Die mehrgleisige Regionalliga entfacht nach der letzten Reform erneut heftige Debatten. Für die einen die Champions League, befürchten ambitionierte Vereine eine Art Dauerexil ob der umstrittenen Relegationsspiele. Visite beim Problemkind Fußballdeutschlands.
Tiefer Tannenwald, in der Mitte ein sandiger Naturweg. Und ganz am Ende, wenn der Wald den Weg freigibt, empfängt den Gast ein Natur-Panorama: der Wolzensee, maritime Idylle in der Brandenburger Havellandschaft. Doch am 17. November des letzten Jahres interessiert dieses Kleinod die wenigsten Anreisenden. Sie biegen rechts ab und setzen ihren Weg noch etwas fort. Stadion Vogelgesang heißt das Ziel, Optik Rathenow gegen den 1. FC Magdeburg die Partie. Diese Begegnung steht symbolisch für die Situation der Regionalligen Deutschlands, jenen Mischwesen, bei denen man sich ständig fragt, ob das noch der Wurmfortsatz des Profifußballs oder doch schon die Spitze der Amateur-Pyramide sei.
Rund 1000 Anhänger aus Magdeburg sorgen in dem kleinen und engen Stadion für gute Atmosphäre. Mitten im Trubel steht Ingo Kahlisch, Trainer des FSV Optik, und wirkt so, als sei all die Betriebsamkeit um ihn herum routinierter Alltag. Er dirigiert, er lamentiert, trotz der knapp 2000 Zuschauer und all der Medienvertreter, sogar ein paar überregionale sind da, die erfahren wollen, was das denn für eine wundersame Story sei mit dem FSV. Es ist eine Geschichte, die der 56-Jährige in diesen Tagen häufiger erzählen muss und die irgendwo sicher das Attribut „kleines Brandenburger Fußballwunder“ angedichtet bekommt. Seit 1989 steht Kahlisch bei Optik an der Seitenlinie, 2012 gelang erstmals der Sprung in die Regionalliga. Dank der 2010 beschlossenen Reform durfte Rathenow sich auch mit einem dritten Platz in der Oberliga für die neue Regionalliga Nordost qualifizieren.
„Für uns ist die Regionalliga die Champions League“
„Für uns ist die Regionalliga die Champions League“, bemerkt Ingo Kahlisch. Ein Satz, den man nur zu gerne als Überschrift verwendet. Mit seinem leicht herausfordernden Blick, dem kurzen Igel-Schnitt und dem schnodderigen Brandenburger Dialekt könnte man ihn für einen jener Übungsleiter halten, die eher knorrig Zitate in die Notizblöcke der Pressevertreter bellen. Klischee. Auf seine Meinung zur Regionalliga-Reform angesprochen, kommt der Optik-Trainer erregt ins Plaudern: „Die Reform ist doch eine mittlere Katastrophe. Es kotzt mich an, dass sich die Herren vom DFB den Arsch platt sitzen und immer weiter von ihren Wurzeln entfernen.“ Kahlisch hält kurz inne und signalisiert, dass er sich schon öfter mit Funktionären angelegt habe. Irgendwann fällt der entscheidende Satz, an dem sich auch im kommenden Sommer wieder die Frage nach Sinn und Unsinn der Regionalliga-Reform entzünden wird. „Man muss sich wieder dafür stark machen, dass es einen direkten Aufsteiger gibt.“
Es ist eine Aussage, die einen Mangel an Gerechtigkeit im deutschen Fußball vermuten und eine Debatte darüber in den kommenden Monaten erwarten lässt. Nämlich dann, wenn ab Juni die entscheidenden Relegationsspiele zwischen den sechs aufstiegsberechtigen Teams (Meister Nord, Nordost, West, Südwest, Bayern plus Vizemeister Südwest) ausgefochten werden. Kahlisch und sein Team werden daran mit Sicherheit nicht beteiligt sein. Und obwohl der Verein der Reform den Platz in der höheren Liga zu verdanken hat, wird sich ausgerechnet der 56-Jährige weiterhin lebhaft an der Diskussion beteiligen.
