben immer unter Kon­trolle“, sagt Roth. Wirk­lich? Nun ja, wir haben schon unseren Teil gehabt von Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Wir waren doch junge Männer mit viel Geld und freier Zeit.“

Einen Sommer ver­brachte Roth im Som­mer­haus seines Freundes und Bera­ters Richard Wiseman. Dessen Freundin brachte wie­derum ihre beste Freundin und deren Ver­ehrer mit. Einen nach­lässig geklei­deten, jedoch cha­ris­ma­ti­schen jungen Typen von der West­küste. Der gerade für Atari, damals eben­falls Teil des Warner-Impe­riums, gear­beitet hatte. Und jetzt ständig von seinem kleinen Rechen­gerät erzählte. Sein Name: Steve Jobs. Er stand gerne mitten im Gespräch oder beim Abend­essen auf, ohne Erklä­rung“, sagt Roth. Der Visionär sagte dann: Ich habe manchmal Ein­fälle, die ich sofort auf­schreiben muss.“ – Leg Dir mal ein Paar neue Kla­motten zu“, riet ihm der Fuß­baller noch, bevor die Wege sich wieder trennten. 

1979 musste Roth seine aktive Kar­riere auf Grund einer Knie­ver­let­zung beenden. Die Cosmos lebten weiter, doch schon bei Becken­bauers zweitem Gast­spiel, 1983, ging es bergab. Als schließ­lich auch die Firma von Steve Ross, die Warner Brot­hers, finan­ziell ins Schlin­gern geriet, war es mit Cosmos vorbei.

Momentan ver­sucht man den Klub künst­lich wieder hoch­zu­ziehen. Es bricht mir das Herz, zu sehen, wie lai­en­haft das Cosmos-Come­back ver­läuft, auf das wir so lange gewartet haben“, sagt Roth. Zwar wurde der spa­ni­sche Ex-Natio­nal­spieler Marcos Senna enga­giert, doch das Team spielt nur in der eigens dafür wie­der­auf­ge­legten NASL und hat keine Auf­stiegs­chancen in die MLS. Mehr Hoff­nungen setzt Roth auf den FC New York, hinter dem das gleiche Kon­sor­tium wie hinter Man­chester City steht. Der Klub besitzt eine MLS-Lizenz ab 2015 und ein eigenes Sta­dion inner­halb New Yorks. Roth ist über­zeugt, dass Profi-Fuß­ball in der Stadt ein Rie­sen­po­ten­tial hat. Immerhin spielt Red Bull mit mäßigen Leis­tungen vor durch­schnitt­lich 20.000 Zuschauern in New Jersey.

Die Zeit nach dem Fuß­ball

Roth blieb nach seiner Zeit bei Cosmos dem Fuß­ball auf ver­schie­dene Weise ver­bunden. Er grün­dete zum Bei­spiel eine Sport­ar­ti­kel­fa­brik, später wurde er Berater beim Film oder für den US-Fuß­ball­ver­band, und er half einem aus­tra­li­schen Her­steller bei der Ent­wick­lung von Kunst­rasen. Zudem enga­gierte er sich für Fuß­ball bei den Spe­cial Olym­pics. Heute ist mit seiner Futbol Aca­demia bera­tend tätig.

Es war eine tolle Zeit“ sagt Roth. Mitt­ler­weile ist die Steuben-Parade vor­über und Roth beim abschlie­ßenden Okto­ber­fest im New Yorker Cen­tral Park ange­kommen, wo er zwei Dut­zend Fami­li­en­mit­glieder trifft. Hier kommt er kurz zur Ruhe und erzählt eine kleine letzte Geschichte. Einmal beglei­tete er Pelé zu einem Film­dreh. Es ging um den Fuß­ball-Streifen Flucht oder Sieg“, der zugleich Come­back der Regie-Legende John Huston war. Syl­vester Stal­lone, gerade für Rocky“ gefeiert, war Pro­du­zent und Haupt­dar­steller. Huston mochte Stal­lone nicht, der auch als Tor­wart eine alberne Figur abgab.

Der Klein­dar­steller Roth dagegen ver­stand sich gut mit Huston, sie fuhren täg­lich zusammen zum Dreh. Als Huston merkte, dass Roth ernst­haftes Inter­esse zeigte, sagte er: Du willst spielen? Du bekommst eine große Szene.“ Seine Worte hat Roth nie ver­gessen: It’s gonna be you and Stal­lone, you and Stal­lone!“

Stal­lone hielt für das Ali­ierten-Gefan­genen-Team den ent­schei­denden Elfer des Kapi­täns Bau­mann der Natio­nal­mann­schaft Nazi-Deutsch­lands. Da Stal­lone beim Dreh gar nichts hielt, ließ es Roth so aus­sehen, als ver­schieße er absicht­lich.

Roth begann sich mehr und mehr für die Film­branche zu inter­es­sieren. Er hei­ra­tete sogar eine Schau­spie­lerin, Soap-Star Robin Mattson („General Hos­pital“), und lebt heute in Beverly Hills. Für die Zukunft hat er ein großes Vor­haben: Cosmos – The Movie“ – mit guten Schau­spie­lern. Roth sagt: Es geht um Fuß­ball, Sex, Drugs and Rock’n Roll.“ Um was sonst.