Ein Spielotheken-König träumt in den Achtzigern davon, mit seinem Kreisligisten in den Profifußball aufzusteigen. Mit Manager Armin Veh baut Peter Eiba den BC Harlekin Augsburg zu einer Star-Elf um.
Armin Veh war gerade 26 Jahre alt. Hinter ihm lag eine viel zu früh beendete Bundesligakarriere bei Borussia Mönchengladbach. Zurück in der Augsburger Heimat verkaufte er Schuhe in einem Sportgeschäft, als er von Peter Eiba angesprochen wurde. Dem Mann, der gerade dabei war, überall in der Region Spielhallen zu eröffnen. Fünf besaß er zu diesem Zeitpunkt bereits allein in der Fuggerstadt. Die beiden wurden sich schnell handelseinig. Die Präsentation des neuen Managers Veh fand im April 1987 bei „Feinkost Kahn“ statt, einem der feinsten Mittagslokale der Stadt. Der Ex-Profi orderte einen Salat mit Spargelspitzen und sagte: „Was im Management zu machen, das war immer schon mein Traum.“
Der BC Harlekin 1985 Augsburg war ein Retortenverein. Mäzen Eiba hatte die Spielberechtigung von Forest Haunstetten übernommen. Zwei Jahre später verfügte der BC Harlekin zwar noch immer nur über 38 Mitglieder, galt aber bereits als der FC Bayern der C‑Klasse Augsburg Südwest.
„Einfach gut Fußball spielen!“
Wenn sie auswärts spielten, erschien das ganze Dorf auf der Platzanlage, um der Prominentenelf zuzuschauen. Geldgeber Eiba prophezeite: „Ich bin jetzt 40 Jahre alt. Und an meinem 50. Geburtstag werden wir im ersten Heimspiel der Bundesliga den Hamburger SV mit 2:0 schlagen.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ sekundierte mit voller Überzeugung: „Vielleicht heißt der Bundesliga-Schlager der Saison 1994/95 Bayern München gegen BC Harlekin.“
Peter Eiba, klein und rundlich von Statur, mit neckischer Fönfrisur, lebte seinen Traum. Sein neuer Lieblingsklub kickte in den Untiefen der 8. Liga, doch auf lange Sicht würde er schon ganz oben anklopfen. So plante es der Spielhallenboss, der dafür ein todsicheres System entwickelt hatte. „Einfach guten Fußball spielen“, predigte er, fahndete aber gleichzeitig nach Profispielern, mit denen er guten Fußball im Zweifelsfall auch erzwingen konnte. In der schwäbischen Provinz war Eiba mit seinen Spielotheken zu Geld gekommen. Der gelernte Elektromechaniker galt als genialer Bastler, der zahlreiche Patente auf Spielgeräte besaß. Jetzt bastelte er auch an seinen „Harlekin Globetrotters“.
Eine Kuckucksuhr für Pelé
Damit es keine Schwierigkeiten mit dem Fiskus gab, wurde Veh kurzerhand als Mitarbeiter der Sport-Werbe-GmbH Harlekin angestellt. Er bekam einen Porsche als Dienstwagen und eine neue Karriere. Einer seiner ersten Aufträge führte ihn auf eine Dienstreise nach New York. Der Mäzen des BC Harlekin beauftragte den Jungmanager, Pelé zu treffen und ihm eine Kuckucksuhr zu überreichen. Die Idee: Die kleine Gefälligkeit sollte den Weltstar dazu bewegen, in der Hallensaison bei den traditionsreichen Augsburger Stadtmeisterschaften aufzulaufen – für Eibas Harlekine. Ein Jahr zuvor hatte er auf diese Weise auch Bernd Förster engagiert, den Vize-Weltmeister von 1982.
