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Ich stamme aus den Bergen, aus Mit­ten­wald in den Alpen. Vom Fuß­ball hatte ich, ehr­lich gesagt, lange Zeit keine Ahnung. Zuhause war ich immer der 13. Mann: Wenn zwei Stamm­spieler am Abend voll waren, durfte ich am nächsten Tag auch mal mit­spielen. Mein Sport ist das Ski­fahren. Aber in einem Punkt hatte ich von Anfang an nie Zweifel: Felix Magath ist in Sachen Fuß­ball zu Höherem geboren. Wenn ich heute, mit 68 Jahren, auf meine Kar­riere als Phy­sio­the­ra­peut in der Bun­des­liga zurück­blicke, fallen mir nicht allzu viele Profis ein, denen es gelungen ist, im Anschluss an die Lauf­bahn als Spieler weiter auf der Erfolgs­welle zu schwimmen. Felix ist einer der Wenigen, der noch eine Schippe drauf­ge­legt hat und sich dabei stets treu geblieben ist. Zweimal das Double mit den Roten, dann die sen­sa­tio­nelle Meis­ter­schaft mit Wolfs­burg, jetzt der Erfolg mit Schalke. Wenn Felix den FC Bar­ce­lona trai­nieren würde, gewännen die dreimal in Folge die Cham­pions League.

Ken­nen­ge­lernt habe ich Felice“ in der Saison 1978/79, als ich nach einem Jahr beim FC Bayern nach Ham­burg kam. Er war damals ein junger Typ von 25. Ich will nicht sagen ein Hal­lodri, aber ganz sicher auch kein Mus­ter­profi. Er hatte lange Haare, rauchte und abends zog er auch mal los. Längst noch nicht der spä­tere Füh­rungs­spieler. Sein gutes Auge war ihm auf dem Platz zwei­fellos anzu­merken, aber kon­di­tio­nell hatte er Schwä­chen. Manchmal bekam man den Ein­druck, dass er sich nur ungern bewegte, wenn er nicht in Ball­be­sitz war.

Par­allel zu mir fing Branko Zebec als Trainer in Ham­burg an. Eine schick­sal­hafte Fügung – für den HSV, für Felix Magath und letzt­lich auch für mich. Denn mit Branko wehte plötz­lich ein anderer Wind in dem Verein, der die zurück­lie­gende Saison auf Platz 10 abge­schlossen hatte. Er strich erst einmal sechs Stamm­spieler aus dem Kader, dar­unter Natio­nal­spieler wie Arno Stef­fen­hagen und Ferdi Keller. Manager Günter Netzer war eini­ger­maßen ent­setzt, aber Branko sagte nur: Giinter, willst du Zehnter sein oder willst du Meister werden?“

Brankos Kom­pro­miss­lo­sig­keit bekam bald auch Felix zu spüren. In man­chen Ein­heiten ließ er die Mann­schaft drei Stunden am Stück laufen. Immer noch eine Runde. Beim Zir­kel­trai­ning hielt er stets eine Stoppuhr in der Hand, aber drauf­ge­schaut hat er so gut wie nie. Dann machte die Truppe eben 20 Minuten Han­tel­trai­ning anstatt fünf. Und dazu kam: Wasser trinken war strengs­tens ver­boten. Branko Zebec sagte immer: Her­mann, die Spieler müssen tro­cken bleiben.“ Ein Wunder, dass wir nicht bei jedem Trai­ning drei Mus­kel­fa­ser­risse zu ver­zeichnen hatten. Alle gingen weit über ihre Leis­tungs­grenze. Wie oft haben sich die Jungs direkt beim Laufen über­geben. Sie spuckten und liefen ein­fach weiter. Anfangs regte sich auch Felix Magath furchtbar über die extremen Methoden auf, zumin­dest, wenn der Trainer nicht in der Nähe war. Im Laufe der Saison aber machte sich die gute Vor­be­rei­tung bemerkbar. Auch der junge Magath spürte auf einmal, dass er nicht mehr nur Luft für 60 oder 70 Minuten hatte, son­dern nun ein ganzes Spiel lang mar­schieren konnte. Ich bin sicher, dass ihm in dieser Zeit bewusst wurde, welche Bedeu­tung eiserne Dis­zi­plin für eine Kar­riere haben kann. Dass wir am Ende von Brankos erster Saison in Ham­burg auch gleich Meister wurden, hat diese Erkenntnis sicher­lich noch ver­stärkt.

