Wie nur wenige Traditionsvereine taumelte Fortuna Köln zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Nun steht am Samstag mit dem Pokalspiel gegen Mainz eines der wichtigsten Spiele der Vereinsgeschichte an. Und wieder wird es unruhig für den Klub.
Vielleicht haben Politik, Karneval und Fußball das mit ihm gemacht. Oder es war ihm einfach in die Wiege gelegt. Klaus Ulonska jedenfalls ist generell ziemlich emotional unterwegs. An Samstagen zum Beispiel, während er sich im guten Anzug und mit polierter Glatze über die enge Tribüne des Kölner Südstadions quetscht, die Zuschauer mit Handschlag begrüßt und Spenden für seinen Verein sammelt. Oder dann, wenn er den Mitgliedern telefonisch zum Geburtstag gratuliert, jedem Einzelnen der knapp 1300. Mitreißend wird es auch, wenn er im kleinen Kreis erzählt, wie er um ein Haar mal Oberbürgermeister geworden wäre, und von seiner Vergangenheit als erfolgreicher Leichtathlet in den sechziger Jahren. Eigentlich soll es hier ja weniger um Klaus Ulonska gehen, sondern um den Klub, dem er als Präsident vorsitzt. Aber ohne Geschichten über Klaus Ulonska kann man schwer vom SC Fortuna Köln schreiben. Und eben der steht vor dem wichtigsten Spiel seiner jüngeren Vereinsgeschichte.
„Ach, es ist eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte!“
Am Samstag trifft der Regionalligist in der ersten Runde auf den Bundesligisten FSV Mainz 05. Im Kölner Süden können sie diesen Tag kaum erwarten. Die Fortuna hat sich erstmals seit 13 Jahren für den Wettbewerb qualifiziert. Ein Hauch von Profifußball ist beim langjährigen Zweitligisten, der während der vergangenen Dekaden so manche Krise überwinden musste, zu spüren. „Das ist das größte Spiel, das ich hier in meiner Amtszeit erlebe“, sagt auch Klaus Ulonska beinahe andächtig. Dann hält er kurz inne. „Ach, es ist eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte!“
Trotz dieser Bedeutung wirkt Klaus Ulonska in diesen Tagen verhältnismäßig gelassen. Die Sache mit dem Druck ist nicht neu für den 70-jährigen Klubchef. Er kennt das schon seit dem Tag, an dem er das Amt des Vorsitzenden vor sieben Jahren übernommen hat. Aber der Reihe nach.
Beginnen wir beim auch über die Kölner Grenzen hinaus bekannten Jean Löring, von allen nur „De Schäng“ genannt. Jener Mann, der Toni Schumacher einst während der Halbzeitpause als Trainer feuerte und dazu später erklärte: „Ich als Verein musste reagieren.“
Seit 1967 investierte der Unternehmer etwa 15 Millionen Euro in den Verein, etablierte ihn in der Zweiten Bundesliga, 1973 durfte sich die Fortuna sogar ein Jahr im Oberhaus präsentieren. Den Höhepunkt erlebte die Beziehung des Schäng zu seiner großen Liebe aber erst zehn Jahre später im DFB-Pokalfinale gegen den 1. FC Köln. Endlich ein Derby, die ganze Fußballrepublik schaute zu. Die Chance auf Ruhm und Prestige. Doch Lörings Team unterlag mit 0:1. Und einige Jahre später verlor der Schäng noch vieles mehr. Vor allem Geld.
Die Fortuna war damals finanziell von Löring abhängig. Als der Patriarch 2001 schließlich Insolvenz anmelden musste, begann für den Klub eine abenteuerliche Odyssee bis an den Rand der Existenz. Während der Saison 2004/2005 mussten die Kölner – mittlerweile in der Oberliga gestrandet – ihre Mannschaft zurückziehen. Die Insolvenz konnte dank eines Spendenmarathons zwar in letzter Sekunde abgewendet werden, Kontakten des späteren Vorsitzenden Klaus Ulonska in die höchsten Ebenen der Politik und des Sports sei Dank. Dennoch stürzte der Zweite der ewigen Zweitliga-Tabelle bis in die Verbandsliga ab. „Als ich kam, gab es hier nicht mal einen Aktenordner“, erinnert sich Ulonska an die Zeit Mitte der Nuller-Jahre.
Wenig überraschend also, dass es drei Jahre später nur mit fremder Hilfe wieder aufwärts gehen konnte. Der VfL Leverkusen reichte einige Unterlagen zu spät beim Verband ein und erhielt keine Lizenz für die Oberliga. Die Fortuna feierte als Zweiter der Tabelle im Sommer 2008 den ersten Aufstieg nach 35 Jahren. Und unterwarf sich auf der verzweifelten Suche nach einer neuen Identität dem Projekt „deinfussballclub.de“.
2012: Das Ende der gar nicht mehr so hippen Internetplattform
Die Fans sollten 40 Euro pro Jahr bezahlen und dafür über Aufstellung, Sponsoren und Transfers bestimmen dürfen. Es klang spannend. Doch es war eine Idee, so revolutionär, dass sie nur scheitern konnte. Und weil die Mitglieder letztlich zwar über die Wahl der Stadionwurst entschieden, nicht aber über substanziellere Dinge, war es im Januar 2012 wieder vorbei mit der doch gar nicht so hippen Internetplattform. Immerhin: Die Einnahmen stimmten und sechs Monate zuvor war zudem der Aufstieg in die Regionalliga gelungen. Wieder als Tabellenzweiter. Der Provinzklub Germania Windeck hatte damals als Spitzenreiter auf den Aufstieg verzichtet.