Das A‑Team, das als BC Harlekin über die Dörfer tingelte, war bereits nach der ersten Saison spektakulär verstärkt worden. Gerd Zimmermann, vorher noch in der US-Profiliga tätig, gab für Eiba nicht nur den Libero. Der 36-Jährige wurde nebenbei auch als Wirt der brandneuen Vereinsgaststätte „In’s Harlekin“ gebraucht. Während „Zimbo“ tatendurstig hinter der Theke stand, telefonierte er die alten Kumpels von früher ab. So wechselte schließlich auch Engelbert Buschmann, 27, Torjäger des Zweitligisten Union Solingen, in die achte Liga. Mittelfeldmann Reinhard Kindermann, 26, ließ sich ebenfalls reamateurisieren. Er kam vom Bundesligisten Eintracht Braunschweig. Für den Wechsel ins unterste Unterhaus nahm er sogar eine Sperre von einem halben Jahr in Kauf.
Es war ein absolutes Novum in Deutschland, dass Bundesliga-Spieler bei einem C‑Klassen-Verein anheuerten. Der Grund: Eiba versorgte sie nebenher mit einer gutdotierten Tätigkeit im Spielautomaten-Geschäft. Buschmann verdiente in seiner Funktion als Automatenaufsteller plötzlich 3000 Mark netto im Monat, in Solingen war er als Zweitliga-Profi nur auf 1700 Mark gekommen. Spieler wie Kindermann oder Manfred Tripbacher ergriffen die Chance, sich in der alten Heimat eine berufliche Existenz aufzubauen. In Braunschweig hatten sie leichtfertig in Bauherrenmodelle investiert und damit viel Geld verloren.
Zum Technischen Direktor machte der Spielhallen-König den größten Fußballer, den Augsburg je hervorgebracht hat: Helmut Haller, Vizeweltmeister von 1966, der jahrelang erfolgreich in Italien gespielt hatte, stand inzwischen als Fachverkäufer in der Steingasse an der Kasse. Eiba offerierte dem 47-Jährigen die beste Werbefläche, die er im Angebot hatte. Der BC Harlekin warb auf seiner Trikotbrust fortan für Hallers Damen-Boutique „La Bionda“.
Champagner bei Pressekonferenzen
Nicht nur die ökonomische Perspektive überzeugte Haller. Er bemerkte, dass „der Harlekin“ auf Profiniveau agierte. Zwar fehlte es an einer Jugendabteilung und einem eigenen Fußballplatz – doch die Infrastruktur sollte sukzessive entstehen. Der Glücksspielklub leistete sich im Gegensatz zu vielen Profiklubs jedoch einen hauptamtlichen Manager, Masseur und Mannschaftsarzt. Haller prophezeite: „Der BC Harlekin ist die neue Kraft im Augsburger Fußball.“
Trainiert wurde das Team dreimal in der Woche von Keeper Albert Zettler, der zuvor in der 2. Liga für den FC Augsburg aktiv gewesen war. Eiba hatte als Sponsor zuvor auch beim größten Klub der Stadt mitgemischt. Der Platzhirsch FCA versäumte es aber, dem Unternehmer eine adäquate Plattform zu schaffen. Die Funktionäre nahmen das Geld gerne, fürchteten sich aber vor seinem wachsenden Einfluss und dem negativen Image des Glücksspielgewerbes. So zog es Eiba also weiter – zunächst zum Damen-Volleyball und schließlich zum Kreisliga-Fußball. Er selbst verstand sich als „Sportförderer“, doch er war eher ein verträumter Lebemann als ein knallharter Investor. Bei Pressekonferenzen ließ er Champagner servieren.
Inspiration in Übersee
Mit seinen Marketingideen eiferte er Günter Mast von Eintracht Braunschweig nach. Der Jägermeister-Boss war gerade vor den Bundesgerichtshof gezogen, um den Meister von 1967 nach seinem Kräuterlikör zu benennen. Kleiner Unterschied: Während der SV Jägermeister letztlich nicht zustande kam, erkannte der DFB den BC Harlekin ohne Schwierigkeiten an. Das Glück für Peter Eiba: Im Handelsregister war nur er selbst eingetragen, nicht aber die Marke „Harlekin“. Dass die Werbefigur über den Türen aller Spielhallen leuchtete, fiel den Frankfurter Juristen offenbar nicht weiter auf.
