Die Fan­szene von West­falia Herne ist ziem­lich über­schaubar. Zu den Spielen des NRW-Ligisten kommen im Schnitt 300 Zuschauer ins über­di­men­sio­nierte Sta­dion am Schloss Strün­kede. Es hängt ein biss­chen vom Wetter ab und davon, ob die Senioren auf der Tri­büne nicht doch eine Ver­ab­re­dung zum Bridge oder einen Aus­flug mit Enkeln geplant haben. Gegen den SC Roland ver­irrten sich diese Saison nur 159 Zuschauer gegen TuS Ernd­te­brück, immerhin Auf­stiegs­kan­didat, waren es erschre­ckende 147. Man kann sich denken, dass sich die Sache aus­wärts noch trost­loser dar­stellt, zumal West­falia seit der Auf­lö­sung der Chaos Bri­gade Herne“ im Jahr 2011 keine wirk­liche Ultra­szene mehr hat.
 
So war man sich in Ahlen sicher, dass das Spiel gegen Herne nur sport­liche Bri­sanz haben würde – für West­falia ging es immerhin noch um Punkte gegen den Abstieg. Und auch wenn nie­mand an Fan­aus­schrei­tungen dachte, hatte Ahlens Prä­si­dent Dirk Neu­haus ein paar Tagen zuvor mit West­fa­lias Geschäfts­führer tele­fo­niert und sich abge­si­chert. Er sagte, da kommen nicht mehr als eine Hand­voll Fans nach Ahlen.“ Neu­haus fühlte sich bestä­tigt, genauso hatte er sich das vor­ge­stellt.

Die Sorge vor den Fans der Kate­gorie B
 
Der Polizei und dem Ord­nungsamt in Ahlen lagen aller­dings andere Infor­ma­tionen vor. In der Kreis­po­li­zei­be­hörde Waren­dorf ging wenige Tage vor dem Spiel ein Hin­weis ein, nach dem über 150 West­falia-Anhänger nach Ahlen fahren würden. Dar­unter auch 50 der Kate­gorie B, also Fans die sich von gewalt­be­reiten oder gewalt­ge­neigten Fans anste­cken lassen“, sagt Polizei-Pres­se­spre­cher Martin Schnafel.
 
Man befürch­tete ein Auf­ein­an­der­treffen mit den Ahlener Fans, mit denen es in der Ver­gan­gen­heit nicht immer ein­fach war. Die Fans der Fan­grup­pie­rung Ahlener Ultras sind wie­der­holt auf­ge­fallen“, sagt Schnafel, und das hatten wir im Hin­ter­kopf.“ Er meint damit zum Bei­spiel einen Vor­fall vor einem Jahr, aus­wärts, in Herne. Damals sollen Ahlener Ultras im Block ran­da­liert und die Beamten nach dem Spiel pro­vo­ziert haben. In einer Pres­se­er­klä­rung hieß es: Ein 20-Jäh­riger uri­nierte vor den ein­ge­setzten Poli­zisten auf den Platz und belei­digte die Beamten, indem er sich umdrehte und ihnen das ent­blößte Hin­ter­teil ent­ge­gen­streckte.“ 
 
Vor wenigen Wochen kam es in Ahlen zu einem Zwi­schen­fall im Kreis­li­ga­pokal. Beckumer Ultras sollen auf der Tri­büne Stahl­stützen aus den Fun­da­menten gerissen haben und Zaun­ele­mente ver­bogen haben“, heißt es in der Pres­se­mel­dung der Polizei. Die Ahlener Zei­tung“ berich­tete von schweren Aus­schrei­tungen“.
 
Neu­haus erin­nert sich an ein biss­chen Rüt­teln an einem Pfeiler“, den man dann inner­halb von wenigen Minuten wieder in die Ver­an­ke­rung stellen konnte. Und die Ahlener Ultras? Die hätten sich seit dem Vor­fall in Herne nichts zu Schulden kommen lassen, keine Pyros, keine Böller, keine Schlä­ge­reien, alles fried­lich.
 
Mit diesem Kennt­nis­stand gingen die Par­teien am Montag in das obli­ga­to­ri­sche Sicher­heits­ge­spräch, bei dem Ver­treter der Polizei, des Ord­nungs­amtes, der Feu­er­wehr und der Ver­eine teil­nehmen. Dort erzählte Neu­haus von der Hand­voll Herne-Fans“ und der erwar­teten 300 bis 400 Zuschauern im Wer­se­sta­dion. Die Beamten berich­teten von ihrem Hin­weis und einer Zuschau­er­zahl von 500 bis 1000 Fans. Die Ahlener schüt­telten den Kopf.

