Barcelonas Marc André ter Stegen und Leverkusens Bernd Leno gelten als Kronprinzen von Manuel Neuer. Zuletzt hatte ter Stegen die Nase vorn, aber dann patzte er mehrmals.
Ohne Bernd Leno wäre Deutschland 2009 nicht U17-Europameister geworden. Das mag zunächst etwas seltsam klingen, schließlich spielte Bernd Leno im Turnier keine einzige Minute. Aber Marc-André ter Stegen, die damalige Nummer eins im deutschen Tor, war sich da ziemlich sicher: Der Konkurrenzkampf, so sagte er in einem Interview mit 11FREUNDE vor einem halben Jahr, spornte ihn zu Höchstleistungen an.
Es war die ständige Sorge, der andere könnte beim kleinsten Fehler vorbeiziehen. Die Allgegenwärtigkeit des alten Oliver Kahn-Credos, dieses „Weiter, immer weiter“, das im Grunde alle großen deutschen Torhüter der vergangenen Dekaden verinnerlicht hatten: Toni Schumacher, Uli Stein, Bodo Illgner, Jens Lehmann, Oliver Kahn.
Wie Lehmann vs. Kahn?
In der Öffentlichkeit wurden Leno und ter Stegen damals zu erbitterten Feinden stilisiert. In Interviews wurden die beiden gefragt, ob sie überhaupt schon mal miteinander gesprochen haben und ohne die Antwort abzuwarten, wurde das perfekte Setting weiter ausstaffiert: zwei deutsche Supertalente im Tor, beide ehrgeizig, beide Jahrgang 1992, der eine, ter Stegen, sagte sogar, dass Oliver Kahn sein großes Vorbild sei, und so nannten sie ihn fortan den „kleinen Titan“. Und dieser Leno? Der spiele ja wie Jens Lehmann, urteilte der damalige DFB-Sportdirektor Matthias Sammer. Dass dieser Leno häufig Iker Cassillas als Inspiration nannte, war da egal. Es musste krachen. Irgendwann. Schließlich kämpften beide nicht um einen Platz beim Uwe-Seeler-Charity-Cup, sondern um die Rolle des Kronprinzen von Manuel Neuer, der 2009 seine ersten A‑Länderspiele bestritt.
Und so konnte man auch in „Süddeutschen Zeitung“ lesen, dass sich die Torhüter „duellieren“ wie einst Kahn und Lehmann. Während im Umfeld der beiden wie wild nach Parallelen gesucht wurde. „Ja“, sagte schließlich ter Stegens Torwarttrainer Uwe Kamps, „was die Temperamente angeht, kann man den Vergleich schon so stehen lassen.“
„Wir können normal miteinander reden“
Fünf Jahre später hat sich die ganze Angelegenheit ein wenig beruhigt. Zum einen ahnt man, dass Manuel Neuer noch vier, fünf, vielleicht auch sechs Jahre auf absolutem Topniveau spielen wird. „Mindestens zwei Turniere ist Manuel noch dabei“, sagte DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke neulich. Andererseits musste man irgendwann erfahren, dass die vermeintlichen Antagonisten recht entspannt mit der Situation umgehen.
Als wir Marc-André ter Stegen im Frühjahr in Barcelona trafen, war da weder Hass noch Missgunst in der Stimme des Torwarts. Er sagte: „Wir können normal miteinander reden, auch wenn wir zwei sehr unterschiedliche Typen sind.“ Und dann sagte er eben diesen Satz: „Vermutlich wären wir ohne diesen harten Konkurrenzkampf 2009 nicht U17-Europameister geworden.“
Zuletzt hatte ter Stegen beim FC Barcelona keine Konkurrenz, denn Claudio Bravo war verletzt. Und es zeigte sich wieder, wie verdammt unfair der Fußball sein kann. Vor allem wenn man Journalisten und Expertenmeinungen glaubt. Wenn man etwas auf Statistiken gibt und diese miteinander vergleicht.
Ter Stegens Bilanz las sich ja eigentlich überragend. Zwischen Oktober 2014 und Mai 2015 verlor er mit dem FC Barcelona kein einziges Spiel. Am Ende hielt ter Stegen den Champions-League-Pokal in den Berliner Nachthimmel und trug wenige Tage später den Pokal der Copa del Rey durch das Camp Nou. Er, 22 Jahre jung, hatte es allen gezeigt, den deutschen Experten, die glaubten, der spanische Superklub sei eine Nummer zu groß und den spanischen Journalisten, die ihn nach seinem holprigen Start beim FC Barcelona verspotteten.