Wer mitzog, hatte Erfolg, die anderen wurden rigoros aus­sor­tiert. Das hat Felix als Trainer später nicht anders gehalten. Wer sich nicht unter­ord­nete, flog: Als wir 1996 mit dem HSV unter dem Trainer Magath im Euro­pacup gegen den AS Monaco spielten, sagte er unserem Abwehr­chef Petar Hubt­chev, er solle sich aus­schließ­lich auf Defen­siv­auf­gaben kon­zen­trieren. Doch im Spiel tauchte Petar immer wieder vor dem geg­ne­ri­schen Kasten auf. Wir ver­loren 3:0. Hubt­chev spielte danach nie wieder für den HSV. Keine Frage, bei der Ent­schei­dung stand in Gedanken auch Branko neben Felix. Das dachte ich auch, als er vor dieser Saison Albert Streit aus der Schalker Mann­schaft ent­fernte. Wer nicht bereit ist, alles für den Erfolg zu tun, hat bei Felix keine Chance.

1978 wuchs die große HSV-Truppe heran, die über Jahre den deut­schen Fuß­ball domi­nieren und deren Kopf schon bald Felix Magath heißen sollte. War er bis dahin noch ein pfle­ge­leichter Spieler, einer, der nicht son­der­lich her­aus­ragte, wurde er nun zuse­hends ver­bis­sener. Wenn er ange­schlagen war, neigte er zur Unge­duld. Er konnte es ein­fach nicht abwarten, wieder zu spielen. Einer von der Sorte, die sich die Prel­lung lieber im Spiel raus­laufen, als Stunden auf der Mas­sa­ge­bank zu ver­bringen. Damals bekam er plötz­lich Gelb­sucht und musste wochen­lang das Bett hüten. Die Höchst­strafe für ihn. Als er wieder zur Mann­schaft zurück­kehrte, hat er lange Zeit nur allein trai­niert. Er wollte sich vor dem Team wohl keine Blöße geben. Damals hat auch Kevin Keegan einen großen Ein­fluss auf ihn gehabt. Der absol­vierte näm­lich, was unter Profis noch völlig unüb­lich war, Son­der­schichten. Er ging vor jedem Trai­ning zwei Stunden in den Kraft­raum und lief sich hin­terher sorg­fältig aus.

Es muss in dieser Zeit gewesen sein, dass Felix begann, sein ganzes Ver­halten auf den Erfolg aus­zu­richten. In Ver­let­zungs­phasen stand er sogar nachts bei mir auf der Matte, um sich den Ver­band wech­seln zu lassen, damit die Hei­lung schneller vor­an­schritt. Er gewöhnte sich mitten in der Saison das Rau­chen ab und fiel wegen des Niko­tin­man­gels in ein Loch, wie er mir später beich­tete. Als Trainer sagte er später den Rau­chern in seinen Teams des­halb: Wenn ihr auf­hört, macht es im Winter oder nach der Saison, sonst werdet ihr Pro­bleme mit der Leis­tung bekommen.

Unter Ernst Happel war er dann schon dessen ver­län­gerter Arm auf dem Platz. Was haben er und Horst Hru­besch in den Halb­zeiten rum­ge­brüllt, wenn die Mann­schaft Grütze gespielt hatte. Da brauchte Happel gar nichts zu sagen, das regelten die Spieler intern. Und auch wenn Felix selbst noch ein Teil der Mann­schaft war, in sol­chen Momenten stellte kein Kol­lege die Ohren auf Durchzug. Er hatte schon immer diesen ganz bestimmten Klang in der Stimme, diesen Ton­fall, bei dem Leute ein­fach zuhören. Ich habe viele Trainer erlebt, die viel mehr erzählten als er, aber damit viel weniger erreichten. Ich bin über­zeugt, wenn Magath einem Spieler sagt: Du kannst es!“, dann glaubt der das – allein wegen der Art, wie Felix es sagt.