Der „Bundesligaverein in der C‑Klasse“, wie sich Eiba gerne ausdrückte, produzierte eigene Fanartikel: Aschenbecher, Feuerzeuge, Sektgläser, Biergläser und Autoaufkleber wurden mit dem Harlekin bedruckt. Später folgten Autogrammkarten – alles in der 8. Liga. Seine Inspiration holte sich der Macher in Braunschweig und in Übersee. Einmal schlenderte Eiba durch Disneyland und stieß auf eine fünf Meter große, sprechende Puppe. Zurück in Augsburg engagierte er einen Künstler, der einen solchen Harlekin modellieren sollte.
Sogar im Kino liefen Harlekin-Spots
Der Versuch aber misslang. Der Künstler bekam die Figur nicht so hin, wie Eiba sie aus Florida in Erinnerung hatte. Die Proportionen stimmten nicht. So blieb den Zuschauern das oberschwäbische Pendant des Grotifanten letztlich erspart. Dafür überzog Eiba die ganze Stadt mit dem Harlekin-Logo. Durch Augsburg fuhren Lautsprecherwagen und Straßenbahnen mit seiner Werbung. Ging man ins Kino, liefen dort Harlekin-Spots.
Er ließ eine eigene Radiosendung und eine Stadtzeitung erstellen. Mittags standen die Street-Teams vor den Berufsschulen, abends vor den Krankenhäusern. Einmal wartete die komplette Mannschaft morgens um sechs vor den Werkstoren von MAN, um für das nächste Heimspiel zu werben. Das Guerilla-Marketing wirkte: Die Fans kamen in Scharen zum Kreisligaklub, selten waren es weniger als 600. Gegen Klubs wie den TSV Straßberg betrug der Eintritt drei Mark, die Leute waren froh, dass endlich mal etwas los war in der Stadt.
Für Auswärtsspiele schaffte Eiba eigens einen Fan-Bus an und ließ ihn aufwendig lackieren. Die aufgebrachten Motive begannen alle mit „H“: Harlekin und Haller. Einmal diente das Gefährt sogar dazu, die gegnerischen Fans abzuholen. Die Folge: Schon beim Passieren der Stadtgrenze war das Bier an Bord leer. Eiba besorgte Nachschub. Es war eine freundschaftliche Geste und eine imagefördernde Maßnahme.
Dabei bedeutete das Projekt für viele Mitbewerber, dass sie ihre Aufstiegshoffnungen begraben konnten. Schon zur Hälfte der Saison stand der BC Harlekin mit 28:0 Punkten und 86:9 Toren an der Spitze. Die Promi Truppe war einfach zu stark für die Liga. Sie suchte nach neuen Herausforderungen im DFB-Pokal. Zum Spiel gegen den FC Haunstetten, Spitzenreiter zwei Klassen weiter oben, mietete Eiba den größten Bierwagen von „Löwenbräu“, der vorher nur auf dem Oktoberfest in München zum Einsatz gekommen war. Vor dem Spiel spielte ein Blasorchester, hinterher wurde ein Feuerwerk gezündet. Und zwischendurch gewann die Elf mit 9:1.
Ein Star in einer bizarren Lederjacke mit Fransen
Höhepunkt der Saison war das Pokalspiel gegen den Bezirksligisten TSV Königsbrunn. Ein Ostermontag, den die Augsburger Fußballfans nie mehr vergessen sollten. Eiba präsentierte als Neuzugang keinen Geringeren als Francisco Marinho. Der Star der brasilianischen WM-Elf von 1974 sah mit seinen langen blonden Haaren noch fast genauso aus wie 13 Jahre zuvor. Wenn man genauer hinschaute, sah man, dass er körperlich nicht mehr in der Lage war, ambitioniert Fußball zu spielen. Marinho kam nicht nur in einer bizarren Lederjacke mit Fransen nach Augsburg, sondern auch ohne Gepäck. Der 54-fache Nationalspieler hatte ein Drogenproblem.
