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Bjärred 1958
Pure Feri­en­idylle im Strandbad Bjärred und boh­rende Lan­ge­weile – die Truppe durfte noch nicht einmal zum Mini­golf.

Ein dring­li­cher Anruf bei der Hotel­lei­tung, dann konnte Sepp Her­berger doch noch auf­atmen. In letzter Minute war dem sit­ten­strengen Bun­des­trainer ein­ge­fallen, dass die Zim­mer­mäd­chen des schwe­di­schen Hotels im idyl­li­schen Feri­enort Bjär­reds Salts­jöbad womög­lich seinen Schütz­lingen schöne Augen machen könnten. Als die deut­sche Natio­nalelf dann im Juni 1958 ihre Hotel­zimmer bezog, standen aus­schließ­lich männ­liche Zim­mer­kellner Spa­lier. Blanke Ent­täu­schung bei der kämp­fenden Truppe, dabei war die Laune man­cher Spieler schon zuvor im Keller gewesen, ins­be­son­dere bei Fritz Walter und Helmut Rahn. Weil die beiden ver­dienten Rou­ti­niers zu spät am Treff­punkt Ham­burger Haupt­bahnhof ein­ge­troffen waren, hatten die geschwächten Senioren ihre zent­ner­schweren Koffer selbst in den Zug wuchten müssen. Vor Ort machte sich als­bald boh­rende Lan­ge­weile breit. Her­berger verbot sogar die Aus­flüge zum Mini­golf­platz, nachdem sich dort unter­le­gene Spieler der Tob­sucht hin­ge­geben hatten.

Dar­über hinaus litten viele Spieler unter Schlaf­entzug. Es war Mitt­sommer und dem­entspre­chend auch nachts durchweg tag­hell. Dass die Fei­er­lich­keiten zudem tra­di­tio­nell zur Paa­rung genutzt werden, sorgte für mensch­liche Härten. Punkt 24 Uhr standen unsere Spieler schlaf­trunken auf dem Balkon des Hauses und beob­ach­teten sehn­suchts­voll den Tanz der Jugend um den Mitt­som­mer­baum. Es fiel ihnen nicht leicht, Her­ber­gers strengem Befehl ›Abso­lute Ruhe‹ zu folgen“, seufzte mit­leidig das Sport­ma­gazin“, um dann nur vage anzu­deuten: Die laue Nacht lockte zu mun­terem Treiben.“ Die Spieler waren zum Miss­fallen des Bun­des­trai­ners zuvor unzu­lässig auf­ge­heizt worden, von einer über­wie­gend weib­lich besetzten Volks­tanz­gruppe aus Schwaben, die über­ra­schend nach Bjärred raus­ge­tu­ckert war. Folgt man dem Sport­ma­gazin“, hatten sich nahezu ero­ti­sche Exzesse abge­spielt: Den Abschluss der frohen Stunde bil­dete eine Polo­naise, Spieler und Schwa­ben­mädel zogen um den auf der Wiese auf­ge­stellten Mitt­som­mer­baum!“ Dann aber war Schluss mit dem Sit­ten­ver­fall. Denn siehe, wer da unkeusch sün­digt, dem ver­dorre die Hand. Tags darauf ging es für die Mann­schaft ohne die Weiber auf den Öre­sund zum Fischen, anschlie­ßend aller­s­trengste Bett­ruhe. Kein Wunder also, dass einige Spieler die Lan­ge­weile ent­schlossen mit Alkohol bekämpften. Sie zählten darauf, dass Herr Berger nicht mehr ganz so ent­schlossen wie früher den Abs­ti­nenzler gab. In Bjärred drückte Her­berger tat­säch­lich sämt­liche Hüh­ner­augen zu. Als er bei einem seiner unzäh­ligen Kon­troll­gänge tat­säch­lich eine Bat­terie geleerter Schnaps­fla­schen unter dem Fenster von Horst Szy­ma­niak fand, setzte es nur einen milden Tadel.

Malente 1974
Bewacht von der GSG 9, ver­pfiffen von Jupp Der­wall – wer in Malente dabei war, blieb trau­ma­ti­siert fürs Leben. 

