Knapp ein Dut­zend durch­trai­nierte, ver­mummte Männer rannten am ver­gan­genen Samstag vor dem Duis­burger Sta­dion auf eine Gruppe los und schlugen wild auf sie ein. Die Angreifer, so berichten es meh­rere unbe­tei­ligte Augen­zeugen gegen­über 11FREUNDE, gehören der Grup­pie­rung Divi­sion“ an, in deren Reihen sich Neo­nazis tum­meln. Bei den Ange­grif­fenen han­delte es sich um die Ultra-Gruppe Kohorte“, die sich gegen Homo­phobie, Ras­sismus und Dis­kri­mi­nie­rung posi­tio­niert. Der Gruppe gehören zu einem großen Teil auch Teen­ager im Alter zwi­schen 14 und 16 Jahren an.

Der Angriff dau­erte etwa eine Minute, die Polizei ging mit Pfef­fer­spray dazwi­schen. Einige der Ultras lagen danach auf dem Boden, hielten sich die geschwol­lenen Augen zu, einer musste gestützt werden. So berichten es Augen­zeugen.

Michael Meier, der Sicher­heits­be­auf­tragte des MSV, sagte wenig später der Rhei­ni­schen Post“, dass er nicht glaube, dass die Aus­ein­an­der­set­zung ein­fach etwas mit Rechts gegen Links zu tun“ gehabt hätte. Seinen Infor­ma­tionen zufolge habe es ein paar Back­pfeifen“ gegeben. Der Spre­cher der Polizei, Ramon van der Maat, erklärte gegen­über 11FREUNDE, dass an jenem Spieltag zwar neun Straf­ver­fahren ein­ge­leitet wurden, diese aber nicht mit der Hoo­ligan-Attacke in Zusam­men­hang stünden: Nach der Prü­gelei hat sich keiner als Ver­letzter zu erkennen gegeben.“

Burg­frieden“ oder Maul­korb“

Fest steht aber: Es hat Ver­letzte gegeben. Und: Bei dem Vor­fall vor dem Duis­burger Sta­dion han­delte es sich mit­nichten um eine bloße Prü­gelei unter Fuß­ball­fans. Der Angriff hatte einen Hin­ter­grund, es ist davon aus­zu­gehen, dass es dabei vor allem um Politik ging, aber auch um Ein­fluss in der Kurve.

Der Kon­flikt zwi­schen den beiden Lagern – die Ultras von Kohorte“ auf der einen, die Divi­sion“ auf der anderen Seite – schwelte schon länger. Am 13. Sep­tember trafen sich ver­schie­dene Fan­grup­pie­rungen, dar­unter auch Kohorte“ und Divi­sion“, in einem Lokal unweit des Sta­dions. Der Kon­flikt sollte bei­gelegt werden. Betei­ligte hatten danach von einem Burg­frieden“ gespro­chen. Von einer Ver­ein­ba­rung ist die Rede, dass in nächster Zeit keine poli­ti­schen State­ments in der Kurve gezeigt werden und sämt­liche Aktionen die Grup­pie­rungen, dazu zählten auch Forever“ oder Proud Gene­ra­tion“, unter­ein­ander abspre­chen sollten.

Mit­glieder der Ultras hatten hin­gegen von einem Maul­korb“ gespro­chen. Ein Beob­achter nennt es ein Zuge­ständnis in einer Bedro­hungs­si­tua­tion“. In der Stel­lung­nahme der Kohorte“ vom Sonntag ist die Rede von einem Gespräch, in dem uns klar gemacht wurde, dass zur Ver­hin­de­rung einer wei­teren Eska­la­tion jeg­li­ches Enga­ge­ment gegen Ras­sismus unse­rer­seits in Zukunft zu unter­lassen ist“.

Die Gruppe habe sich ange­sichts des deut­lich ein­sei­tigen Kräf­te­ver­hält­nisses“ gefügt. Die Divi­sion“ soll im Kampf­sport erprobte Mit­glieder in ihren Reihen haben, die Ultras sind kör­per­lich deut­lich unter­legen. Bereits im Februar 2012 hatten Mit­glieder der Divi­sion“ eine Kneipe gestürmt, in der MSV- und St.Pauli-Fans gemeinsam fei­erten.

Soli­da­rität mit Braun­schweig

Am Samstag beim Spiel zwi­schen dem MSV Duis­burg und Saar­brü­cken ent­schlossen sich die Ultras, ein Trans­pa­rent zu ent­rollen. Täter-Opfer-Rolle ver­tauscht? Schäm dich Ein­tracht Braun­schweig“, war darauf zu lesen. Die anti­fa­schis­ti­sche und linke Ultra-Gruppe aus Braun­schweig war bei einem Aus­wärts­spiel in Mön­chen­glad­bach tät­lich ange­griffen worden. Ein­tracht Braun­schweig hatte den Ultras wenig später unter­sagt, in Zukunft als Gruppe bei den Spielen auf­zu­treten. Der Verein hatte dies unter anderem damit begründet, dass die Gruppe Abspra­chen miss­achtet habe.