Der Transfer wurde trotzdem zu Eibas größtem PR-Coup. Zu Marinhos erstem Spiel kamen über 2000 zahlende Zuschauer. Die Partie auf dem Sportplatz Haunstetten wurde wegen des Gedränges mit dreißig Minuten Verspätung angepfiffen. Marinho blieb nur ein paar Monate, aber die Schlagzeilen waren prächtig. Werbegenie Eiba flog kurzerhand nach Jamaika und brachte von dort einen Nationalspieler mit. Der Wirbel, den er erzeugte, wurde nun erstmals auch außerhalb Augsburgs registriert. Die „Welt am Sonntag“ titelte: „Deutschlands verrücktester Fußballverein“. Die „FAZ“ bemerkte: „Hinter der Harlekin-Maske verbirgt sich ein Augsburger Fußballnarr.“ Und die „Abendzeitung“ schrieb: „Er will doch nur ein bisschen Liebe.“
Jungmanager Veh und seine Ideen
Eiba erlebte während der Saison 1986/87 die Zeit seines Lebens. Wenn sie wieder gewonnen hatten, wurden sie vom lokalen Großraumdisko-Betreiber eingeladen, als wären sie eine Profitruppe. Sie gingen danach immer in Roland Bocks „Rock-Fabrik“. Zum 34. Geburtstag von Marinho wurde dort die Geburtstagstorte aufgetischt. Finanzier Eiba konnte einfach nicht genug kriegen. Er feierte auch bei einem zweistelligen Sieg das letzte Tor wie das erste. Er schnellte jedes Mal hoch wie ein Katapult, erinnern sie sich bis heute in Augsburg. Für ihn hätte es ewig so weitergehen können. Und das wäre es wohl auch, wenn nicht der Jungmanager mit seinen Ideen dazwischen gekommen wäre.
Mit Armin Veh hatte Eiba einen echten Fachmann installiert. Gemeinsam mit den Leistungsträgern aus dem Team überzeugte der Manager den begeisterungsfähigen Mäzen im Sommer 1987, ein paar Spielklassen zu überspringen, indem man sich dem Bezirksligisten TSV Schwaben anschloss. Das Fernziel Bundesliga erschien von dort schneller erreichbar, als über die B- und A‑Klasse.
Über Schwaben Augsburg zum FC Augsburg
Doch auch dort hielten es Eiba und seine Promitruppe mit ihren großen Ambitionen nicht lang aus. Vom TSV Schwaben Augsburg, wo sie mit dem halben Harlekin-Team über die Landesliga in die Bayernliga aufstiegen, ging es weiter zum FC Augsburg. Dort verpflichtete Eiba nacheinander Ex-Profis wie Jimmy Hartwig und Dieter Schatzschneider als Trainer – aber das ist eine andere Geschichte. Als er den FCA im Sommer 1990 verließ, war der Traditionsverein schuldenfrei, und sein Freund Armin Veh, der spätere Meistercoach, trat dort seinen ersten Trainerposten an. Er blieb fünf Jahre beim FC Augsburg und wurde schließlich der einzige Harlekin, der es tatsächlich in die Bundesliga schaffte. Ex-Mäzen Eiba sagt heute: „Ich war glücklich, Armin Veh damals von meinem Projekt überzeugen zu können. Er war ein Glücksgriff für mich, aber auch für ihn war es eine Bereicherung.“
Spuren in der großen Fußballwelt, das wissen wir jetzt, hat der Trainer des VfB Stuttgart schon damals hinterlassen. Ihm gelang es im Sommer 1987 zwar nicht, Weltstar Pelé von einem Wechsel zum BC Harlekin zu überzeugen. Die Kuckucksuhr, die ihm Veh damals in die Hand drückte, hängt allerdings bis heute beim Brasilianer. Sagt Peter Eiba.