Oktober 2010: Auf dem DFB-Bundestag in Essen wird die Reform beschlossen. Aus den bisherigen drei (Nord, West, Süd) sollen fünf Staffeln geschaffen werden. DFL-Chef Reinhard Rauball kann mit seinem kurz zuvor initiierten „5‑Punkte-Solidarpakt Regionalliga“ die große Mehrheit von 222 der 255 Delegierten überzeugen. Ein breiter Konsens scheint gefunden. „Das wichtigste heute war, dass es nicht zum befürchteten Bruch zwischen Amateuren und Profis gekommen ist“, gibt sich Rauball zufrieden.
Carsten Gockel darf sich heute erleichterten Herzens an diese Beschlüsse erinnern. Der Sportvorstand von Preußen Münster hat im Winter 2013 alle Hände voll zu tun, den Traditionsverein weiter auf dem Kurs 2. Bundesliga zu halten. Obwohl Gockel heute einen fast neutralen Blick auf die Dinge haben dürfte, sagt er: „Meine Meinung zur Reform hat sich nicht geändert. Sie ist nach wie vor schlecht. Gott sei Dank haben wir es geschafft, der Regionalliga zu entkommen.“
Das klingt, als sei der Verein, der zur Zeit der damaligen Beschlüsse in der Regionalliga West spielte, vor einem drohenden Unheil auf der Flucht gewesen. Nach der 3. Liga werde abgeriegelt, meint der 39-Jährige. Schon nach dem DFB-Bundestag 2010 nahm der sportliche Leiter kein Blatt vor den Mund. Gockel war zur damaligen Zeit auch Sprecher der Interessengemeinschaft Regionalliga, die die Vorschläge einzelner Traditionsvereine wie SV Darmstadt, Hessen Kassel sowie einiger Fanvertreter in einer „2+1‑Regelung“ bündelten. Neben zwei Regionalligen Nord und Süd, sollte eine eigene Staffel für die U23-Teams geschaffen werden. Dieses Modell stieß bei den Bundesligisten nicht auf Gegenliebe. Sie argumentierten, dass eine U23-Meisterschaft ohne starke Amateurteams den Ausbildungskosten in den Nachwuchszentren nicht gerecht werde. Auf die insgesamt 74 Stimmen vom Ligaverband unter den 255 Delegierten konnten die Regionalligisten nicht bauen.
Waldemar Wrobel können die Zugeständnisse an die zweiten Mannschaften nicht zufrieden stimmen: „Wir müssen auf Gelder verzichten, während die U23-Teams an den Geldern von oben partizipieren.“ Wrobel, Trainer in der Regionalliga West, die mit sieben zweiten Mannschaften bestückt ist, sollte eigentlich guter Laune sein. Das letzte Heimspiel vor der Winterpause hat sein Verein mit 2:1 gewonnen. Dabei trainiert der 43-Jährige nicht irgendein beliebiges Team. So umfassend das Schicksal der Regionalliga selbst, so selbstverständlich füllen Geschichten rund um RWE ganze Bücher. Jener Verein, der sich – ungeachtet des Status Quo – ohne Zweifel jederzeit das Etikett als Nummer drei im Ruhrgebiet anheften könnte. 2010 wurde dem „Riesen“ RWE sein Lebenswandel zum Verhängnis: Insolvenz. Seitdem schrumpft man sich beim Traditionsklub gesund. Nur eben eine Größe sperrt sich vehement dagegen, sich kleinzumachen. Über 10.000 Fans kamen beim 2:1 im Derby gegen Rot-Weiß Oberhausen ins neu errichtete Stadion. Mit einem Schnitt von über 8000 Besuchern führt RWE souverän die Zuschauertabelle aller Regionalligen Deutschlands an. Wrobel könnte dies wohlwollend zur Kenntnis nehmen, da er weiß, dass Größe bei RWE nicht zwingend an sportlichen Erfolg gekoppelt ist. Doch sind es wohl nur Marginalien, wenn es um die wirklich wichtigen Dinge in der Staffel geht.
