Im Sommer wechselt Eintracht Frankfurts Sebastian Rode zum FC Bayern München. Die wenigsten glauben, dass er im Starensemble des Rekordmeisters eine realistische Chance haben wird. Ehemalige Weggefährten trauen ihm hingegen alles zu. So wie Jürgen Baier, sein A‑Jugendtrainer in Offenbach.
Bernd Hölzenbein ist Schuld. Denn eigentlich wollte Frankfurts Manager Heribert Bruchhagen den Jungen gar nicht haben. Doch der Weltmeister von 1974 und heutige Eintracht-Scout redete so lange mit Nachdruck auf Bruchhagen ein, dass dieser im Sommer 2010 schließlich bereit war, 300.000 Euro Ablöse für Sebastian Rode zu bezahlen. Viel Geld für einen 19-Jährigen Mittelfeldspieler, der gerade einmal 15 Drittligaspiele für Kickers Offenbach vorzuweisen hatte.
Doch es sollte sich lohnen, das erkannte auch Bruchhagen. Zwar riss sich Rode in jenem Sommer das Kreuzband, doch spätestens nachdem er in der Rückrunde gegen den HSV debütierte, waren alle Zweifel weggewischt. „Er ist der beste Spieler, seitdem ich in Frankfurt arbeite, und das sind immerhin schon neuneinhalb Jahre“, sagte Bruchhagen.
Im Sommer 2014 steht Rode nun vor seinem nächsten Karriereschritt: Er wird zum FC Bayern wechseln. Doch es ist wie damals im Sommer 2010, denn wieder überwiegt die Skepsis. Neulich erst befragte die „Offenbach Post“ ihre Leser, ob Rode sich bei den Bayern durchsetzen wird. 91,3 Prozent glauben nicht daran.
Doch auch dieses Mal hat Rode Fürsprecher. Einer von ihnen ist Jürgen Baier, sein Jugendtrainer beim OFC. Er ist sich sicher: „Die Bayern werden sich schon was bei dem Transfer gedacht haben. Außerdem: Beim Seppl sollte man niemals nie sagen.“
Der Mann muss es wissen. Schließlich war er selbst viele Jahre Fußballprofi und absolvierte über 320 Zweitligaspiele. Außerdem ist er Vater von Augsburgs Daniel und Darmstadts Benjamin Baier.
Jürgen Baier, war Ihnen schon in der Offenbacher A‑Jugend bewusst, dass das mal einer für Bayern München sein könnte?
Dass der Seppl ein außergewöhnliches Talent besitzt, war schon damals klar. Er hatte von jeher diese Dynamik und die besondere Fähigkeit, den Ball zu klauen. Dabei war er ja ein halbes Hemd. Ein richtig sehniger Junge, von dem man dachte, wenn man ihn anpustet, fällt er um. Aber komischerweise fielen immer die anderen. Er hat einen im Zweikampf im wahrsten Sinn des Wortes seine Knochen spüren lassen. Da war die Drahtigkeit sein Vorteil.
Was zeichnet ihn noch aus?
Sebastian ist einfach ein guter Junge, eine ehrliche Haut. Zudem kommt er aus einer tollen Familie, das darf man nicht unterschätzen. Sebastian hat einen klaren Kopf, weiß, was er will und ist bereit, viel dafür zu tun. Zudem ist er ein lieber Kerl. Der lacht einen an, dass man gar nicht anders kann, als auch zu lächeln, egal wie mies die Laune vorher vielleicht war.
Doch nicht nur Baier war beim OFC von Rode überzeugt. Der damalige Trainer der Kickers, Wolfgang Wolf, der den A‑Jugendlichen Rode frühzeitig und regelmäßig in der ersten Mannschaft einsetzte, war sich ebenso über dessen Bundesligatauglichkeit sicher wie Andreas Möller, seinerzeit Manager der Offenbacher. „Er ist ein Riesenkicker mit außergewöhnlichem Potential“, sagte Möller Ende 2010 in einem Interview mit „Spox“.
Und auch Heiko Herrlich, Rodes U19-Nationaltrainer, war voll des Lobes und fühlte sich an den jungen Matthias Sammer erinnert. Jürgen Baier findet diesen Vergleich passend, beschreibt seinen ehemaligen Schützling im positiven Sinn als Sturkopf mit großem Selbstbewusstsein und eisernem Willen. Er habe dennoch manchmal Sorge gehabt, dass Rode keinen Bundesligavertrag bekommen könnten. Nicht, weil er ihn zu schlecht fand, sondern weil er sich selbst hinterfragt hätte. „Ich dachte oft: „Wenn der jetzt keinen (Bundesliga-)Vertrag kriegt, dann weißt Du als Trainer auch nicht mehr, ob Du was kannst.“
Dabei ist Rodes Entwicklung ein Anachronismus zur modernen Talentförderung im deutschen Fußball. Denn er entstammt nicht einem jener hypermodernen Nachwuchsleistungszentren, für die die Bundesligisten inzwischen jedes Jahr Millionensummen ausgeben und in denen den Talenten bei optimalen Bedingungen fast alles abseits des Fußballs abgenommen wird. Für Jürgen Baier ist das aber nicht unbedingt ein Nachteil.
„Man muss den Hut ziehen“
Er erinnert sich an schlechte Trainingsbedingungen in Offenbach und einen Kunstrasenplatz voller Löcher. „Als Trainer konnte ich oftmals nur den Hut ziehen, dass die Jungs trotzdem ihr Ding durchgezogen haben“, sagt er heute. „Aber auch das hat seinen Vorteil: In Offenbach kommt man nicht auf die Idee, hochnäsig zu werden.“
Die Gefahr abzuheben, scheint bei Rode in der Tat nicht zu bestehen. Seit Beginn des Jahres ist er „Präventionsbotschafter des Landes Hessen“, geht in Schulen und Bildungseinrichtungen, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, deren Weg nicht immer so geradlinig verlief wie sein eigener. Denen berichtet Rode dann, dass es ihn mindestens ebenso viel Überwindung koste, vor ihnen zu sprechen, wie es sie belasten würde, in ein Vorstellungsgespräch zu gehen.
In der Lehre beim FC Bayern
Dass es lohnt, sich Herausforderungen zu stellen, hat Rode mit dem Wechsel von den Offenbacher Kickers zum verhassten Rivalen Eintracht Frankfurt schon einmal bewiesen. Da erscheint der Wechsel zu den Bayern fast logisch. „Seppl muss marschieren“, sagt Jürgen Baier und meint damit sowohl den Fußballer, als auch die Persönlichkeit Sebastian Rode. Er ist sich sicher, dass Rode die Zweifler Lügen strafen wird. „Und selbst, wenn er sich in München nicht durchsetzt, wird er dort soviel gelernt haben, dass er für jeden anderen Bundesligisten interessant ist.“
Und wer dennoch skeptisch bleibt, muss einfach nur bei Bernd Hölzenbein anrufen.