In der Hansestadt knallt’s: Die Politik will die DFL an den Kosten für Polizeieinsätze bei Bundesligaspielen beteiligen – per Gesetz. Der Bremer Senat fühlt sich im Recht. Die Liga auch. Eine aussichtslose Situation?
Wer bezahlt die Polizeieinsätze beim Fußball? Durchschnittlich kümmern sich etwa 1350 Polizisten in Vollzeit um die Sicherheit in der 1. und 2. Bundesliga. In rund 1,8 Millionen Arbeitsstunden verdienen sie laut Polizeigewerkschaft knapp 90 Millionen Euro pro Saison. Geld, das bislang die jeweiligen Bundesländer aus Steuereinnahmen zahlten. Doch das soll nicht so bleiben.
In dieser Woche hat das erste Bundesland Fakten geschaffen. Der rot-grüne Senat in Bremen hat beschlossen, sich per Gesetz die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen zurückzuholen.
Der „Bremer Weg“ ist einmalig im deutschen Profifußball – und wird vermutlich eine landesweite Debatte auslösen. Das ohnehin klamme Land hat es satt, für die Bundesligaspiele des SV Werder zu zahlen. Bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Herbst habe man, so heißt es in Bremen, bereits in den hintersten Ecken des Haushaltes fegen müssen, um Geld zu akquirieren. Bei den Überlegungen, wo eingespart werden könne, kam man auf die Polizeikosten.
Ein Helene-Fischer-Konzert dürfte wohl stattfinden
Die Idee: Als Dachverband der Profi-Vereine soll die DFL die Kosten für übermäßige Sicherheits-Einsätze zahlen. Innensenator Ulrich Mäurer von der SPD erklärt: „Angesichts unserer Haushaltslage sollen Veranstalter, die durch eine staatliche Leistung einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen, dafür im Interesse aller Steuerzahler eine Gebühr entrichten.“
Offiziell geht es nicht nur um den Fußball. Bei Veranstaltungen mit mehr als 3.000 Zuschauern soll der Polizeieinsatz künftig generell bezahlt werden. Die Regelung soll allerdings nur greifen, sobald die Faktoren ›Großveranstaltung‹, ›gewinnorientiert‹ und ›erhebliche zu erwartende gewalttätige Ausschreitungen‹ zusammenkommen. Heißt im Umkehrschluss: Ein Helene-Fischer-Konzert dürfte wohl ohne Auflage stattfinden, ebenso der Bremer Freimarkt. Die Kosten für Risikospiele gegen den HSV oder Hannover 96 müsste allerdings die DFL übernehmen.
Das Gesetz birgt aber Grauzonen. Auch Spiele, die eigentlich kein erhöhtes Risikopotenzial bieten, könnten unter Umständen unter die Vorlage fallen. Was ist also, wenn Borussia Dortmund demnächst mit 8.000 Fans im Gepäck nach Bremen reist und ein erhöhtes Polizei-Aufgebot erforderlich ist? Muss dann auch die DFL zahlen?
„Die Mehrkosten wollen wir nicht zahlen“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Tschöpe, einer der Entwickler der Pläne, sagt: „Es geht darum, wie viele Polizeikräfte bei einem Bundesliga-Spiel zum Einsatz kommen. An einem normalen Spieltag kalkulieren wir in Bremen mit 200 bis 300 Polizisten. Die Mehrkosten, die Risikospiele mit sich bringen, wollen wir aber nicht zahlen.“
Tschöpe meint etwa den Polizeieinsatz im vergangenen Jahr gegen den Hamburger SV. Damals waren 1200 Polizisten im Einsatz – immerhin der sechsfache Wert eines normalen Spieles. Die Bremer Risikospiele haben in der Saison 2013/14 rund 1,4 Millionen Euro gekostet, im Jahr davor waren es sogar zwei Millionen Euro. Das hört sich zunächst nicht dramatisch an, wird aber entscheidend, wenn andere Bundesländer nachziehen und der DFL und den Vereinen alle Kosten aufdrücken.
