Cristiano Ronaldo ist derzeit die größte Reizfigur des europäischen Fußballs. Von seinen Fans als bester Fußballer der Welt vergöttert, wird der Portugiese von der Mehrheit verspottet. Dabei muss man ihm einfach auch mal Danke sagen.
Wie er da schon wieder steht: Die Beine breit, die Hände am imaginären Pistolenhalfter, den Rücken durchgestreckt, die Wangen aufgeplustert – einfach nur zum Kotzen. Oder jetzt: Die Augenbrauen hochziehend, mit aufgerissenem Mund, den Blick bettelnd gen Schiedsrichter gewandt, wirbelt er durch die Luft, weil sein Gegenspieler laut gehustet hat – widerlich. Oder guck nur, wie er seine Interviews gibt: Brilli im Ohr, gezupfte Augenbrauen, lässiges Perlweiß-Lächeln, jedes Haar einzeln gestriegelt von den besten Stylisten der Welt – schlimm. Keine Frage, Cristiano Ronaldo, dieser lachsfarbene Lachs aus Funchal in Portugal, ist das größte Übel, das der moderne Fußball in diese Welt gerotzt hat. Glitzernd verchromt, schmierig arrogant, bis zum Erbrechen durchinszeniert, gockelt der portugiesische Dribbelhahn über die Außenbahnen dieser Welt. Fünf Übersteiger hier, drei Rabonas da, ein Tunnel zwischendurch und dann diese Tore: kosmische 46 Hütten allein in der Primera Divsion, für Real Madrid, die Königlichen, seinen Klub, die Ausgeburt des Hochmuts. All das schreit nach unserer Aufmerksamkeit: „Schaut her“, ölt Ronaldo seinen Ansporn mit großer Pose Spiel für Spiel in die Welt, „ich bin der Beste!“ Dumm nur, dass ihm das niemand glauben will.
„Me, you! Fuck fuck!“
Denn Ronaldo ist ein Maschine, ein Roboter, der über zehn Millionen Euro im Jahr verdient, der als sein liebstes Hobby „Sit-Ups“ angibt und der Frauen nicht mit schmachtenden Liebesbriefen und teurem Essen betört, sondern einfach zu einer Kellnerin geht, trocken sagt: „Me, you! fuck fuck!“ und dem bildhübschen US-Girl im nächsten Spiegel dabei zusieht, wie sie ihm die Designerklamotten vom Leib reißt. Kein Wunder, er ist nicht hässlich. Nein, er ist der Hass. Das macht ihn zur Reizfigur von Millionen Fußballfans, deren Herzen er doch so gern im Sturm erobern würde. Doch sie lassen ihn einfach nicht rein. Es ist, als schwebe Ronaldo wie ein millionenschwerer Privatjet über der Fußballwelt – und bekommt einfach keine Landeerlaubnis. Und deswegen bleibt er immer in Bewegung, dreht seine Runden, verhöhnt seine Gegner mit Mätzchen. Applaus bekommt er selten. Zu selten, denn eigentlich sind wir alle Cristiano Ronaldo zu Dank verpflichtet.
Denn diese wandelnde Geltube mit der Nummer sieben ist mittlerweile die letzte Konstante im Weltfußball. Nachdem der FC Chelsea mit angeblichen Anti-Fußball die Champions League gewonnen hatte, wankte die allgemeine Überzeugung, dass einzig schöner Fußball erfolgreich sein kann. Der FC Barcelona, der größte gemeinsame Nenner aller Schöngeister, scheiterte in diesem Jahr gleich reihenweise an der Liebe zum eigenen Spiel. Und selbst wir Deutschen können nicht einmal mehr auf unsere letzte große Waffe vertrauen, nachdem Bastian Schweinsteiger und Co. zuletzt sang- und klanglos im Elfmeterschießen scheiterten. Gegen eine englische Mannschaft. Kurzum: Die Fußballfans wankten orientierungslos durch die Welt. Und so bleibt am Ende nur noch Cristiano Ronaldo als Fixstern der Gemeinsamkeit. Auf ihn können alle ihren Unmut projizieren, auf ihn können alle gnadenlos ihren niedersten Wortschatz kübeln. Die da unten schauen hoch zu ihm oben, wie er fällt, wie er hundeblickt, wie er schmalzt, wie er lächelt. In diesem Momenten liegen sich alle in den Armen und jauchzen: „Ist der scheiße!“
Wie sieht es in Ronaldo aus?
Ist das nicht herrlich? Ist das nicht wunderbar, dass ein Mann wie Cristiano Ronaldo uns alle vereint wie es Kohl, Gorbatschow und Genscher es niemals geschafft haben. Die einzigen Momente, in denen Ronaldo menschlich erscheint, sind die Momente des Scheiterns. Das EM-Finale 2004, das diesjährige Champions-League-Halbfinale gegen Bayern München. In diesen Augenblicken implodiert die Figur Cristiano Ronaldo, dessen Ego so schmerzhaft ist, dass man sich selbst dann beim hämischen Jubel erwischt, wenn er mal einen Übersteiger versaut. Dieses Ego überstrahlt alles, seine fußballerische Eleganz, seine fast schon übernatürlichen Fahigkeiten. Doch damit nicht genug, denn was würde uns aufgeklärte Menschen doch das schlechte Gewissen quälen, wenn wir ahnen würden, was all unsere Abneigung in Ronaldo auslöst. Sitzt er manchmal in seinem weißen Luxusauto und ist traurig? Hat auch er manchmal keine Lust aufzustehen und Supermodels anzubaggern? Sind auch ihm die Tricksereien manchmal eine Last? Wir wissen es nicht!
Denn auch diese Last der Verantwortung nimmt er uns von den Schultern, indem er keinerlei menschliche Regung zeigt. Er lässt uns nicht in sein Inneres blicken, er guckt immer gleich stolz, gleich aufgepumpt, gleich abgehoben. Statt für Nanosekunden seine Seele zu offenbaren und zu zeigen, dass Hass nicht nur stark macht, sondern auch verdammt weh tut, baut er eine beeindruckende Fassade um sich herum auf. So müssen wir nicht nachdenken, was wir einem Menschen antun, den wir mit Wonne über 90 Minuten hinaus verabscheuen. Im ersten Gruppenspiel der Europameisterschaft trifft Deutschland auf Portugal, trifft Deutschland auf Ronaldo. Und stellt sich dann Ronaldo zum Freistoß auf, werden wir alle trotzdem denken: „Wie er da schon wieder steht: Die Beine breit, die Hände am imaginären Pistolenhalfter, den Rücken durchgestreckt, die Wangen aufgeplustert – einfach nur zum Kotzen.“
Als er sich einmal der Frage gegenüber sah, warum er immerzu von den Fans ausgepfiffen werde, antwortete Ronaldo: „Die Leute sind neidisch, weil ich reich und schön bin.“ Es ist zu hoffen, dass er das nicht wirklich so meinte, sondern sich einfach nur seiner Rolle bewusst ist.