Nach der überraschenden Ankunft in der vierthöchsten deutschen Spielklasse übernahm Uwe Koschinat die Mannschaft. Ein Trainer, wie sie ihn sich in der Südstadt gewünscht hatten. Ein Mann mit Visionen, ein Mann der klaren Worte. Einer, der die Nähe zu den Fans sucht. Kurz nach seiner Ankunft verglich er den SC Fortuna mit dem FC St. Pauli. In der auf wenige hundert Mann geschrumpften, aber noch immer außerordentlich passionierten Fanszene, schlossen sie ihn auch deshalb schnell ins Herz.
Schon während der zweiten Regionalliga-Saison unter Koschinat spielte die Fortuna lange um die Meisterschaft mit, wurde im Frühjahr dieses Jahres schließlich Zweiter hinter den Sportfreunden Lotte, und trotz des finanzstarken Lokalrivalen FC Viktoria behauptete sie den Rang als Nummer zwei der Stadt. Hinter dem großen FC natürlich. Alles gut im Kölner Süden. Bis der „Kölner Stadt-Anzeiger“ im April 2013 berichtete, dass sich die Investoren des Klubs vermutlich zurückziehen werden. Die Fortuna am Ende. Mal wieder. Es wäre ja auch zu schön gewesen.
Klaus Ulonska bemühte sich während dieser Zeit um Schadensbegrenzung. Noch sei nichts entschieden, betonte er immer wieder. Heute gesteht er, dass er wochenlang nicht ruhig schlafen konnte. Aber auch in einem Geschäft, dem schlimme Dinge und kaum Nächstenliebe nachgesagt werden, bleibt Platz für ein wenig Romantik. Kommen wir also zum 28. Mai 2013.
Es ist ein verregneter Dienstagabend in Bonn. Das Finale des Verbandspokals. Der Sieger zieht in den DFB-Pokal ein, er darf auf ein Duell mit einem Bundesliga-Verein hoffen und sich über garantierte Einnahmen im sechsstelligen Bereich freuen. Seit Jahren wünschen sie sich bei der Fortuna dieses eine Spiel. Doch seit Jahren scheidet die Mannschaft gegen unterklassige Dorfklubs aus.
Präsident zum Plakat-Verbot: „Vielleicht würde ich es heute anders machen“
An diesem Abend ist der Gegner kein Dorfklub. Sondern Alemannia Aachen. Auch ein Traditionsklub im Westen, der heute da steht, wo die Fortuna zu Beginn des Jahrtausends war: Finanziell angeschlagen, sportlich auf dem absteigenden Ast. Die Chancen sind ausgeglichen, fest steht lediglich, dass dieses Spiel nur einen Verein auf den Weg in schönere Zeiten befördern kann. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Fortuna gewinnt das Finale mit 2:1 und zieht in den DFB-Pokal ein. Und die Investoren beschließen, ihr Engagement nun doch fortzusetzen. Fortuna Köln ist gerettet. Mal wieder.
Einen Rückschlag hat der Kölner Klub auf dem langen Weg zur Professionalität allerdings vor dem Auftakt der Regionalliga-Saison am vergangenen Freitag erlitten, beziehungsweise: selbst verursacht. Wieder ging es gegen Aachen. Weil es nach dem Pokalfinale zu einem Platzsturm der Alemannia-Fans gekommen war, hatten die Verantwortlichen der Fortuna ihren Anhängern verboten, Plakate mit anti-rassistischen Sprüchen zu entrollen. Begründung: Man habe den braun gefärbten Anhang der Aachener nicht provozieren wollen. In der Aachener Fanszene kam es in jüngster Vergangenheit zu gewalttätigen Übergriffen, einige Fangruppen haben Verbindungen zum rechtsextremen Lager. Das Verbot sorgte bundesweit für Empörung, das Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) kommentierte in einer Presemitteilung: „Ein vorauseilendes Einknicken vor rechten Tendenzen ist ein fatales Signal und Wasser auf den Mühlen rassistischer Akteure.“
Selbst die eigenen Fans zeigen sich verärgert. „Vielleicht würde ich es heute anders machen“, sagt Klaus Ulonska auf Nachfrage von 11FREUNDE, „aber mir hat die Reaktion wehgetan. Das war ursprünglich gut gemeint und mit den Aachenern abgesprochen. Sie versuchen ja selbst, ihre braune Soße fernzuhalten.“
Zeit für neue Präsidenten-Storys
In Köln-Zollstock bekommen sie nun endlich jenes Spiel, auf das sie seit Jahren so sehnsüchtig warten. Trainer Uwe Koschinat nennt es „eine extrem wichtige Sache, wieder deutschlandweit wahrgenommen zu werden“. Der Verein erwartet 5000 Zuschauer.
Ein Drittel weniger waren es beim letzten Duell der Mannschaften im Südstadion: 22. August 1999, zweiter Spieltag, 2:1‑Heimsieg. Ein ordentlicher Start der Kölner in ihre bislang letzte Saison im Profifußball. Für die Fortuna stand damals Hans Sarpei auf dem Rasen, für Mainz verteidigte ein gewisser Jürgen Klopp. 14 Jahre sind seitdem vergangen. Nicht nur Klaus Ulonska hofft auf eine Renaissance. Es wird Zeit für neue Geschichten des Präsidenten.