Die Verantwortlichen der Liga fürchten genau diesen Schritt. Sie bringt die Senats-Ideen auf die Palme. In einer Pressemitteilung schreibt die DFL von einem „unhaltbaren Weg“. Man wolle sich „mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen“.
Präsident Reinhard Rauball konkretisiert: „Der Bremer Alleingang ist mit unseren verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist unabhängig von der Kassenlage der öffentlichen Haushalte allein Aufgabe des Staates.“ Außerdem würden sowohl die Liga als auch die Vereine und jeder Stadionbesucher Steuern zahlen. Davon sollten eigentlich auch die Polizeieinsätze bezahlt werden. Außerdem pocht die DFL auf der Meinung, dass weder sie noch die Bundesligisten die Verursacher oder Veranlasser von Gewalt und damit einer größeren Polizeipräsenz seien.
Doch wer sind diese Verursacher? Sind es die Fans, die zu tausenden in Zügen durch Deutschland reisen, um ihren Verein zu sehen? Sind es einzelne Personen, die Krawalle provozieren und dadurch einen höhere Sicherheitsstufe auslösen? Oder sind es doch die Vereine, wegen denen die Zuschauer ins Stadion pilgern? Es geht um juristische Grundsatzfragen und viel Geld.
Die Folgen sind nicht abzusehen
„Nach meinem Kenntnisstand hat die DFL im vergangenen Jahr eine Umsatz von 2,65 Milliarden Euro gemacht“, erklärt SPD-Politiker Tschöpe. Er spricht im Bezug auf die Äußerungen der Liga von „handfesten wirtschaftlichen Eigeninteressen“. Für die DFL erwidert Rauball: „Es ist Augenwischerei, wenn angeblich nur Ligaverband und DFL für die Bremer Forderung herangezogen werden sollen und nicht der SV Werder als Sympathie-Träger der Stadt.“ Die Positionen von Politik und DFL sind nicht zu vereinen, vermutlich wird man sich vor Gericht treffen.
Der Ablauf ist folgendermaßen: Die Senatsvorlage wird im September durchgewunken, anschließend ist das neue Gesetz rechtskräftig. „Die Regelung würde voraussichtlich beim Bundesligaspiel Mitte Dezember gegen Hannover 96 zum ersten Mal greifen“, so Innensenator Mäurer. Nachdem ermittelt wurde, wie viel zusätzliche Polizeikräfte zum Einsatz gekommen seien, werde die DFL dann einen Gebührenbescheid erhalten, den es zu begleichen gelte. „Anschließend hat die Liga vier Wochen Zeit beim Verwaltungsgericht Klage einzureichen“, skizziert Mäurer den Verlauf.
Dass es so kommt, ist wohl unausweichlich – und die Folgen sind noch nicht abzusehen. Nacheinander erklärten die Innenministerien anderer Bundesländer, man werde den Bremer Weg vorerst nicht unterstützen. „Solange es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, steht das nicht zur Diskussion“, sagte Baden Württembergs Innenminister Lothar Gall (SPD). Aus NRW und Hessen hörte man ähnliche Stimmen, der Rückhalt für die Bremer Politiker hält sich in Grenzen.
„Diese Reaktion spricht Bände“
Für Bremens Innensenator kein Grund zur Sorge: „Wenn die erste Entscheidung ergangen ist, werden meine Kollegen die Lage neu bewerten.“ Sollte Bremen Recht bekommen, würden sich sicher bald die Finanzminister der anderen Länder zu Wort melden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie der DFL die Ausgaben schenken werden“, so Mäurer.
Die Liga hat bereits reagiert. Präsident Rauball, der auch im DFB-Präsidium sitzt, macht Medienberichten zufolge seine Drohung wahr und entzieht der Stadt Bremen das EM-Qualifikationsspiel im November gegen Gibraltar. Seine Begründung: „Es kann nicht sein, dass wir Bremen etwas Gutes tun und im Umkehrschluss fürchten müssen, dass wir für bestimmte Kosten von dort aus in Anspruch genommen werden.“ Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. „Diesen Schritt muss man gar nicht kommentieren, die Reaktion spricht Bände“, kommentierte Innensenator Mäurer enttäuscht. Ein Ende ist jedenfalls nicht in Sicht.