„Die Arme der Regionalliga sind zu kurz, um im deutschen Fußball Politik zu machen“, beschwört Wrobel, der 1970 im polnischen Bytom geborene Fußball-Lehrer ein düsteres Bild herauf. „Ich bin Realist. Ein Umdenken und eine Veränderung wird es nicht geben, da im deutschen Fußball nur interessiert, was die großen Vereine machen.“ Es ist Ironie des Schicksals, dass sich Essen gerade in dieser Angelegenheit nicht mehr den Großen zugehörig fühlen kann, weil es über viele Jahre wie ein Großer lebte. Kritik muss sich RWE gefallen lassen. Und sie wird auch gehört, wie man am wieder leicht positiven Trend nach einem schmerzlichen Selbstreinigungsprozess sieht. In Person von Wrobel richtet der Verein aber auch deutliche Kritik bezüglich der einstigen Prinzipien an den DFB: „Er bricht mit einem Dogma, das er über Jahre als heilig tituliert hat: Nämlich, dass ein Meister aufsteigen muss.“
Es ist jene oft gehörte Anklage an den Fußball-Bund, den Sinn für die Basis verloren zu haben, die gerade in der Streitfrage Regionalliga immer wieder an den notdürftig geflickten Wunden aufreißt. Jede Reform ging stets mit einer Verschlankung der Staffelanzahl und einer latenten Professionalisierung einher. Eine optimale Lösung wurde jedoch nie gefunden. Unübersehbar in der Debatte war ein jahrelang überzeichnetes Schwarz-Weiß-Bild der Fußball-Landkarte, wo einige wenige sich an den Fleischtöpfen labten, während in der Regionalliga eine nicht identifizierbare Masse aus U23-Teams, sympathischen Außenseitern und ambitionierten Schwergewichten um Einlass begehrte. Und natürlich ist und war es stets letztere Gruppe der Ambitionierten, die sich am lautesten bemerkbar machte, während für viele kleine Vereine die Regionalliga schon die Champions-League war. Gibt es also pro Staffel jeweils nur eine Handvoll Vereine, die wirklich rebellieren?
„Der jetzige Status erregt das größte Missfallen“
Natürlich musste der DFB über all die Jahre nie das Schwarz-Weiß-Bild der ambitionierten Regionalliga-Vereine mitzeichnen. Es tummeln sich eben nicht nur gescheiterte Traditionsklubs und schlafende Riesen in ihr, sondern auch eine Menge Vereine ohne den perspektivischen Zwei-Jahres-Plan. Die Kritik, die sich der DFB aber gefallen lassen muss, ist, über Jahre mit jeder Verschlankung den Eindruck erweckt zu haben, die Regionalliga solle ein qualitativ starker Unterbau für Deutschlands Profifußball sein und keine, über viele Staffeln breit aufgefächerte Amateurrunde. Mit der letzten Entscheidung hat man sich von dieser Idee verabschiedet.
Münsters Sportvorstand Carsten Gockel erinnert sich daran zurück: „Der jetzige Status ist der, der den größten Missfallen erregt hatte, und trotzdem ist er es am Ende geworden.“ Das Wie dieser Entwicklung hätten sich die Initiatoren der Interessengemeinschaft Regionalliga anfangs wohl kaum ausmalen können. Im Sog ihres „2+1“-Modells schwang sich der Bayrische Fußballverband als Trittbrettfahrer auf den Ideen-Zug und entwarf sein Konzept von einer achtgliedrigen Regionalliga mit einer separaten Bayern-Staffel.
„Die Reform ist nichts anderes als eine Aufwertung der Bayernliga (ehemals fünftklassig, d. Red.) hin zu einer Regionalliga Bayern. Der Präsident des bayrischen Fußballverbandes, Rainer Koch, hat dies am Vorabend der Abstimmung im persönlichen Gespräch mit Herrn Zwanziger so ausgehandelt“, berichtet Gockel. Ein Vorwurf, bei dem ein Beigeschmack bleibt. Dieser Vorfall sei im Kreis des DFB-Bundestages allgemein bekannt, so Gockel.