Happel und er waren ein selt­sames Erfolgsduo. Obwohl der Öster­rei­cher ihn zum Spiel­führer bestimmt hatte – was damals unüb­lich war –, habe ich die beiden nur auf dem Weg von der Kabine aufs Feld mit­ein­ander reden sehen. Waren beide keine Typen, die viele Worte machten. Die wussten, was sie wollten, die spra­chen nicht über den Gegner, nur über die Taktik, mit der sie selbst das Spiel machen wollten. Dabei ist der Felix privat ein extrem lus­tiger Mensch. Sein Humor blitzt mitt­ler­weile bei fast jedem seiner TV-Inter­views auf: Am Ende kommt immer noch eine Pointe. Sen­sa­tio­nell, wie er das macht. Man muss ihn ein­fach mögen. Auch dafür bewun­dere ich ihn.

In den frühen Acht­zi­gern war Felix beim HSV der Kopf einer ver­schwo­renen Gemein­schaft, die auch richtig feiern konnte. Da wurde der Kabi­nen­schlüssel auch mal von innen rum­ge­dreht. Fünf Kästen Weiß­bier und zwei Fla­schen Korn auf den Tisch, und dann ging’s rund. Hat kein Mensch mit­be­kommen. Und bei sich zu Hause in Nor­der­stedt unter­hielt er einen ganz netten Rot­wein­keller, auch wenn er schon am liebsten Tee trank. Denn das HSV-Trai­ning lief in seiner aktiven Zeit immer unter Wett­kampf­be­din­gungen ab. Dafür sorgte auch er. Sein Ehr­geiz als Fuß­baller hat ihn später sogar die Kar­riere gekostet: Es pas­sierte in einem Trai­nings­spiel. Er for­derte den Ball, der Mit­spieler aber ver­tän­delte. Felix regte sich derart auf, dass er rüber lief und dem Kol­legen in den Hin­tern zu treten ver­suchte. Er traf ihn nicht richtig und erlitt bei der Aktion ein Schleu­der­trauma im Knie, was einen Knor­pel­schaden zur Folge hatte.

Das ist eine heim­tü­cki­sche Ver­let­zung – man kann nicht mehr so hart schießen, nicht mehr so schnell laufen, es fehlt die Sta­bi­lität. Was er in den Wochen emp­fand, als sich das vor­zei­tige Kar­rie­re­ende abzeich­nete, hat er nie nach außen gezeigt. So nah lässt er nie­manden an sich ran. Aber es muss ihm sehr weh getan hat, mit 33 Jahren auf­zu­hören. 1986 war das. Kein gutes Jahr für ihn. Er war gerade zum zweiten Mal Vize­welt­meister geworden und Team­chef Becken­bauer hatte ihn aus­ge­rechnet im Finale aus­ge­wech­selt. Das hat er ihm übel­ge­nommen. Oha. So was macht man nicht mit einem wie ihm. Danach war sicher erst mal einige Zeit Funk­stille zwi­schen den Beiden.

