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Herr Bäron, können Sie sich noch an den 17. Spieltag der Saison 1999/2000 erin­nern?

Ja, klar. Da haben wir mit dem HSV hoch gewonnen, das war gegen Duis­burg, und an dem Tag fand auch unsere Weih­nachts­feier statt. (Pause) Und ich bin nach langer Ver­let­zungs­pause wieder ein­ge­wech­selt worden.

Stimmt es, dass Duis­burgs Thorsten Woh­lert den Ball beim Stand von 4:1 für den HSV unbe­drängt ins Aus geschossen hat, damit Sie nach zwei­jäh­riger Zwangs­pause end­lich ein­ge­wech­selt werden durften?

Ja, das stimmt wohl.

Sie scheinen nicht gern daüber zu reden.

Wissen Sie, das alles ist jetzt acht Jahre her, es ist nicht mehr an der Zeit, dar­über zu spre­chen.

Acht Knie-Ops haben Sie über sich ergehen lassen, waren etliche Monate im Rehat­rai­ning statt mit den Kol­legen beim Tor­schuss­trai­ning. Woher nimmt man da die Kraft, immer wieder neu anzu­greifen?

Mein erster Beweg­grund war ganz klar die Lust am Fuß­ball­spielen. Außerdem will man inner­halb der Mann­schaft am Ball bleiben, um seinen Beruf, sein Hobby, seine Lei­den­schaft weiter aus­üben zu können. Es gibt schon viele schöne Sachen auf dieser Welt, aber Fuß­ball­profi zu sein – das ist ganz weit vorne.

Können Sie das Gefühl in Worte fassen, wie es ist, als Fuß­ball­profi in ein volles Sta­dion ein­zu­laufen?

Nicht wirk­lich. Wenn man auf den Platz läuft, ist man so kon­zen­triert, dass man vieles, was um einen herum pas­siert, aus­blendet. Das muss man in vielen Situa­tionen auch ein­fach tun. Ich würde aber natür­lich lügen, wenn ich sagen würde, man bekommt die Stim­mung und die Zuschauer nicht mit. Bei meinem Come­back gegen Duis­burg bei­spiels­weise habe ich die auf­ge­la­dene Stim­mung zwar mit­be­kommen, mich in diesem Moment aber nur darauf kon­zen­triert, meine Leis­tung zu bringen und das Spiel anständig zu Ende zu spielen.

Hat man zwi­schen­durch auch Exis­tenz­ängste?


Jein. Das ist nicht unbe­dingt der erste Gedanke, den man hat, wenn die Dia­gnose der Ver­let­zung kommt. Irgend­wann denkt man schon dar­über nach, ver­traut aller­dings auf seine Ver­si­che­rung, die man ja nun einmal hat. Prin­zi­piell habe ich mir also keine Gedanken über meine Exis­tenz gemacht, im Unter­be­wusst­sein war es aller­dings schon ver­an­kert.

Hat sich die ganze Schin­derei in der Reha im Nach­hinein für Sie gelohnt?

(atmet tief durch) Gut, in diesem einen Moment wahr­schein­lich ja. Ich habe dann im fol­genden halben Jahr ver­sucht wirk­lich wieder den Anschluss zu finden. Aber das ist eigent­lich schwer zu sagen, weil es das im eigent­li­chen Sinne ja nicht geschafft habe. 2000 war mein letztes Bun­des­li­ga­spiel. Aber trotzdem: für mich ist es wichtig, dass ich es damals noch einmal ver­sucht habe. Es hat im End­ef­fekt ein­fach nicht sollen sein.

Letzten Endes hat ein Knor­pel­schaden Ihre Kar­riere beendet. Beein­träch­tigt Sie die Ver­let­zung eigent­lich noch heute?


Im Trai­ning kann ich zwar nicht mehr mit­spielen, aber es ist so, dass ich durchs Leben komme. Den Trai­nerjob kann ich auf jeden Fall pro­blemlos machen.

Trotz Ver­let­zungen, trotz Knor­pel­schaden: Ins­ge­samt stehen 123 Bun­des­li­ga­spiele und 39 Treffer in Ihrer Akte. Gibt es ein Spiel, ein Tor, das beson­ders in Erin­ne­rung geblieben ist?

Da gab es schon ein paar schöne Momente, ganz beson­ders war ein Uefa-Cup-Spiel gegen Celtic Glasgow. Nach 20 Sekunden im Celtic-Park stand es schon 1:0 für uns. Das war natür­lich ein irres Gefühl, zumal wir die Partie mit 2:0 gewonnen haben.

Die Saison 93/94 kann als Höhe­punkt Ihrer Spie­ler­vita bezeichnet werden: 13 Tore, 32 Spiele, Sie waren ein hoch gehan­deltes Talent. Wann kam die Anfrage von Uli Hoeneß?

Ach, die Zeit ist eigent­lich schon aus meinem Kopf gelöscht, weil es ein­fach zu lange her ist. Der Kon­takt zu den Bayern ist aber schon älter. Der bestand bereits, als ich erst 16 war. Im Laufe der Jahre gab es immer mal wieder Gespräche und Anfragen, ohne dass es zu kon­kreten Ergeb­nissen gekommen ist. Ich bin beim HSV geblieben, aller­dings haben sich die Bayern sofort dafür bereit erklärt, zu meinem Abschieds­spiel nach Ham­burg zu kommen. Das war eine schöne Geste.