Ein rie­siger Trubel in Ahlen

Doch es half nichts, denn der Klub war nun in der Pflicht auf Basis dieses Gesprächs das Sicher­heits­auf­gebot für das Spiel am Mitt­woch zu kal­ku­lieren. Am Spieltag waren 27 Secu­rity-Leute, 15 Ordner und fünf Sani­täter im Ein­satz. Dazu Ret­tungs­wagen, Feu­er­wehr­wagen, Kran­ken­wagen, eine Vier-Mann-Rei­ter­staffel und ein Zug der Bereit­schafts­po­lizei. Ins­ge­samt sollen knapp 50 Beamte vor Ort gewesen sein. Es fühlte sich ein biss­chen an wie eine pri­vate WG-Feier, bei der plötz­lich eine Horde von nie gese­henen Par­ty­cra­s­hern in der Küche steht. Es war mächtig was los.

Oder auch nicht.

Denn es kam so, wie Neu­haus es vor­her­sagte. Ein paar ältere Herne-Anhänger ver­streuten sich auf der Tri­büne, und von Fans der Kate­gorie B war weit und breit keine Spur. Man hätte jedem Gäs­te­zu­schauer pro­blemlos einen eigenen pri­vaten Poli­zisten und Ordner an die Seite stellen können. Am Ende zählte Neu­haus 21 Aus­wärts­an­hänger, dazu kam viel­leicht ein halbes Dut­zend auf der Sitz­platz­tri­büne. Ins­ge­samt waren 381 Zuschauer im Sta­dion. Son­nen­schein, 24 Grad, Ahlen gewann 4:1, Applaus, alles fried­lich.

Doch jetzt, einen Tag nach Spiel, platzt ihnen ein biss­chen der Kragen. Das war alles der­maßen über­zogen! Herne hat doch über­haupt keine Fans, die Kra­wall machen!“, sagt Peter Otte, Ahlens Fan­be­auf­tragter. Was sollte das? Wieso hat nie­mand auf uns gehört?“, fragt Dirk Neu­haus.
 
Der Klub­prä­si­dent muss momentan jeden Euro zweimal umdrehen, denn sein Verein befindet sich noch in der Insol­venz. So kommt es, dass die Ordner nicht mit Geld, son­dern mit Wurst und Cola ent­lohnt werden.
 
Aller­dings wird die Secu­rity von einer externen Firma gestellt, und die gibt sich nicht mit Natu­ra­lien zufrieden. Nach unserer Zuschauer-Kal­ku­la­tion“, sagt Neu­haus, hätten wir nur zwölf Secu­rity-Mit­ar­beiter auf­stellen müssen.“ Weil es aber 27 waren, weil man auch bei Feu­er­wehr, Sani­tä­tern und Kran­ken­wagen Zusatz­kosten hat, gehen dem Klub jetzt Ein­nahmen im vier­stel­ligen Bereich durch die Lappen. Mehr noch: Rot Weiss Ahlen, so sagt Neu­haus, hat zum wie­der­holten Male Minus mit einem Heim­spiel gemacht. Man hätte sogar über­legt, das Spiel abzu­sagen. Doch das wäre ja Wett­be­werbs­ver­zer­rung gewesen“, sagt Neu­haus.

Wer zahlt die Poli­zei­kosten?
 
Nun pran­gert der Verein das Vor­gehen öffent­lich an. Auf der Ver­eins­home­page schreiben die Ver­ant­wort­li­chen von enormen Kosten für ein Polizei- und Ord­ner­auf­gebot“ und fragen: Wer diesen Irr­sinn am Ende eines ruhigen Ama­teur­fuß­ball­spiels bezahlen durfte?“ Die Ant­wort gibt man gleich selbst: Wir, Rot Weiss Ahlen!“
 
Was so nicht ganz stimmt, denn die Poli­zei­kosten werden nicht vom Klub getragen, son­dern vom Land NRW. Das moniert jeden­falls Poli­zei­spre­cher Martin Schnafel, der das Auf­gebot durch Ver­samm­lungs­stät­ten­ver­ord­nungen, Brand­schutz und einem Sicher­heits­kon­zept legi­ti­miert sieht: Im Nach­gang stellt sich der Kräf­te­an­satz viel­leicht als hoch dar. Mit den Vor­er­kennt­nissen zum Spiel halten wir Vor­würfe für nicht gerecht­fer­tigt. Vor allem stimmt es nicht, dass der Verein für unsere Kosten auf­kommen muss.“

Mit Waffen und Rauch­bomben bewaffnet“
 
Immerhin hat man in Ahlen nicht das Lachen ver­lernt. Auf der Face­book-Seite heißt es: Mit Waffen und Rauch­bomben bewaffnet begaben sich die gewalt­be­reiten Pro­blem­fans von West­falia Herne am Mitt­woch­abend auf den Weg zum Wer­se­sta­dion, um ein Schlacht­feld der Ver­wüs­tung zu hin­ter­lassen.“
 
Der Text trägt den Titel: Son­der­mel­dung: Poli­zei­ein­satz ver­hin­dert Eska­la­tion.“