Wenn ein Fern­seh­sender ein­ein­halb Stunden vor einer Sport-Über­tra­gung auf Sen­dung geht, muss es sich schon um ein beson­ders wich­tiges Ereignis han­deln. Bei RTL war das am Sonn­tag­abend der Fall. Zum ersten Mal seit knapp 20 Jahren zeigte der Kölner Pri­vat­sender wieder ein Spiel der deut­schen Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft. Der Zwang, die Qua­li­fi­ka­tion dau­ernd auf eng­lisch als Euro­pean Qua­li­fier“ anzu­preisen, zeigte bereits: Das Event steht im Vor­der­grund.

RTL, das ist eigent­lich Formel 1 und Boxen. Zwei Sport­arten, in denen die Insze­nie­rung oft wich­tiger ist als der Sport. Im Fuß­ball-Alltag ist das (noch) anders. Und genau des­wegen wirkte die Bericht­erstat­tung auch geküns­telt. Zwar machten die Kölner mit einem Count­down zum Spiel, einem Gespräch mit Jogi Löws Fri­seur oder emo­tio­nalen Bilder zu epi­scher Musik im Grunde nur da weiter, wo ARD und ZDF bei der WM auf­ge­hört hatten. Aller­dings mit dem feinen Unter­schied, dass RTL nicht das WM-Finale, son­dern den Auf­takt einer Qua­li­fi­ka­ti­ons­runde über­trug, in der die deut­sche Natio­nalelf unter anderem auf Polen, Gibraltar und Irland trifft. Will­kommen in der Rea­lität.

Schotte sein bedeutet Mann sein“

Die RTL-Insze­nie­rung ging auf Kosten des Sports und einigen inter­es­santen Hin­ter­grund­in­for­ma­tionen. Den sport­liche Blick auf den schot­ti­schen Gegner gab es ebenso wenig wie ein Wort zum Refe­rendum über die Unab­hän­gig­keit von Groß­bri­tan­nien, aktuell immerhin das Thema auf der Insel. Statt­dessen erfuhr der Zuschauer, warum Schotte sein, vor allem Mann sein“ bedeutet.

Auch die neuen Gesichter über­zeugten zunächst nicht. Mode­rator Flo­rian König und Experte Jens Leh­mann grüßten fast minüt­lich von anderen Schau­plätzen aus dem Dort­munder West­fa­len­sta­dion. Mal schwa­dro­nierten sie auf der Tri­büne vor fleißig win­kenden Schland“-Fans, mal plau­derten sie hinter dem Tor, in dem sich Manuel Neuer aufs Spiel vor­be­rei­tete. Die Tiefe der Dia­loge und Ana­lysen blieb bei den vielen Orts­wech­seln auf der Strecke. König: Weiß Neuer, dass es ein guter Tag wird?“ Leh­mann: Ne, dann wäre er Hell­seher.“

Immer wieder Unter­bre­chungen

Der Mode­rator fiel seinem Experten außerdem immer wieder ins Wort. Er tat das leider vor allem immer dann, wenn es mal tief­grün­diger zu werden drohte. Leh­mann wirkte dann irri­tiert. Als König kurz vor dem Spiel mit dem Frei­stoß-Spray her­um­fuch­telte und es dem ehe­ma­ligen Natio­nal­tor­wart vor die Füße spritzte, schaute Leh­mann, als wäre er gerade dem Leib­haf­tigem begegnet. Viel­leicht zün­deten die Gespräche der beiden Län­der­spiel-Novizen aber auch nicht, weil sie immer wieder von unsäg­li­chen Wer­be­blö­cken unter­bro­chen wurden.

Denn eine ver­nünf­tige Bericht­erstat­tung war zwi­schen Män­ner­shampoo-Prä­sen­ta­tionen, Auto-Anprei­sungen und Rasur-Tipps nur schwer mög­lich. Zum Bei­spiel in der Halb­zeit­pause. Die Ana­lyse von König und Leh­mann dau­erte etwa 30 Sekunden und lief unge­fähr so ab:

König: Und, wie war’s?“
Leh­mann Flottes Spiel, wir haben ein paar Chancen, Thomas Müller macht den Unter­schied.“
König: Wir melden uns gleich wieder. Mit den zweiten 45 Minuten.“

Und Wer­bung. Keine Nach­richten, kaum High­lights.

Eine woh­tu­ende Abwechs­lung: Marco Hage­mann

Immerhin offen­barte sich im Spiel der Licht­blick des RTL-Natio­nal­mann­schaft-Come­backs: Marco Hage­mann. Der Reporter, in der ver­gan­genen Saison noch für Sky am Mikro, über­zeugte auf ganzer Linie. Unauf­ge­regter Kom­mentar, inter­es­sante Fakten und Zahlen sowie die kor­rekte Bewer­tung kniff­liger Szenen (etwa den nicht geahn­deten Ring­kampf von Höwedes gegen Nais­mith).

Mit dem Abpfiff hieß es aber wieder: Schluss mit Fach­wissen und Tiefe, auf zur neu­er­li­chen Auf­lage des Brim­bo­riums rund um das Spiel. Zum Abschluss mar­schierte der Bun­des­trainer ins RTL-Studio. Dass er dabei von einer Kamera begleitet und vor dieser gepu­dert wurde, war eigent­lich lustig anzu­schauen. Pein­lich war jedoch die Show, die Löw im Studio erwar­tete. Anschei­nend hatte sich RTL vor­ge­nommen, krampf­haft die Vor­liebe des Bun­des­trai­ners für Espresso ins Pro­gramm ein­zu­bauen. Also fragte König rhe­to­risch in Rich­tung Regie: Haben wir einen Espresso?“ Der stand natür­lich längst bereit und wurde für Löw auf dem Tisch dra­piert. Der Mode­rator fragte den Bun­des­trainer: Ist es zu der Tages­zeit noch oppurtun?“ Löw cool: Eigent­lich trinke ich ab viertel vor elf keinen mehr.“ König wirkte geschockt. Löw: Schon okay.“

Fazit: Man wird sich arran­gieren müssen!

RTL hat sicher einen anderen Anspruch als die Öffent­lich-Recht­li­chen. Weder das Spiel, noch die Bericht­erstat­tung waren wirk­lich berau­schend. Ver­mut­lich wird der Kölner Sender aus vielen Kri­tiken lernen und einige Dinge ändern. Wer aber denkt, dass plötz­lich tief­grün­dige Sport-Inhalte vor­kommen und die Wer­be­blöcke ver­schwinden, glaubt wohl­mög­lich auch an den Weih­nachts­mann.

Viel­leicht ist es ein pro­bates Mittel, nur noch für 90 Minuten Spiel­zeit ein­zu­schalten. Ohne Tamtam, ohne Bohei, ein­fach 90 Minuten Fuß­ball, kom­men­tiert vom unauf­ge­regten Hage­mann. Und in der Halb­zeit, da kann man sich ja auch ein­fach auf dem Klo ver­schanzen. Eine 30-sekün­dige Ana­lyse bekommt man da ver­mut­lich auch noch hin.