Wären Sie denn zu Bayern Mün­chen gewech­selt?

Naja, es kamen ja immer wieder Ver­let­zungen dazwi­schen. Meine Kar­riere ist im End­ef­fekt so gelaufen, da hilft kein hätte, wenn und aber mehr.

Wir haben vorhin über Ihre Ver­si­che­rung gespro­chen. Da gab es ja im Nach­hinein Pro­bleme.

Ja, das stimmt. Wie es nun mal mit Ver­si­che­rungen ist, die streiten alles ab. Mit der einen Ver­si­che­rung hatte ich einen jah­re­langen Rechts­streit, der jetzt außer­ge­richt­lich beendet wurde.

Mit einem posi­tiven Aus­gang für Sie?

Sagen wir mal so: Es ist vorbei.

Konnten Sie das Ende dieses Recht­streits nutzen, um noch einmal end­gültig mit Ihrer Kar­riere als aktiver Spieler abzu­schließen?

Ein Stück weit ja. Aller­dings gibt es immer noch den Recht­streit mit der Berufs­ge­nos­sen­schaft, der seit über 15 Jahren andauert und immer noch nicht beendet ist. Wenn das irgend­wann auch einmal beendet ist, kann ich wirk­lich den letzten Strich ziehen. Eigent­lich habe ich mit meiner Zeit als Profi abge­schlossen. Ich kon­zen­triere mich jetzt auf mein neues Leben.

Als Air Bäron“ werden Sie uns trotzdem immer im Gedächtnis bleiben. Wer oder was ist denn für diesen Spitz­namen ver­ant­wort­lich?

Das hat sich Frank Nie­mann aus­ge­dacht.

Der HSV-Fan, der seit fast 15 Jahren das gleich­na­mige Banner in die Sta­dien der Welt hängt.


Genau.

Was ist das für ein Gefühl, wenn man seinen Namen immer noch in den Fan­kurven prangen sieht? Geht Ihnen das nicht irgend­wann auf den Geist?

Nein, auf den Geist geht es mir auf keinen Fall. Aber es ist ein mul­miges Gefühl, dass da immer noch einer ist, der mit dieser Fahne durch die Sta­dien tin­gelt. Natür­lich freut man sich irgendwo. Aber ich sitze jetzt nicht vor dem Fern­seher und rufe: Guck mal, da ist wieder meine Fahne! Wie auch immer, das ist schon beacht­lich, was der Frank da macht. Außerdem habe ich dadurch einen Freund dazu gewonnen.

Genug geredet über die Ver­gan­gen­heit. Gegen­wärtig erwi­sche ich Sie im Mann­schaftsbus auf der Fahrt nach Braun­schweig, zu einem richtig schönen Regio­nal­li­ga­klas­siker. Freut man sich als Trainer da genauso drauf wie als Spieler?

Auf jeden Fall. Das sind die Spiele, für die man als Spieler und als Trainer lebt. Ich schätze mal, dass circa 15.000 Zuschauer da sein werden, ein tolle Kulisse. Dafür lebt man. Das ist ein­fach nur Freude pur.

Was sind Sie: Ein Trainer oder ein Aus­bilder?

Ein aus­bil­dender Trainer.

Gibt es so etwas wie Ihre eigene Trai­ner­phi­lo­so­phie?


Naja, es gibt natür­lich eine breite Palette an Her­aus­for­de­rungen, wie man wem was bei­bringen muss. Mit dem einen Spieler muss ich viel­leicht inten­siver reden, ein anderer muss noch weiter tak­tisch geschult werden, den nächsten schicke ich ans Kopf­ball­pendel. Die Arbeit ist sehr viel­fältig. Von daher gibt es nicht die eine Phi­lo­so­phie.

Sie haben vorher die A‑Jugend vom HSV trai­niert, jetzt die U21. Ist es ein Anreiz, als junger Trainer unfer­tige Spieler nach den eigenen Idealen ent­spre­chend aus­bilden zu können?

Ein Anreiz ist es in jedem Fall. Man bildet die Spieler schließ­lich dem Ziel aus, dass sie selbst und die Mann­schaft immer neue Fort­schritte machen. Das ist die Moti­va­tion für mich, jeden Tag wieder auf den Trai­nings­platz zu gehen.

Und das auch noch in der kom­menden Saison für den HSV?

Ja, so lange mich der Ham­burger SV noch haben will, so lange ich Spaß an der Sache habe und merke, dass die Zusam­men­ar­beit Früchte trägt, arbeite ich gerne weiter.

Was sind Ihre Ziele für die kom­menden Jahre im Trai­ner­ge­schäft?

Mög­lichst viel lernen. Bei jeder Hos­pi­ta­tion, bei jeder Sich­tung, von jedem Trainer der ersten Mann­schaft habe ich bereits eine Menge lernen können. Das soll so wei­ter­gehen.

Lassen Sie uns zum Abschluss uto­pisch werden: Wenn in 40 Jahren ein Bericht über Ihre Person geschrieben werden wird, wer soll im Vor­der­grund stehen: Der Spieler Bäron oder der Trainer Bäron?

Das ist mir egal. Bis jetzt ist meine Kar­riere zwar nicht optimal ver­laufen, aber ich war Fuß­ball­profi und bin jetzt Trainer. Ich bin dankbar für jeden Tag.