Selbst würde Felix den Natio­nal­trai­nerjob übri­gens nie über­nehmen, da bin ich sicher. Der braucht die täg­liche Arbeit mit der Mann­schaft. Sechs, sieben Spiele im Jahr, da würde er einen Rappel kriegen. Das fiel mir schon auf, als er 1986 Manager beim HSV wurde. Die Büro­ar­beit, die Ent­fer­nung zur Mann­schaft und der Mangel, bei Pro­blemen nicht direkt Ein­fluss nehmen zu können, das lag ihm ein­fach nicht. Er hat inner­lich gekocht, als Uli Stein im Super­cup­fi­nale 1987 in Frank­furt dem Weg­mann eine scheu­erte und dann mit erho­benem Stin­ke­finger in die Kabine ging. Als Trainer hätte er ihn zur Räson bringen können. Doch auf der Bank saß Josip Sko­blar, der Nach­folger von Happel. Und der hielt den Mund. Mit Sko­blar kehrte der Schlen­drian beim HSV ein. Im Trai­nings­lager ord­nete er an, dass die Spieler zum Mit­tag­essen Rot­wein trinken. Nachher waren Teile die Mann­schaft so beschwipst, dass sie mit dem Büffet rum­warfen. Dass Felix als Manager da loyal bleiben musste mit dem Coach, hat ihn ver­rückt gemacht. Das Ende vom Lied war, dass er nach nur einer Saison als sport­li­cher Leiter lieber seinen Fünf-Jahres-Ver­trag kün­digte, als sich wei­terhin zu ärgern.

Er hat nun mal seinen eigenen Kopf zu den Dingen. Das macht es manchmal nicht ein­fach, mit ihm zusam­men­zu­ar­beiten – so wie mit fast allen Men­schen, die nach Erfolg streben. Er will sein Ding durch­bringen und dazu müssen alle um ihn herum so funk­tio­nieren, wie er es sich vor­stellt. Wenn da einer nicht mit­hält, wird er stinkig. Aber er hat recht. Viele Spieler, die bereit waren, sich seinen Anfor­de­rungen anzu­passen, haben davon pro­fi­tiert. Das war schon am Anfang seiner Trai­ner­kar­riere bei den Ama­teuren des HSV so: Hasan Sali­ha­midzic etwa hat mit eher begrenzten tech­ni­schen Fähig­keiten unter Felix eine groß­ar­tige Lauf­bahn begonnen, später hat er Kevin Kuranyi geformt und Mario Gomez ent­deckt. Beim VfB Stutt­gart erhielt er end­lich die Bestä­ti­gung als Trainer, die er ver­dient. Inso­fern fand ich es mutig, dass er 2004 zum FC Bayern ging. Denn er wusste vorher, dass die Männer dort im Vor­stand irgend­wann anderer Mei­nung sein würden als er. Aber auch diese Ent­schei­dung beweist seinen unbe­dingten Erfolgs­willen: Er wusste, dass er es nur bei den Roten schaffen kann, ein großer Trainer zu werden und Titel zu holen. Und das hat er gemacht. Als es dann mal kurz nicht lief, haben sie ihn gefeuert. Er hat diesen Tag von Anfang an kommen sehen. Aber ich bin sicher, Uli Hoeneß hat seine Ent­schei­dung, Felix gehen zu lassen, später noch einige Male bereut.

Was er auch aus den Mög­lich­keiten in Schalke gemacht hat, ist phä­no­menal. Des­halb bin ich jetzt schon gespannt, wie er die nächste Saison angeht. Die besten Spieler werden sie ihm weg­kaufen, er muss wieder bei Null anfangen. Aber ehr­lich, wer kann diese Situa­tion meis­tern, wenn nicht Felix Magath? Er hat so viel erreicht – und ist sich dabei immer treu geblieben. Wie gerne erin­nere ich mich an die Zeit, die wir zusammen in Seefeld/​Tirol beim Ski­fahren ver­bracht haben. Auf der Piste fehlt Felice“ jeg­liche Technik, er macht alles mit Kraft. Aber den Berg runter, wenn Felix Magath hinter einem her­jagt, das ist schon eine Gaudi. Was viele nicht wissen: Er ist nicht nur begna­deter Schach­spieler, er ist auch ein guter Berg­steiger, der Klet­ter­touren mit dem Schwie­rig­keits­grad 4 ohne Hilfe schafft. Kein Wunder also, dass er auch als Trainer erst bei Mann­schaften mit höherem Schwie­rig­keits­grad richtig auf Touren kommt. Ein toller Kerl. Ich bin froh, ihn als Freund zu haben.