Oktober 2010. Plötzlich ging alles ganz schnell. Während sich die wahren Initiatoren um Gockel und Co. wie im Film „Die Geister, die ich rief“ vorkommen mussten, wurde die Reform auf dem Bundestag in Essen in Windeseile durchgepeitscht. Ein Plus für den von DFL und DFB favorisierten Vorschlag waren die Landesverbände, die sich im Vorfeld auf keinen gemeinsamen Nenner einigen konnten. In diesem Sinne erschienen die fünf Staffeln als geeigneter Mittelweg. Ebenfalls förderlich war die Stimmverteilung der Delegierten im Bundestag: 255 der 260 Stimmberechtigen waren anwesend; allein 74 entfielen auf den großen Ligaverband, 46 auf DFB-Präsidium und ‑Vorstand. Der Regionalverband Süd, dem auch der Bayrische Fußballverband angehört, besaß 51 Stimmen, während die anderen Regionalverbände deutlich weniger Volumen hatten. Der Weg war frei für eine fünfgliedrige Staffel, zudem blieben die U23-Teams mit einer maximalen Teilnehmerzahl von sieben Teams pro Staffel fest in den Ligen verankert. Der Wunsch der Profiklubs wurde erhört, auch der aus Bayern. Die einzigen, die auf der Strecke blieben, waren die Vertreter um Carsten Gockel, die die ganze Diskussion überhaupt erst ins Laufen gebracht hatten.
Gockel meint heute: „Wir hatten informelle Gespräche mit der DFL, in denen wir unsere Interessen kundtun durften. Das war alles ganz nett, aber entstanden ist daraus nichts.“ Dabei wäre eine Regionalliga mit Staffeln nach allen Himmelsrichtungen wohl der breiteste Kompromiss gewesen und dementsprechend vier Aufsteiger in die 3. Liga auch durchsetzbar. Nur die Bayern hätten in diesem Fall verzichten müssen. Hätten.
Eine Frage scheint in diesem Fall berechtigt: „Ist die Regionalliga Bayern konkurrenzfähig?“ Dies fragte bereits der Journalist und Fußballhistoriker Ernst Werner Schneider in seinem gleichnamigen Artikel. Er argumentierte, dass die Staffel nur wenig gegenüber den anderen Ligen auszurichten habe. So erläutert Schneider, dass neben den fünf U23-Teams mit dem FC Memmingen und Bayern Alzenau lediglich zwei alteingesessene Regionalligisten vertreten seien. In puncto Zuschauerzahlen stellte der Fußballhistoriker der Liga bereits vor der Saison kein gutes Zeugnis in Aussicht. Wer ginge schon gerne zu Spielen gegen Vereine wie TSV Buchbach oder SV Seligenporten, fragte Schneider.
Er behielt recht: Ende 2012 belegte der Staffel-Zuschauerkrösus FC Memmingen unter allen Regionalligisten mit einem Schnitt von 1320 Besuchern lediglich den 19. Platz. Die gesamte Staffel hatte mit einem mageren Schnitt von 721 Zuschauern den fünften und letzten Platz [1. Nordost (2165), 2. West (1297), 3. Südwest (1055), 4. Nord (850)] aller deutschen Regionalligen inne.
Illertissen ist eine prosperierende Kleinstadt – schwäbische Gemütlichkeit, aber nicht zu provinziell, was die direkte Lage an der A7 auf halber Strecke zwischen Ulm und Kempten beweist. Den Namen besitzt sie von dem Fluss Iller, der entlang der östlichen Stadtgrenze gen Donau fließt. „Kränzle“, ein Unternehmen für Hochdruckreiniger und Reinigungsgeräte, ist ein Job-Motor im 16.000-Seelen-Ort. Wenn sich Geschäftsführer Ludwig Kränzle, der zusammen mit Vater und Firmengründer Josef das Unternehmen leitet, für fünf Minuten ins Auto setzt und vom Gewerbepark im Norden Illertissens nicht einmal drei Kilometer in die südliche Richtung steuert, empfängt ihn das Sportzentrum – die Heimat vom FV Illertissen, dessen Vorstand Ludwig Kränzle ist. Er kann die Aufregung um die Regionalliga Bayern nicht verstehen. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass der FVI als Überraschungserster in die Rückrunde geht.
Ausschreitungen vorprogrammiert?
