Wer, wie oder was gescoutet wird, ist selten klar. Stattdessen stehen hierbei viel zu häufig jene Ex-Profis im Vordergrund, die glauben, eine erfolgreiche Spielerkarriere reiche als Qualifikation für die Tätigkeit als Scout aus. Dabei bringt es die immer weiter vorangetriebene Professionalisierung der Rahmenbedingungen mit sich, dass die Bedeutung des Scoutings und somit die nötige Qualifikation der Scouts stetig wächst.
Doch was tun Scouts eigentlich? Klar, sie beobachten, für diese Erkenntnis bedarf es keines Englisch-Leistungskurses. Doch im Fußball lässt sich Etliches beobachten und damit setzt die Diversifizierung des Scoutings an. Im Grunde gibt es zwei Formen des Scoutings – zum einen die Beobachtung und Analyse von Spielen, zum anderen die Sichtung von Spielern. Die einen, die Spielerbeobachter, suchen nach potentiellen Neuzugängen, klopfen diese nach relevanten Gesichtspunkten ab und eruieren, ob es sich um eine potentielle Verstärkung handelt. Je intensiver dieser Prozess abläuft, desto wahrscheinlicher lässt sich ein teurer Transferflop vermeiden. Bayer Leverkusens Chefscout Norbert Ziegler beispielsweise legt größten Wert darauf, dass ein etwaiger Neuzugang absoluten Willen sowie persönliche Ausstrahlung beweist und unterstreicht mit Stolz, dass Bayer in seiner Amtszeit nicht einen Spieler unbeobachtet und auf halbseidene Tipps hin verpflichtete. Nicht eine DVD mit Traumtor-Medley und Hackentrick-Best-Of wird zur Empfehlung, sondern der Bewertungsbogen der Bayer-Scouts.
Vorzeigeprodukt Geromel – Bankrotterklärung Caio
Keine Überraschung also, dass Bayer bei diesem Aufwand ein relativ glückliches Händchen mit seinen Verpflichtungen hat und hatte. Nicht die Quantität der Scouts ist entscheidend, sondern die Qualität der Beobachtungsstruktur. Besonders stolz ist der 1. FC Köln diesbezüglich auf sein »SportsLab«, einer wahren »Scouting-Fabrik«, deren Leiter Boris Notzon behauptet, bei linearer Entwicklung sei man »in zehn Jahren das größte Fußballarchiv der Welt«. 30 Studenten, jeweils zuständig für eine Region dieser Welt, schauen sich unentwegt Spiele an und füllen die Datenbank. Als Vorzeigeprodukt des Kölner Scoutings gilt die Verpflichtung des Brasilianers Geromel, den man in Portugal entdeckte und die in ihn gesetzten Erwartungen übererfüllte. Heimlich wird man sich beiderseits des Rheins sicher ins Fäustchen lachen, wenn Frankfurts Heribert Bruchhagen nun zugibt, zu wenig über die persönlichen Befindlichkeiten des Millioneneinkaufs Caio gewusst zu haben – eine Bankrotterklärung der Frankfurter Scouting-Abteilung.
Doch nicht nur in Frankfurt gibt es im Spielerscouting Nachholbedarf. Ein Kernproblem ist oftmals die marginale Bedeutung, die dem Scouting beigemessen wird. Nicht selten geht es nur darum, verdiente Spieler in Lohn und Brot zu halten. Für diese eine angenehme Warteschleife und optimale Möglichkeit, ein dichtes Netz an Kontakten aufzubauen und zu pflegen; aber keine Tätigkeit, in die Herzblut investiert wird. Alles andere als eine gute Vorraussetzung, um effektiv und erfolgreich arbeiten zu können. Uwe Scherr, einst Profi auf Schalke, und vom damaligen S04-Manager Assauer zum Chefscout gemacht, lässt offen verlauten, dass er »nicht ewig Scout bleiben möchte« und viel lieber als Trainer arbeiten würde. Dass der FC Schalke auf dem Transfermarkt nicht vom Glück verfolgt wird und ein ums andere Mal arg daneben greift, erscheint vor dem Hintergrund dieses Statements zwangsläufig.
Auch in Rostock herrscht ein zweifelhaftes Verständnis vom Scouting. Dabei ist gerade ein finanziell klammer Verein wie der FC Hansa zwingend darauf angewiesen, Spieler zu entdecken, bevor andere dies tun, der Preis in die Höhe getrieben wird und Hansa in die Röhre schaut. Trotzdem kam die Ernennung Stefan Studers zum Scout eher einer Abschiebung als einer Wertschätzung seiner Qualitäten gleich. Nachdem er im Machtkampf mit Frank Pagelsdorf unterlegen war, wurde der bis dahin als Manager tätige Studer zum Nachwuchs-Scout degradiert und sollte auf diesem offensichtlichen Abstellgleis sein letztes Vertragsjahr abbummeln. Das tat er auch, schien aber Gefallen an dieser neuen Aufgabe zu finden, denn nun arbeitet er für den FC St. Pauli – als Scout.
Ausspionieren des Gegners
Ebenso wichtig wie die Sichtung potentieller Neuverpflichtungen ist die laufende Beobachtung und Auswertung von Spielen. Das Ausspionieren des Gegners ist so alt wie das Spiel selbst und war stets Bestandteil professioneller Vorbereitung; der Umfang indes wächst ständig. Mit großem Aufwand werden Dossiers angelegt, DVDs erstellt und Datenbanken gespeist. Öffentliche Wahrnehmung erfuhr dieses Jobprofil vor allem durch Urs Siegenthaler, vom damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann zum Chefscout des DFB ernannt und mit dem Auftrag ausgestattet, die Gegner der Nationalmannschaft bis in kleinste Detail zu sezieren.
Selbst über Teams wie Frankreich, Argentinien oder Italien, also Topteams, deren Qualitäten hinlänglich bekannt sind, vermag Siegenthaler noch neue Informationen zu gewinnen und widmet sich hierbei den psychologischen Komponenten des Spiels. »Emotionen entscheiden heute ein Spiel« weiß der Schweizer zu berichten und analysiert unter diese Maxime das Verhalten von Mannschaften, wenn sie unter Druck geraten oder wie sie mit Rückständen umgehen. Der Anspruch an Siegenthaler ist enorm – eine Flut an Informationen soll er auf den Punkt bringen, wunde Punkte des Gegners identifizieren und entsprechende Strategien empfehlen. Die Wertschätzung für Siegenthalers Arbeit ist so groß, dass sein Anteil am Erfolg immer weniger kommuniziert wird.
Während der WM 2006 war es Klinsmann sehr wichtig, seinen Flüsterer mit ins Rampenlicht zu zerren und den Ruhm mit ihm zu teilen. Inzwischen lässt man Siegenthaler aber lieber im Hintergrund – das Kapital eines Scouts ist schließlich dessen Informationsvorsprung und diesen gilt es nicht zu gefährden.