Toller Name, feiner Humor, hohe Integrität: Der Südafrikaner Tokyo Sexwale ist der Alternativ-Kandidat für die Fifa-Präsidentschaft, auf den alle gewartet haben.
Wer sagt, beim Fußball gibt es nichts mehr zu lachen? Man muss sich nur ein bisschen durch den Fifa-Dschungel wühlen und schon findet man Storys, die direkt aus einem Simpsons-Drehbuch stammen könnten.
Vor einiger Zeit erschien etwa ein Spielfilm über die Geschichte des Verbands, mit Tim Roth als Sepp Blatter und Gerard Depardieu als Jules Rimet. Der Fifa-Präsident wird darin zum als unermüdlichen Kämpfer für die Gerechtigkeit stilisiert: „Ich werde den kleinsten Verstoß gegen die Ethikregeln schwer bestrafen“, sagt er an einer Stelle. „Ich warne euch!“
Oder neulich, als Jack Warner auf den Beitrag des US-Satiremagazins „The Onion“ hereinfiel. Der Fußballfunktionär aus Trinidad und Tobago glaubte, dass die WM kurzfristig in die USA vergeben worden sei. In einem selbstproduzierten Video schlussfolgerte er in bester Lionel-Hutz-Manier: „Wenn die Fifa aus Sicht der USA so schlecht ist, wie kommt es dann, dass die USA die WM austragen, die am 27. Mai begonnen hat?“ Naaaa?!
Verkleidet als Cristiano Ronaldo?
Natürlich war die Komik dieser Männer nie intendiert. Im Gegensatz zu einem Mann aus Südafrika, der bei der Wahl zum Ballon d’or bewusst sein Faible fürs Humoristische herausstellte.
Dieser 62-jährige Mann aus Südafrika trägt einen Namen, mit dem er in den Siebzigern auch Karriere als Federboa-DJ im New Yorker Studio 54 hätte machen können: Mosima Gabriel „Tokyo“ Sexwale.
Im Januar 2014 trat er also vor versammelter Fifa-Mannschaft ans Mikrofon und sagte:
„Ich heiße Sepp Blatter, habe mich aber als Cristiano Ronaldo verkleidet.“
Der Satz ging ein bisschen unter, denn Sexwale war bis dahin keine allzu große Fifa-Persönlichkeit, sondern eher in Wirtschafts- und Politikkreisen bekannt. Das Video seiner Rede hat auf Youtube in einem Jahr nicht mal 200 Aufrufe generiert.
Jetzt ist Sexwale zurück. Sein Name prangt seit gestern auf den Sportseiten etlicher großer Zeitungen, denn Franz Beckenbauer schlug vor, dass Sexwale doch bitteschön als Fifa-Präsident kandidieren solle. „Ich habe Tokyo genannt, weil er auch im Sport war und ist und weil er sehr intelligent ist. Er hat dazu auch das Netzwerk“, sagte er am Dienstag im Rahmen seines „Camp Beckenbauer“ in Kitzbühel. Sexwale, so Beckenbauer weiter, sei der richtige Mann für diesen Posten, weil er nicht direkt aus dem Fußball komme, sich aber sehr gut damit auskenne. Er habe „den Geruch der Neutralität“.
Und nicht nur Beckenbauer plädiert für einen Neuanfang mit Tokyo Sexwale. Schon Anfang August erreichte die Nachrichtenagentur Reuters ein Schreiben, aus dem hervorging, dass „Sexwale von mehreren hochrangigen Persönlichkeiten der Fußball-Gemeinschaft, darunter auch Leuten aus dem privaten Sektor, gebeten wurde, seinen Namen als Kandidat für die Fifa-Präsidentschaft ins Spiel zu bringen“.
Guerilla-Ausbildung in der Sowjetunion
In den Berichten über Sexwale kann man nun von Integrität, Unbescholtenheit und Kompetenz lesen. Begriffe, die in der Vergangenheit eher selten mit der Fifa in Verbindung gebracht wurden. Wer ist also dieser Erlöser, der so beliebt scheint wie kein Fifa-Funktionär es jemals war?
Sexwale, Jahrgang 1953, wuchs inmitten der ersten Unruhen im schwarzen Township Soweto auf. Schon in seiner Schulzeit, Ende der sechziger Jahre, schloss er sich verschiedenen Anti-Apartheid-Bewegungen an und leistete sich zum Teil bewaffnete Gefechte mit südafrikanischen Sicherheitskräften der Regierung. Anfang der Siebziger ging er für sein Wirtschaftsstudium nach Swasiland, 1975 ins Exil in die Sowjetunion, um dort eine Guerilla-Ausbildung zu bekommen. Bei seiner Heimkehr, 1976, wurde er festgenommen und zu einer 18-jährigen Haftstrafe verurteilt. Gemeinsam mit Nelson Mandela verbüßte er davon 13 Jahre auf der Gefängnisinsel Robben Island, zwölf Kilometer vor Kapstadt.