„Steht auf, wenn ihr Deutsche seid“ ist schwer zu singen. Behauptet jedenfalls Musikwissenschaftler Prof. Dr. Hartmut Fladt. Eine Analyse bekannter Fangesänge.
The Fields of Athenry
Der irische Fußball ist absolute Weltklasse. Zumindest was die Fans anbelangt. Die sind nicht nur positiv verrückt, sondern singen auch noch besser als alle anderen. Das liegt an der langen Singkultur, die dem Land eingeschrieben ist. In jedem Dorf wird gesungen, gibt es Chöre oder eine anständige Band. The „Fields of Athenry“ nun ist eine Mischung aus Folksong und Hymnus.
In den Siebzigern vom Iren Pete St. John geschrieben, erzählt es von einem Mann, der alles versucht, um seine Familie durch die Hungersnot zwischen 1846 und 1849 zu bringen.
Der ein wenig Getreide stiehlt und dafür nach Australien deportiert wird. Ein klassisches Freiheits- und Widerstandslied. Musikalisch zeichnet es sich durch sein getragenes Tempo aus. Die Melodie allerdings ist alles andere als einfach zu singen.
Und dennoch beherrschen die irischen Fans sie allesamt. Und singen sie auch alle. Aber: Sie können es eben auch. Im Gegensatz zu vielen anderen Fans. Über die Deutschen zum Beispiel wussten schon die Römer zu berichten: „Frisia non cantat.“ Die Friesen singen nicht.
Steht auf, wenn ihr Deutsche seid
Das Gegenstück zur Hymne – die Anfeuerung. Ein beliebter Fangesang, von vielen Vereinen und Ländern adaptiert. Dabei ist das wirklich schwer zu singen! Die Melodie hat viele Sprünge und Harmonien. Während zum Beispiel ein typisches Volkslied in der Regel mit zwei bis drei Harmoniestufen auskommt, sind es hier gleich sieben. Und so stimmt zwar meist der Rhythmus, aber melodisch wird das oft ein ziellos schiefes Auf und Ab.
Der Ursprung ist mindestens genauso spannend. Den meisten ist es als Abwandlung des Pet-Shop-Boys-Klassikers „Go West“ bekannt. Dabei haben die es von den Village People „gecovert“. Die es vom zweiten Teil der russischen Nationalhymne geklaut haben. Und die Russen haben es wiederum vom berühmten Kanon des Nürnberger Barock-Komponisten Johann Pachelbel aus dem 17. Jahrhundert übernommen.
Ten German Bombers
Während des zweiten Weltkrieges als Reaktion auf die verheerenden deutschen Blitzkrieg-Bombenangriffe und von britischen Schulkindern umgedichtetes Lied. Die Melodie folgt dem traditionellen „She’ll Be Coming Around the Mountain“, im Deutschen als „Von den blauen Bergen kommen wir“ bekannt.
Im Aufbau imitiert es das als Zählreim bekannte Kinderlied „Ten Green Bottles on the Wall“: Die Royal Air Force schießt einen deutschen Bomber nach dem nächsten ab. Ein typisches Prinzip bei satirisch-spaßigen Spottliedern. Es sind zumeist ursprüngliche Kinder- oder Weihnachtslieder, die textlich ins Ironische umgekehrt werden.
Dem erlebten Grauen mit Spott zu begegnen, ist gerade in England ein sehr verbreitetes Phänomen. Und wenn das Gros der deutsch-englischen Fußballduelle kein Grauen war für die Fans der Three Lions, was dann? In Deutschland hingegen gibt es den Spottgesang traditionell sehr wenig. Was auch zeigt, dass der Verbreitungsgrad von Liedgut immer auch eine Entsprechung der Mentalität ist.