Noch heute bricht vielen aus dem WM-Kader von damals der kalte Schweiß aus, beim Gedanken an die blei­erne Zeit in der Hol­stei­ni­schen Schweiz. Draußen patrouil­lierte die GSG 9, um einen Trai­nings­be­such von Jan-Carl Raspe zu ver­hin­dern, drinnen tobte der Lager­koller. Ein­ge­pfercht in elf Qua­drat­meter große Dop­pel­zimmer (immerhin mit Obst­korb), drehten die Profis bald durch. Als Heidi Brühl zu einem PR-Besuch vor­bei­schaute, jam­merte Kapitän Becken­bauer: Jetzt sind wir schon eine Woche hier und müssen noch drei Wochen in diesem Gefängnis sitzen.“ Die Brühl, so heißt es, erbarmte sich des dar­benden Kaisers.Vor allem um die Prä­mien im Falle eines WM-Sieges wurde wild gefeilscht. Als die Mann­schaft das läp­pi­sche DFB-Angebot von 50 000 Mark Sieg­prämie ablehnte, ras­tete Helmut Schön aus. Der Bun­des­trainer, ohnehin wegen des Able­bens seines Pudels tief depri­miert, tobte: Paul Breitner, dieser Rädels­führer, dieser Maoist!“ Das wollte Trotz­kist Breitner nicht auf sich sitzen lassen. Gerd Müller stürmte auf­ge­regt auf den Flur: Paul will abhauen, er packt schon!“ Nur mit Mühe konnte Breitner zum Bleiben über­redet werden, wäh­rend Schön schon mal durch­plante, wen er aus dem ursprüng­li­chen 40er-Kader anstelle der meu­ternden Kicker gebrau­chen könnte. Auf dem Flur wurde Assis­tent Der­wall von Höttges atta­ckiert: Du grauer Elch, was willst du denn?“ Der­wall hatte zuvor bereits Helmut Kre­mers ver­petzt, der sich bei der GSG 9 einen Wagen aus­ge­borgt hatte und nach Ham­burg gebret­tert war. Just als sich Kre­mers am frühen Morgen beim uni­for­mierten Wagen­be­sitzer mit einem Bier bedankte, lurchte der ser­vile Assis­tent um die Ecke und machte hacken­schla­gend Mel­dung. Kremers:„Ab dem Zeit­punkt hatte sich die WM für mich erle­digt.“

Der­weil blühte in der Kaserne ein ver­zwei­felter Pen­nä­ler­humor. Sepp Maier und Nor­bert Nigbur ließen zwei Schiffs­glo­cken, ein Prä­sent der Stadt Ham­burg, schep­pern und brüllten dazu Über­fall, Über­fall“, was sofort aller­feinste Moga­di­schu-Stim­mung ins beschau­liche Malente brachte. Irgend­wann wollte dann auch Maier mal raus, gemeinsam mit Uli Hoeneß ging es zu den Ehe­frauen nach Ham­burg. Künst­ler­pech jedoch, in der Han­se­stadt gab plötz­lich die Bremse ihren Geist auf. Maier kurvte mit noch eini­ger­maßen funk­ti­ons­fä­higer Hand­bremse im Anschlag den kom­pletten Weg zurück nach Malente. Um acht Uhr mor­gens ging es dann direkt aus dem Wagen zum Trai­ning, die rechte Hand des Kee­pers von der stän­digen Brem­sen­zie­herei voller Blasen. Helmut Schön sah die beiden her­an­wanken, zog aber die fal­schen Schlüsse: Wenn ich euch so anschaue, ver­quol­lene Augen, grau im Gesicht. Das kommt von der ver­dammten Sau­ferei!“

Asco­chinga
Im India­ni­schen heißt Asco­chinga Toter Hund“. Ange­sichts der Einöde nahe Cor­doba war das noch unter­trieben.

Der Kicker“ geriet vor dem Tur­nier ins Schwärmen ange­sichts des deut­schen Quar­tiers: In einem hüge­ligen Feri­en­ge­biet mit viel Aus­lauf und einem großen Golf­platz, mit geräu­migen Zim­mern und breiten Betten.“ Die Rea­lität sah anders aus: Ein Arbeits­lager, es war kühl und steril, ein paar ver­wil­derte Sträu­cher um die Bun­ga­lows, rie­sige zer­rupfte Rasen­flä­chen, alles mitten in der Pampa“, resü­mierte ZDF-Reporter Rolf Kramer.

Es wurden furcht­bare Wochen für die Natio­nal­spieler, kaser­niert im Erho­lungs­heim der argen­ti­ni­schen Luft­waffe, umzin­gelt von Sol­daten, die die deut­sche
Natio­nalelf inmitten der Mili­tär­dik­tatur vor Gue­rilla-Atta­cken schützen sollten. Rolf Rüss­mann nannte bitter das Mit­tag­essen den Höhe­punkt des Tages“. Den Sound­track zum depri­mie­renden Essen­fassen lie­ferte jeden Mittag Franz Lam­bert, der auf seiner Orgel zahl­lose Hei­mat­lieder her­un­ter­lei­erte. Fern­seher auf den Zim­mern gab es nicht. Wer aus der Einöde nach Hause tele­fo­nieren wollte, musste sich zuvor anmelden. Dann stoppte einer vom DFB die Zeit, das ver­te­le­fo­nierte Geld wurde hin­terher als Spesen ver­rechnet. Als Bernd Höl­zen­beins Frau per Fernruf von der Geburt des Sohnes berichten wollte, wurde ihr beschieden, der Spieler dürfe jetzt aber nicht gestört werden. Die Moral war als­bald im Tief­par­terre, beim Trai­ning wurde Dienst nach Vor­schrift ver­richtet. Jedes Mal wenn Abramczik in Rich­tung Gebüsch lief, war die pure Lan­ge­weile in sein Gesicht geschrieben“, erin­nerte sich ZDF-Mann Kramer. Manch einem trübte die argen­ti­ni­sche Hitze das Gemüt.

