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Nach getaner Arbeit besteigt Sascha Möl­ders gemüt­lich den Zaun und greift nach dem Mikrofon, das ihm die Ultras vor die Nase halten. Breit und schwer und glück­lich steht er da, mit einer Hand sichert er den mas­sigen Körper am Metall, mit der anderen führt er gemäch­lich das Mikro an den den Mund. Scheiß FC Bayern“, ruft er. Scheiß FC Bayern“, ant­wortet die Kurve. Alle grinsen.

Es ist Sams­tag­mittag, gerade hat Möl­ders mit drei Toren den VfB Eich­stätt in der Regio­nal­liga-Bayern abge­schossen und die Tabel­len­füh­rung von 1860 zemen­tiert. Die Sonne scheint über der Stadt und über Sascha Möl­ders und über den blau-weißen Fans im Grün­walder Sta­dion, und wenn man in diesem Moment zum ersten Mal in einem Fuß­ball­sta­dion wäre, dann hätte man sich in diesem Moment ver­liebt. Dabei reden wir hier über 1860 Mün­chen.

Das schönste Sta­dion der Stadt

Denn mal voll­kommen wind­schief ange­nommen, der TSV 1860 Mün­chen wäre ein neuer Arbeits­kol­lege – der TSV 1860 Mün­chen hätte sich auf seiner ersten Weih­nachts­feier schon vor Mit­ter­nacht sturz­be­soffen an die viel zu junge und viel zu ver­ge­bene Prak­ti­kantin ran­ge­schmissen, danach vors Pis­soir gekotzt und dann ver­sucht, die Schuld dem ver­klemmten Typen aus der IT in die Schuhe zu schieben. Der dum­mer­weise gar nicht trinkt. Anders aus­ge­drückt: Viel flotter als der TSV 1860 Mün­chen kann man sich den eigenen Ruf nicht ver­sauen.

Ego­zen­tri­scher Investor, aus hei­terem Himmel gekün­digte Mit­ar­beiter, aus­ge­sperrte Jour­na­listen, Lizenz­entzug, Regio­nal­liga-Bayern – beim anderen Klub in Mün­chen lief zuletzt so ziem­lich alles schief, was hätte schief laufen können. Bis auf eine ein­zige Sache: Die erste Mann­schaft spielt sei dem Sommer zur Freude der Fans wieder im Sta­dion an der Grün­walder Straße. Dem tra­di­ti­ons­reichsten Sta­dion der Stadt. Und, mit Ver­laub, dem schönsten.

Keine Video­lein­wand, keine Kiss-Cam, keine Halb­zeit­show

Denn vieles, was Fuß­ball aus­macht, lässt sich hier ohne das sonst übliche Tamtam erleben. Steh­tri­bünen aus Beton, so nah am Spiel­feld, dass man die Schweiß­perlen auf der Stirn von Sascha Möl­ders erkennen könnte, wenn er denn schnell genug liefe, um zu schwitzen. Wurst und Bier und Leberkäs-Semmel an Bier­zelt­ti­schen, die nicht gebrandet sind vom Gas­tro­nomie-Anbieter, son­dern aus­sehen wie pro­vi­so­ri­sche Stände auf dem Mai­fest der Frei­wil­ligen Feu­er­wehr. An denen das Geld am Aus­schank bar den Besitzer wech­selt, weil an ein elek­tro­ni­sches Bezahl­system nicht im Traum zu denken ist. Außerdem gibt es: keine Video­lein­wand, keine Kiss-Cam, keine Halb­zeit­show. Die Leute sind ja wegen Fuß­ball hier.

Um das Sta­dion herum tum­meln sich Kneipen, die vor und nach Abpfiff über­quellen vor Sechzig-Fans. Welche, erstmal im Sta­dion ange­langt, überall für Stim­mung sorgen. Also nicht nur in der West­kurve, wo die Ultras stehen, son­dern auch auf den beiden Längs-Tri­bünen. Die an diesem Mittag kom­plett in blau und weiß getaucht sind. So bald man dieses Sta­dion betritt, ist klar: Mün­chen ist auch im Jahr 2018 nicht nur der FC Bayern. Son­dern, zumin­dest in diesem Teil der Stadt und jedes zweite Wochen­ende, auch ein kleines, etwas weniger auf­ge­ta­keltes Dorf namens Sechzig.