Einst war er die 995 der Tennis-Weltrangliste, nun will Nasser Al-Khelaifi die Nummer eins im Fußball werden. Dafür schleudert er Milliarden Euro raus. Lohnen sich die Investitionen?
Die Jahre zwischen 1992 und 2003 wirken wie der Ausschnitt aus dem Leben eines anderen. Aus dem Leben Karsten Braaschs oder Bernd Karbachers vielleicht. Aber sie stehen da schwarz auf weiß, bei Wikipedia oder in etlichen alten Zeitungsartikeln, sie sind tatsächlich Teil der Biografie Nasser Al-Khelaifis.
Es geht um eine Dekade, als der Katari versuchte, sich als Tennisprofi einen Namen zu machen. Al-Khelaifi spielte damals auf der ATP-Tour und im Davis-Cup. Seine Bilanz ist erschreckend: 45 Matches, zwölf Siege, 33 Niederlagen. Am 4. November 2002 hatte er seine höchste Weltranglistenposition inne: Platz 995. Sein verdientes Preisgeld in zehn Jahren: 16.000 US-Dollar.
Nummer-eins-Frisur, Nummer-eins-Lächeln
Es ist eine geradezu lächerliche Bilanz. Zumindest wenn man sich Nasser Al-Khelaifis restliches Leben vor Augen führt, in dem es vornehmlich darum ging, die Nummer eins zu sein. Er wuchs auf in Katar, dem Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Er besuchte Nummer-eins-Schulen und Nummer-eins-Universitäten. Er verkehrte mit Nummer-eins-Geschäftspartnern, trug eine Nummer-eins-Frisur, lächelte ein Nummer-eins-Lächeln und wurde eines Tages Präsident des katarischen Tennisverbandes.
Später übernahm er noch die Position des General Managers bei beIN Sports, dem Sportsender von Al Jazeera, und wurde führendes Mitglied im Organisationskomitee der WM 2022. Und weil man in Katar Ämter anscheinend auch mal als kleines Geburtstagsgeschenk mitbringt, überreichte man ihm eines Tages noch den Posten „Minister“. Allerdings, man will ihn ja nicht überlasten, hat er keinen direkten Aufgabenbereich.
Was hatte so ein Overachiever auf Platz 995 verloren?
Vielleicht war er dem Tennis einfach dankbar, so dass er immer weiter spielte. Schließlich hatte der Sport ihm ja fast alles ermöglicht. Vor etwa 25 Jahren traf er nämlich auf einem Tennisplatz in Katar einen gewissen Tamim bin Hamad Al-Thani. Der war damals Kronprinz des katarischen Scheichs und wurde sein Trainingspartner und dickster Freund.
Mächtigster Mann im französischen Fußball?
Neben all den genannten Nummer-eins-Jobs übergab dieser, kurz nachdem sich 2011 der Staatsfond „Qatar Sports Investment“ (QSI) für 130 Millionen Euro in den französischen Klub Paris Saint Germain eingekauft hatte, Al-Khelaifi auch die Position des PSG-Präsidenten. Heute nennt ihn die „L’Equipe“ den „mächtigsten Mann im französischen Fußball“.
Trotzdem weiß man bis heute kaum etwas über diesen 42-Jährigen.
Vielleicht liegt es daran, weil Al-Khelaifi anfangs kein Mann großer Töne war. Er war stinkreich, konnte mit seinen Firmen, Positionen und Holdings gegen sich selbst Quartett spielen, und er liebte die Falkenjagd. Aber er ließ oft andere reden. Interviews gab er so gut wie nie, und selbst die Pressekonferenzen seines Klubs Paris Saint-Germain mied er, wann immer es ging.
Wenn er doch mal Interviews gab, etwa 2013 in der FAZ, baute er vor sich eine Mauer aus Floskeln und Nullsätzen auf. Wenn man ihn kritisierte, für die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen etwa, sagte er mit sanfter Stimme: „Ich kann Ihnen definitiv versichern, das es bei uns keine Menschenrechtsverletzungen gibt.“ Oder: „Wir sind ein sehr herzliches Volk, das so etwas nie geschehen lassen würde.“