„Über den Aufstieg denken wir noch gar nicht nach. Wir wollen in diesem Jahr beste bayrische Amateur-Mannschaft werden.“ Aus dem Mund des Unternehmers, der im Verein Hauptsponsor ist, klingt das alles so sympathisch unprätentiös, als seien Ambitionen im Fußballgeschäft riskante Risikopapiere. Während man sich als Betrachter des hiesigen Vöhlin-Stadions mit seinem Fassungsvermögen von 3.000 Zuschauern und dem offenen Dorfanger-Charme einfach keine brisanten Entscheidungsspiele vorstellen kann, unterstreicht auch Ludwig Kränzle die Wesensart der Regionalliga Bayern: „Von meiner Seite besteht auch gar kein Interesse, gegen Mannschaften wie Leipzig oder Magdeburg anzutreten. Da sind Ausschreitungen ja vorprogrammiert. Eine Staffel mit den zweiten Mannschaften ist für uns viel attraktiver.“ Man könnte diese Aussage in großer Empörung als vorurteilsbeladen abstempeln. Tatsächlich signalisiert sie nur, dass man in der neu geschaffenen Staffel höchst zufrieden untereinander kickt. Man bleibt eben gerne unter sich. Da hat es schon fast etwas Trotziges, wenn Kränzle von „gut besuchten Spielen in der Regionalliga Bayern“ spricht.
Die Worte Kränzles muss man weder gutheißen noch verurteilen. Vielmehr zeigen sie dem DFB aber die Ausmaße seiner geschaffenen Strukturen, in denen sich manche Vereine nun lieber auf eine rückwärtsgewandte „Amateurmeisterschaft“ besinnen, in der der Wettbewerbsgedanke fast ausgehöhlt ist, als vielmehr neue sportliche Ziele ins Auge zu fassen. Letzteres sollte eigentlich die Prämisse einer fortschrittlichen Regionalliga sein.
Rainer Milkoreit klingt etwas hektisch durch die Freisprechanlage seines Autos. Er sei gerade auf dem Weg von einer Präsidiumssitzung des DFB nach Hause, so der 68-Jährige. Milkoreit ist seit über zwei Jahren NOFV-Präsident und sitzt somit als DFB-Vize auch im Präsidium des weltweit größten Fußball-Bundes. Im Gespräch verteidigt er die Entscheidungen des DFB resolut: „Man kann doch nicht die Reform absegnen und dann kritisieren, dass nicht jeder Meister aufsteigen darf. Eine Mannschaft wie Jena beispielsweise hätte doch auch nicht aus der 3. Liga absteigen brauchen. Letztendlich muss jeder Verein die Rahmenbedingungen, unter denen er spielt, akzeptieren. Die Regelung gehört zum Wettbewerb der Regionalliga. Das ist das Risiko.“
Das Tal der Tränen
Es ist die Selbstverständlichkeit, sich in der Entscheidungsgewalt als Anwalt der Vereine zu sehen, die in Milkoreits Aussagen schockiert, wogegen doch die Klagen der Vereine laut vernehmbar scheinen. Die Kritik, an der Spitze würden Entscheidungen getroffen, mit deren Folgen die Basis allein zu kämpfen habe – in den wenig diplomatischen Äußerungen des DFB-Vize scheinen sie erstmals greifbar. Eventuell lassen die Vereine den Sommer nach der Relegation verstreichen. Eventuell werden sich aber auch einige wenige Vereine nach den Entscheidungsspielen wieder aufgrund einer ihrerseits empfunden, klaffenden Lücke zwischen Profi- und Amateurfußball erneut zusammenschließen.
„Es gäbe keinen Anlass, sich zusammenzuschließen. Durch dieses Tal der Tränen müssen die Vereine durch. Außerdem kann ich eine Kluft im deutschen Fußball nicht ausmachen“, sagt Rainer Milkoreit durch das Schnarren der Freisprechanlage.
In Rathenow stellt sich Ingo Kahlisch den letzten Fragen der Medien. „Das Problem ist“, so der Trainer, „dass alle Vereine, die einmal in Liga 3 wollen, nicht über den eigenen Tellerrand hinausgucken, sich nur um sich selbst kümmern.“ Der 56-Jährige will sich so langsam auf den Weg nach Hause machen. Einen letzten Satz möchte er aber noch loswerden: „Langfristig kann man unter diesen Bedingungen nur mit unserer Struktur arbeiten. Nämlich Arbeit, Studium und Amateurfußball zu verbinden.“ Dann verabschiedet er sich und verlässt das Stadiongelände, dessen nun verwaister Gästeblock von den Anhängern des 1. FC Magdeburg mit vielen Stickern versehen wurde. Auch sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit im nächsten Jahr noch einmal wiederkommen. An den Wolzensee nach Rathenow. In die Regionalliga.