Bern­hard Dietz behaup­tete hin­terher steif und fest, er habe in Asco­chinga den Red­ford-Kra­cher Der Clou“ min­des­tens 370 Mal ange­schaut. Was Augen­zeuge Bernd Höl­zen­bein später jedoch ins Reich der Fabel ver­wies: Wo will er den gesehen haben? Da müsste es ja ein Kino gegeben haben. Davon weiß ich nichts. Das würde mich jetzt aber mal inter­es­sieren.“ Ein streu­nender Gas­sen­hund wurde von der zu Tode gelang­weilten Mann­schaft als Mas­kott­chen aus­er­koren. Über­ra­schende Besu­cher kamen auch vorbei. Dem frü­heren Kol­legen Günter Netzer wurde der Zutritt ver­wehrt, ein anderer durfte nach Rück­sprache via Walkie-Talkie hinein: Alt­nazi und Kampf­flieger Hans-Ulrich Rudel, über­ra­schen­der­weise ein richtig guter Kumpel nicht nur von Bun­des­trainer Schön, son­dern auch von Vor­gänger Seppl Her­berger. Die Empö­rung in der Heimat mochte DFB-Prä­si­dent und Rechts­aus­leger Neu­berger dann gar nicht anders emp­finden als eine Belei­di­gung aller deut­schen Sol­daten“. Min­des­tens.

Schluchsee & Gijon
Der Schluchsee wird zum Schlucksee, in Gijon bela­gern die Schau­lus­tigen das Hotel. Das hilft nur Kar­ten­spielen.

Dieter Kürten war voll des Lobes. Am Schluchsee in wür­ziger Schwarz­wald­luft tankten die Spieler fri­sche Kräfte!“ Eine hüb­sche Umschrei­bung für den von Toni Schu­ma­cher als Sauf­bums­zock-Trai­nings­lager beschrie­benen Auf­ga­lopp zur WM 1982. Der DFB hatte sparsam wie eh und je nur 40 Zimmer ange­mietet, wenig über­ra­schend wurden die Spieler tags­über von Pau­schal­tou­risten bela­gert. Auch die Geliebten einiger Kicker quar­tierten sich kur­zer­hand im Hotel ein, der wür­zigen Schwarz­wald­luft wegen. Eike Immel: Klar, dass da auch mal getrunken wurde.“ Gequalmt wurde auch, mit­unter so sehr, dass Uwe Reinders in Paul Breit­ners WM-Buch nur Der Rau­cher“ genannt wurde. In Gijon wurde es nicht besser, das Luxus­hotel Prin­cipe de Astu­rias lag an der Strand­pro­me­nade, der Lärm war infer­na­lisch. Wir hatten nicht mal einen Fern­seher auf dem Zimmer, die reinste Kaserne“, schau­dert es Immel. Die Ret­tung: Zur Ablen­kung spielten wir gele­gent­lich Karten.“ Nur gele­gent­lich.

Quer­etaro
Becken­bauer sin­niert über den per-fekten Mord und der noto­ri­sche Uli Stein macht sich oben herum frei.

In einem hell­sich­tigen Moment hatte Team­chef Becken­bauer fest­ge­stellt: Mit dieser Mann­schaft werden wir nie Welt­meister werden.„ Am Ende reichte es tat­säch­lich nur zum Finale. Dazwi­schen geschah Denk­wür­diges: Neid und Miss­gunst“ (Udo Lattek) zwi­schen Kölner und Münchner Spie­lern. Uli Stein sonnte sich beim Grup­pen­spiel gegen Uru­guay demons­trativ oben ohne auf der Ersatz­bank und durfte nach aber­ma­ligem Kon­troll­ver­lust („Sup­pen­kaspar“) vor­zeitig heim­fahren. Der Jour­na­list Miguel Hirsch berich­tete über Dis­zi­plin­lo­sig­keiten im deut­schen Lager, was Becken­bauer über die beste Todesart für den schmäch­tigen Mexi­kaner sin­nieren ließ: Da braucht man nur kurz zuzu­drü­cken.“ Der Satz des Tur­niers gelang Dieter Hoeneß: Du darfst alles zu mir sagen, aber nicht Idiot. Ich weiß, was ich im Kopf hab´, und ich weiß, was du im Kopf hast, und des­halb sagst du nicht Idiot zu mir!“ Der Adressat: Franz Becken­bauer.