Dieses Spruch­band, also die Soli­da­ri­sie­rung mit den Ultras aus Braun­schweig, emp­fanden die Mit­glieder der anderen Duis­burger Grup­pie­rungen als Bruch mit dem Frie­dens­ab­kommen“. In der Halb­zeit­pause kam es zu Gewalt­an­dro­hungen gegen­über den Ultras.

Ein Banner als Vor­wand?

Das Banner habe den Hoo­li­gans nur als Vor­wand für einen Angriff gedient, meinen die Duis­burger Ultras. Hätte es das Spruch­band nicht gegeben, hätte man woan­ders was rein­in­ter­pre­tiert“, heißt es in der Stel­lung­nahme. Die Gruppe rief Verein, Fan­pro­jekt und alle MSV-Fans auf, den Worten von einer bunten Kurve Taten folgen zu lassen. Der Verein hatte sich noch unmit­telbar vor den Vor­fällen im Rahmen einer Akti­ons­woche gegen Rechts­extre­mismus und Gewalt posi­tio­niert. Wir haben uns immer für ein Mit­ein­ander aus­ge­spro­chen, umso ent­setzter waren wir über die Infor­ma­tion, dass sich ver­schie­dene MSV Grup­pie­rungen unter­ein­ander geschlagen haben“, teilte der Klub nun mit. Der Fan­be­auf­tragte des MSV, Chris­tian Eil­mann, war auf mehr­fache Nach­frage nicht zu errei­chen.

Eine andere Grup­pie­rung namens Proud Gene­ra­tion“, die laut Kohorte“ an den Angriffen betei­ligt gewesen sein soll, schrieb in einer Mel­dung, dass wenige ver­ein­zelte Mit­glieder“ sich höchs­tens in unmit­tel­barer Nähe auf­hielten, nicht aber hand­greif­lich geworden seien. Nun ver­sucht diese Gruppe uns scheinbar durch medialen Druck als Täter dar­zu­stellen“, heißt es weiter. Auch andere Gruppen werfen den Ultras vor, sie über die Presse ins rechte Umfeld zu rücken. Dabei bleibt der Ein­druck, dass viele Duis­burger Grup­pie­rungen durch ihre Kritik an den Ultras (auch an ihrer Art des Sup­ports) die Gewalt­taten nach­träg­lich recht­fer­tigen wollen.

Die können hier machen, was sie wollen“

Der MSV Duis­burg kün­digte an, am heu­tigen Dienstag die Vor­fälle vom Samstag zusammen mit der Polizei zu ana­ly­sieren. Am kom­menden Wochen­ende spielt der MSV aus­wärts in Stutt­gart. Da werden die Rechten wieder eine Gele­gen­heit suchen, drauf zu schlagen“, sagt ein Fan, der den Angriff am Samstag aus nächster Nähe erlebte. Die können hier machen, was sie wollen. Die begrüßen die Ordner mit Shake-hands.“ Wenn es so weiter ginge, würde er seine Dau­er­karte auf der Geschäfts­stelle vor den Augen der Funk­tio­näre zer­schneiden.

Rechte in 16 Stand­orten

Die Gefahr rechter Gewalt in deut­schen Sta­dien wächst: Ältere Hoo­li­gans, die in den acht­ziger und neun­ziger Jahren aktiv waren, kehrten in den letzten Jahren wieder ver­mehrt in die Sta­dien zurück. Zudem bil­deten sich bei vielen Ver­einen so genannte Ackerkämpfer“-Gruppen heraus, die mit­unter rechtem Gedan­kengut min­des­tens offen gegen­über stehen. Rechts­ra­di­kale ver­su­chen, die Stim­mung in den Fan­blö­cken gegen Ver­bände und Poli­zisten für ihre Zwecke zu nutzen. Auch bei den Atta­cken in Duis­burg sollen füh­rende Köpfe der ver­bo­tenen rechts­extremen Gruppe Natio­naler Wider­stand Dort­mund“ betei­ligt gewesen sein.

Im deut­schen Fuß­ball kam es in jüngster Ver­gan­gen­heit häu­figer zu Angriffen auf links gerich­tete Grup­pie­rungen. Die Aachen Ultras“ stellten aus diesem Grund ihre Akti­vi­täten ein, auch in Bremen wurden linke Fans atta­ckiert. Die Zen­trale Infor­ma­ti­ons­stelle für Sport­ein­sätze (Zis) geht in ihrem Jah­res­be­richt in 16 Stand­orten der ersten und zweiten Liga von einer teil­weisen per­so­nellen Über­schnei­dung“ der Fan­szene mit der rechten Szene aus – damit bei fast jedem zweiten Verein. Der Anteil des rechts­mo­ti­vierten Poten­zials“ in den gewalt­be­reiten Szenen liege nach Angaben der Polizei aber unter fünf Pro­zent.

Doch der deut­sche Fuß­ball ist nicht nur von rechter Gewalt bedroht – in Duis­burg und anderen Städten wurde sie Rea­lität.