Schon als Kind hatte ich davon geträumt, Profi-Tor­wart zu werden. In die Bun­des­liga habe ich es geschafft – wenn auch als Ritter von der trau­rigen Gestalt. Dass Tas­mania eine solch raben­schwarze Serie hin­legte und ich mit­ten­drin war, beruhte aller­dings auf einem Zufall. Ich spielte damals noch beim Bonner SC und bewirt­schaf­tete nebenher die Ver­eins­kneipe. Eines Tages kam Schatz­meister Hubert Claasen zu mir und sagte: Wir brau­chen Geld, ich möchte dich ver­kaufen. Du kannst zu Schalke, zum KSC oder nach Berlin wech­seln. Wo willste hin?“ Ich wollte schon immer mal nach Berlin, also ent­schied ich mich für Hertha BSC.



Doch die Hertha wurde bald darauf wegen Mani­pu­la­tionen zum Zwangs­ab­stieg ver­ur­teilt. Der DFB wollte trotzdem einen Haupt­stadt­verein in der Bun­des­liga haben. Also wurde die Tas­mania, sei­ner­zeit einer der belieb­testen Ber­liner Ver­eine, aus der Regio­nal­liga nach oben geholt – und ich als Tor­wart dorthin trans­fe­riert. Obwohl die Mann­schaft zudem noch mit Horst Szy­ma­niak aus Catania und Her­bert Finken aus Hol­land ver­stärkt wurde, war sie der Her­aus­for­de­rung ein­fach nicht gewachsen. Viele Spieler waren weit über 30, also wesent­lich zu alt. Dass es für den Klas­sen­er­halt nicht rei­chen würde, haben wir schon nach dem siebten, achten Spiel gemerkt. In der Fol­ge­zeit haben wir auch nicht mehr so gelebt, wie es der Pro­fi­sport erfor­dert – nach dem Motto: Trinken wir noch einen, dann ist das Ganze besser zu ertragen!“ Vor dem Trai­ning geneh­migten wir uns zwei Port­wein­chen, die Szy­ma­niak aus Ita­lien mit­ge­bracht hatte, und aßen zwei Curry-Buletten. Nach dem Trai­ning das gleiche Pro­gramm.

Antreten mussten wir natür­lich trotzdem noch. Und eigent­lich fand ich es auch gut, unter Beschuss zu stehen, so hatte ich wenigs­tens ordent­lich was zu tun. Von den 34 Spielen machte ich unge­fähr zwei Drittel. Wäh­rend mein Kon­kur­rent Klaus Bas­ikow schon mal neun oder elf Tore kas­sierte, schlug ich mich recht wacker. Die meisten Gegen­treffer bekam ich gegen Han­nover und Glad­bach, jeweils fünf Stück. Und hin­terher sagte Dieter Kürten vom ZDF in seinem Bericht noch: Bester Mann auf dem Platz: Heinz Roh­loff.“ So schlecht kann ich also nicht gewesen sein. Die hohen Nie­der­lagen waren trotzdem kein Grund für mich, auf meine Vor­der­leute zornig zu sein – es war ja ein­fach nicht mehr drin.

In sol­chen Situa­tionen half es mir unge­mein, wenn unser dritter Tor­wart Jockel Pos­inski zu mir kam und sagte: Sofort abhaken, Jumbo!“ Wir hielten zusammen und lernten gemeinsam, mit Nie­der­lagen umzu­gehen. So kann ich heute auch dar­über lachen, dass mir die Ehre zuteil wurde, durch einen Elf­meter des Frank­fur­ters Jürgen Gra­bowski das hun­dertste Gegentor in dieser Saison zu kas­sieren. Obwohl ich mich sehr bemühte, es zu ver­hin­dern, ver­naschte Gra­bowski mich. Der hatte kein Mit­leid. Unsere Fans schon, zumin­dest die, die nach all den Pleiten noch übrig waren. Sie legten nach diesem Tor hinter mir einen Trau­er­kranz nieder, gold­ver­ziert und mit einem Schild, auf dem die 100“ stand. Am Montag drauf war in den Zei­tungen ein Rie­sen­bild abge­druckt: Ein Tor, in der Mitte ich, Jumbo“ Roh­loff, und rechts und links von mir hun­dert Bälle. Drunter stand: Das trau­rige Jubi­läum“. Acht Gegen­tore kamen noch hinzu, wir stiegen ab. Mit nur acht Punkten. Wir waren nicht die Besten, aber die Schlech­testen. Das ist doch auch ein Rekord.“

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Auf­ge­zeichnet von Dirk Gie­sel­mann